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    Auswechslung des Geschäftsführers eines Fonds kann schwierig sein

    Geschlossene Fonds sind typischerweise Kommanditgesellschaften („KG“), häufig GmbH & Co KG. Regelmäßig sieht ihre Satzung vor, dass eine bestimmte GmbH, nämlich die (auch Komplementärin genannte) persönlich haftende Gesellschafterin der KG, geschäftsführende Gesellschafterin ist. Die Befugnis zu Geschäftsführung und Vertretung kann dann ein sogenanntes relativ unentziehbares Recht sein. Das macht die Entziehung der Befugnis schwierig. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs („BGH“) veranschaulicht dies.

    Im BGH-Fall (Urteil vom 13.10.2020, Az. II ZR 359/18) ging es um einen geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer GmbH & Co KG. Die Satzung sah vor, dass die nun beklagte GmbH (die Komplementärin der KG) mit der alleinigen Kompetenz und Pflicht zur Geschäftsführung sowie Vertretung des Fonds ist. Die Anleger (Kommanditisten) hatten das Vertrauen in die Geschäftsführungs-GmbH verloren. Aus dem Urteil ist nicht ersichtlich, welche Vorwürfe sie der GmbH konkret machten. Es heißt lediglich, es kam zum Streit „im Hinblick auf einen Kooperationsvertrag mit einer Drittfirma“; offenbar gab es im Prozess keine Feststellungen dazu, ob und ggf. inwiefern der GmbH konkrete Vorwürfe zu machen waren. Die Anleger meinten mit großer Mehrheit, sie könnten einfach die Satzung ändern, um die GmbH los zu werden und durch eine andere zu ersetzen. Die Mehrheit dafür hatten sie. Die Satzung erforderte für Änderungen nur die einfache Mehrheit. Mit dieser an sich für Beschlussfassungen erforderlichen Mehrheit änderten sie die Satzung; per Gesellschafterbeschluss sollte künftig dem geschäftsführenden Gesellschafter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von zwei Monaten zum Quartalsende entzogen werden können. Der Beschlussfassung widersetzten sich einige wenige der Anleger und die bisherige Geschäftsführungs-GmbH. So kam es zum Rechtsstreit. Das Landgericht Berlin hielt die Änderung für unzulässig. Dem widersprach das Kammergericht (Berlin) als Berufungsgericht, es hielt die Änderung der Satzung für rechtmäßig: Die Gesellschaft habe ein berechtigtes Interesse, nach dem Ermessen der Mehrheit der Gesellschafter – beispielsweise bei Vertrauensverlust – die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entziehen zu können, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegen müsse; ansonsten seien jahrelange Prozesse über dessen Vorliegen zu befürchten. Die Revision ließ das Kammergericht nicht zu. Hiergegen wehrte sich die Geschäftsführungs-GmbH erfolgreich mit der sogenannten „Nichtzulassungsbeschwerde“ zum BGH nach Karlsruhe. Dort bekam die Geschäftsführungs-GmbH auch in der Sache Recht.

    Der BGH ließ entsprechend seiner mittlerweile etablierten Rechtsprechung keinen Zweifel daran, dass die Änderung der Satzung formell in Ordnung geht. Insbesondere ergebe sich weder aus der Satzung noch aus dem Gesetz ein strengeres Mehrheitserfordernis. Satzungen von Personengesellschaften könnten für die Änderung einfache Mehrheiten vorsehen. Zwar geht das Gesetz von einem Einstimmigkeitsprinzip aus. Doch die Satzung könne das ändern. Es gibt nach der Rechtsprechung des BGH kein Bestimmtheitserfordernis mehr für die formelle Legitimation einer Mehrheitsentscheidung. Nicht erforderlich sei es daher, dass die Satzung detailliert im Einzelnen festlegt, für welche Entscheidungen das Mehrheitsprinzip gilt. Eine Mehrheitsentscheidung sei formell legitimiert, wenn die Mehrheit erreicht ist, die die Satzung vorsieht. Bei der Bejahung der formellen Legitimation der Entscheidung bleibt das Gericht aber nicht stehen. Es befasst sich dann mit der Frage, ob inhaltlich die Satzungsänderung hinzunehmen ist. Das verneint es.

    Nach dem BGH bestimmt die Rechtsnatur der Befugnis eines Gesellschafters zur Geschäftsführung und Vertretung die inhaltlichen Anforderungen an einen Gesellschafterbeschluss, der den Entzug der Befugnis ermöglicht. Daher klärt der BGH in einem ersten Schritt die Rechtsnatur und im zweiten Schritt die Voraussetzungen, unter denen in diese Befugnis eingegriffen werden darf. Der Gerichtshof sieht die Befugnis als ein sogenanntes relativ unentziehbares Recht. Er verneint, dass sie ein Sonderrecht (§ 35 Bürgerliches Gesetzbuch [„BGB“]) ist. Ein solches wäre grundsätzlich gänzlich unentziehbar. Ein Sonderrecht setzt nach dem BGH eine Rechtsposition voraus, die die Satzung einem einzigen oder einzelnen Gesellschaftern einräumt und als unentziehbare ausgestaltet; eine wie im Fall des Immobilienfonds allgemein mit der Mitgliedschaft verbundene Rechtsstellung genüge nicht. Die Satzung erwähnt in der Bestimmung, in der sie die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis regelt, die Geschäftsführungs-GmbH nicht einmal namentlich. Ein Sonderrecht scheidet daher nach dem BGH aus.

    Auch Beeinträchtigungen relativ unentziehbarer Rechte müssen nach dem BGH hohe Hürden nehmen. Die Entziehung bedarf einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesellschafter ihr nicht zustimmt. Dies gelte auch, wenn – wie hier – die Befugnis erst durch einen weiteren Gesellschafterbeschluss entzogen werden solle; der erste Beschluss zur Satzungsänderung ermögliche bereits den Entzug. Zwar könne eine Satzung grundsätzlich die Möglichkeit eines Entzugs der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ohne wichtigen Grund vorsehen. Wollten die Gesellschafter diese Möglichkeit jedoch nachträglich einführen, sei das ein Eingriff in ein relativ unentziehbares Recht, der einer entsprechenden Rechtfertigung bedürfe. Der Eingriff müsse nicht nur im Interesse der Gesellschaft liegen, sondern auch geboten sein. Er müsse zudem für den betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar sein. Nicht ausreichend ist es nach dem BGH, dass die Entziehung der Befugnis lediglich im Interesse der Gesellschaft liegt. Sie müsse aus Sicht der Gesellschaft unerlässlich und damit geboten sein. Vertrauensverlust der Mehrheit der Anleger und die Vermeidung langwieriger Prozesse lassen die Entzugsmöglichkeit nach dem BGH noch nicht als geboten erscheinen; das begründe nur ein Interesse der Gesellschaft an der Änderung. Daraus folge jedoch noch nicht, dass die Möglichkeit zur Entziehung ohne wichtigen Grund auch tatsächlich unerlässlich oder notwendig und damit geboten ist. Keinen Fingerzeig gibt das Gericht, wann es die Schwelle zum Geboten-Sein als überschritten ansieht.

    Der BGH stellte auch fest, dass vorliegend keine Zustimmung der Geschäftsführungs-GmbH zur Satzungsänderung vorlag. Ausdrücklich hatte die GmbH nicht zugestimmt. Denkbar und grundsätzlich ausreichend wäre aber auch eine sogenannte konkludente, antizipierte Zustimmung mit dem Abschluss der Satzung. Dafür müssen nach dem BGH in der Satzung „Ausmaß und den Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung für den Gesellschafter deutlich werden“. Der BGH hält die konkreten Satzungsregeln, insbesondere das allgemeine Mehrheitserfordernis für Satzungsänderungen, indessen nicht für ausreichend für eine solche stillschweigende vorherige Zustimmung: Die Mehrheitsklausel mache nicht hinreichend deutlich, dass eine solche zusätzliche „Belastung“ auf die bisherige geschäftsführende Gesellschafterin zukommen würde. Dabei sagt der BGH allerdings nicht, warum ein durch Satzungsänderung ermöglichter Entzug der Pflicht und Befugnis zu Geschäftsführung und Vertretung für einen Gesellschafter eine zusätzliche „Belastung“ ist. Hier hätte sich unserer Meinung nach ein Hinweis auf die §§ 117 und 127 des Handelsgesetzbuchs („HGB“) angeboten. Denn nach diesen Vorschriften bedarf es, wenn die Satzung nichts zur Entziehung der Geschäftsführungs- bzw. Vertretungsbefugnis regelt, für eine solche gravierende Maßnahme einer gerichtlichen Entscheidung. Dazu müssen die übrigen Gesellschafter bei Gericht einen entsprechenden Antrag stellen. Als weitere Voraussetzung nennen die §§ 117, 127 HGB, dass für die Entziehung ein „wichtiger Grund“ vorliegen müsse, insbesondere etwa eine „grobe Pflichtverletzung“ oder die „Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung bzw. Vertretung der Gesellschaft“. Es ist nachvollziehbar, dass die Entziehung dieser Befugnisse – wie gesagt: wenn die ursprüngliche Satzung dazu nichts regelt – dann stattdessen nicht durch einen einfachen Beschluss der Mitgesellschafter ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen kann. Sonst würden die gesetzlichen Regelungen der §§ 117, 127 HGB ausgehebelt. Anders ist dies eben nur, wenn schon in der ursprünglichen Satzung die Möglichkeit zur Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis durch einfachen Gesellschafterbeschluss vorgesehen ist, ohne dass dafür ein „wichtiger Grund“ vorliegen muss. Denn dann weiß jeder Geschäftsführer/Vertreter der Gesellschaft, worauf er sich einlässt.

    Die Entscheidung schränkt die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter im ansonsten größtenteils dispositiven Personengesellschaftsrecht erheblich ein. Aufgrund der durch den BGH aufgestellten sehr hohen Begründungsanforderungen für nachträgliche Satzungsänderungen gilt es bereits im Gründungsprozess einer Gesellschaft und dem erstmaligen Aufsetzen der Satzung sorgfältig zu erwägen, ob es tatsächlich im Interesse der Gesellschaft und der Gesellschafter liegt, einem geschäftsführenden Gesellschafter durch eine Satzungsregel eine starke Position zu geben oder ob eine erleichterte Möglichkeit der Entziehung der Befugnis zur Geschäftsführung oder Vertretung ohne wichtigen Grund gewollt ist. Anleger werden sich genau überlegen, ob sie sich an Fonds beteiligen wollen, deren Satzung in der Art des vom BGH entschiedenen Falls die Position einer Geschäftsführungs-GmbH festschreibt. Ein bloßer Vertrauensverlust selbst einer übergroßen Mehrheit der Anleger genügt dann nicht für eine Trennung von der Geschäftsführung. Ist man dennoch auf eine nachträgliche Änderung der Satzung angewiesen, muss genau begründet und ggf. gerichtsfest bewiesen werden können, warum die Änderung für die Gesellschaft „unerlässlich bzw. notwendig und damit geboten“ ist.

    Dr. Thomas Heidel / Maike Mestmäcker

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/21

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