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    BFH: Entkräftung des Beweises des ersten Anscheins für die private Nutzung betrieblicher Pkw, wenn für private Fahrten andere vergleichbare Fahrzeuge zur Verfügung stehen

    Im Rahmen der 1%-Regelung wird die regelmäßige Vermutung der Privatnutzung des betrieblichen Pkw erschüttert, wenn für private Fahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind. Ist der Anscheinsbeweis erschüttert, muss das Finanzamt die private Nutzung des Pkw beweisen.



    Der Kläger war Gesellschafter einer GbR. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die GbR wurde von dem Finanzamt für den auf den Kläger zugelassenen Pkw Porsche 911 ein privater Nutzungsanteil nach der 1%-Regelung angesetzt. Der Pkw Porsche 911 lag im Betriebsvermögen der GbR. Gegen den Ansatz des privaten Nutzungsanteils wendet sich der Kläger. Tatsächlich habe er den Pkw Porsche 911 privat nicht genutzt. Nach seiner Auffassung wird der von dem Finanzamt angenommene Anscheinsbeweis für die private Nutzung des im Betriebsvermögen der GbR befindlichen Pkw Porsche 911 insbes. durch das Vorhandensein anderer gleichwertiger privater Pkw widerlegt. So befand sich im Streitjahr in seinem Privatvermögen ein Porsche 928 S4. Seine Ehefrau verfügte über einen Volvo V70 T5. Zum Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau gehörten fünf minderjährige Kinder.



    Der BFH hat in seinem Urteil vom 04.12.2012, Az.: VIII R 42/09, ebenso wie das erstinstanzliche Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06.05.2009, Az.: 2 K 442/02, den vom Finanzamt angenommenen Anscheinsbeweis durch das Vorbringen des Klägers für erschüttert und damit widerlegt gehalten. Die Revision des Finanzamtes wurde zurückgewiesen.



    Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG ist die private Nutzung eines Pkw, der zu mehr als 50% betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zzgl. der Kosten für die Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Diese Bewertungsregel findet keine Anwendung, wenn eine private Nutzung nicht stattgefunden hat (vgl. BFH, Urteil vom 19.05.2009, Az.: VIII R 60/06). Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, tatsächlich auch privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins (vgl. BFH, Beschluss vom 14.05.1999, Az.: VI B 258/98). Liegen keine besonderen Umstände vor, so kann das Finanzamt regelmäßig aufgrund der Anscheinsbeweislastregel davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat.



    Der Beweis des ersten Anscheins kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Der Vollbeweis des Gegenteils ist hierzu nicht erforderlich. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Steuerpflichtige einen Sachverhalt darlegt und im Zweifelsfall auch beweist, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt (vgl. BFH, Urteil vom 07.11.2006, Az.: VI R 19/05).



    Im Streitfall sahen die Gerichte den Anscheinsbeweis der privaten Nutzung des betrieblichen Pkw Porsche 911 als erschüttert an. Denn mit dem privaten Porsche 928 S4 habe ein in Motorleistung, Ausstattung, Fahrleistungen und unter Prestigegesichtspunkten gleichwertiger Pkw dem Kläger zur Verfügung gestanden. Auch sprächen gegen eine private Nutzung des Pkw Porsche 911 die familiären Verhältnisse des Klägers und der Umstand, dass auf seine Ehefrau ein Kombi Volvo V70 T5 zugelassen war, ein ebenfalls relativ stark motorisiertes und gut ausgestattetes Fahrzeug. Auch wenn die Ehefrau den Porsche 911 theoretisch für private Fahrten habe nutzen können, so hätten nach allgemeiner Lebenserfahrung Eltern kleinerer Kinder des Öfteren Transportaufgaben oder größere Einkäufe zu erledigen. Für derartige Aufgaben würde wohl eher ein Auto mit größerem Platzangebot und großem Kofferraum, wie ein Kombi Volvo V70 T5, als ein Sportwagen gewählt. Schließlich wäre eine private Nutzung des betrieblichen Pkw Porsche 911 durch die minderjährigen Kinder selbst ausgeschlossen.



    Beraterhinweis: Bisher war in der Praxis der oft vorgetragene Einwand, dass auch privat ein Fahrzeug vorhanden sei, regelmäßig der Erfolg versagt. Es gilt nunmehr, den nach wie vor bestehenden Anschein der (auch) privaten Nutzung eines betrieblichen Pkw durch entsprechenden Sachvortrag zu erschüttern. Der Vollbeweis des Gegenteils ist nicht erforderlich. Es kommt auf die Besonderheiten des Einzelfalls an. Grundsätzlich ist es jedenfalls wirtschaftlich unvernünftig, neben dem betrieblichen Pkw einen vergleichbaren Pkw auch noch privat zu halten, anstatt den betrieblichen Pkw privat mitzubenutzen. Für die ausschließliche betriebliche Nutzung würde ferner auch ein vertragliches Verbot der privaten Nutzung sprechen.



    Dr. Dieter E. Rabback

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/13

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