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    Anforderungen an den Beschluss zur Entlastung des Geschäftsführers einer GmbH

    Der Entlastung eines Geschäftsführers für seine Tätigkeit durch die Gesellschafterversammlung einer GmbH kommt in der Praxis erhebliche Bedeutung zu. Der Geschäftsführer kann aufgrund der Entlastung nicht mehr für Schäden aus Vorgängen haftbar gemacht werden, die den Gesellschaftern bei der Beschlussfassung über die Entlastung gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG bekannt waren. Darüber, ob im Einzelfall ein Entlastungsbeschluss in der Regel im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über den Jahresabschluss der GmbH vorliegt, kommt es nicht selten zum Streit. Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat in einer neueren Entscheidung zu den Voraussetzungen eines wirksamen Entlastungsbeschlusses interessante Ausführungen gemacht.

    In seinem Urteil vom 29.06.2022, Az.: 7 U 133/21, hat das OLG Brandenburg in zweiter Instanz eine Streitigkeit zwischen einem Gesellschaftergeschäftsführer und einer GmbH entschieden, in der es um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der GmbH gegen ihren - inzwischen abberufenen - Geschäftsführer ging. Der Geschäftsführer berief sich u.a. darauf, dass solche Schadensersatzansprüche allein deshalb ausgeschlossen seien, weil ihm für das Geschäftsjahr, für das die Ansprüche geltend gemacht wurden, wirksam Entlastung erteilt worden sei. Zur Begründung konnte der Geschäftsführer jedoch keinen ausdrücklichen Entlastungsbeschluss vorlegen, der gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG Voraussetzung für eine wirksame Entlastung ist. Stattdessen berief er sich darauf, dass die Gesellschafterversammlung den für das betreffende Geschäftsjahr von ihm vorbereiteten Jahresabschluss gebilligt und festgestellt habe. Damit sei automatisch auch die Entlastung der Geschäftsführung verbunden gewesen, weil sich aus dem Jahresabschluss alle Umstände ergeben hätten, die ihm später im Rahmen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zur Last gelegt worden seien. Insbesondere war dem Geschäftsführer vorgeworfen worden, er habe sich ohne entsprechende vorherige Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung ein den vereinbarten Umfang überschreitendes Geschäftsführergehalt ausgezahlt.

    Das OLG Brandenburg hat die Argumentation des beklagten Geschäftsführers - wie schon die Vorinstanz - zurückgewiesen. Die Beschlussfassung zur Feststellung des Jahresabschlusses beinhalte nicht automatisch auch die Billigung der Geschäftsführung in dem Geschäftsjahr, für das der Jahresabschluss festgestellt werde. Vielmehr verlange § 46 Nr. 5 GmbHG eine Beschlussfassung, welche wenigstens erkennen lasse, dass die Gesellschafterversammlung neben der Feststellung des Jahresabschlusses auch eine Entlastung der Geschäftsführung gewollt habe. Dies sei bei Feststellung des Jahresabschlusses allein aber nicht der Fall. Vielmehr wird bei der Beschlussfassung über den Jahresabschluss lediglich festgestellt, welche Ausgaben tatsächlich getätigt worden sind. Das OLG führt aus, dass „dazu, ob die Höhe angemessen war und ob wegen einer Überzahlung Rückforderungsansprüche der Gesellschaft bestehen können“, im Jahresabschluss regelmäßig keine Angaben gemacht seien. Schließlich könnten Ansprüche auf Rückforderung überzahlter Vergütungen auch dann später durch die Gesellschaft noch geltend gemacht werden, wenn entsprechende Forderungen der Gesellschaft in der Bilanz nicht berücksichtigt seien. „Das Schweigen der Bilanz für das Geschäftsjahr … zu etwaigen Ansprüchen auf Rückforderung überzahlter Vergütung lässt mithin nicht den Schluss zu, dass die Höhe der Vergütung geprüft und gebilligt wurde“. Dem entspreche es im Übrigen, dass bei der Beschlussfassung über den Jahresabschluss der betroffene Gesellschaftergeschäftsführer ebenfalls ein Stimmrecht habe, während er von der Beschlussfassung über die Entlastung gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG ausgeschlossen sei.

    Die Auffassung des OLG Brandenburg im zitierten Urteil entspricht der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung. Die Annahme, Entlastungsbeschlüsse könnten durch Nichtbeanstandung von Tätigkeiten des Geschäftsführers anlässlich der Beschlussfassung über den Jahresabschluss konkludent erteilt werden, wird allgemein abgelehnt, vgl. nur Liebscher in MüKo GmbHG, 3. Auflage 2019, § 46 GmbHG, Rn. 141. Dies bedeutet andererseits wiederum nicht, dass eine nur konkludente Entlastung von vorneherein ausgeschlossen sei. So zieht es das OLG Brandenburg in der zitierten Entscheidung selbst in Erwägung, dass anlässlich der Beschlussfassung über den Jahresabschluss in der Gesellschafterversammlung ausdrücklich auch über bestimmte Positionen - etwa im entschiedenen Fall die Höhe der an den Geschäftsführer ausgezahlten Vergütungen - gesprochen wurde. War dies der Fall und erfolgte dann ohne entsprechende Vorbehalte einer späteren Geltendmachung von Ersatzansprüchen eine Billigung des Jahresabschlusses, kann diesem Beschluss eine Entlastungswirkung zu Gunsten des Geschäftsführers durchaus zukommen. Dies gilt umso mehr, wenn es in diesem Zusammenhang auch zu einer Wiederbestellung eines Geschäftsführers oder dessen Bestätigung im Amt kommt, so Liebscher in MüKo a.a.O.

    Für die Praxis ist die zitierte Entscheidung des OLG Brandenburg eine Warnung, bei der Beschlussfassung über die Entlastung von Geschäftsführern hinreichende Sorgfalt walten zu lassen, um diesbezügliche Streitigkeiten zu vermeiden.

    Dr. Jürgen Hoffmann

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 8/22

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