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    BGH stärkt Hauptversammlungskompetenzen

    Wenn das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat, muss die Hauptversammlung einer Übernahme der Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft zustimmen.



    Die Stärkung der Kompetenzen der Hauptversammlung war dem BGH in seiner jüngeren Rechtsprechung kein besonderes Anliegen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 08.10.2011, II ZB 26/12 - FRoSTA). Vor diesem Hintergrund verdient eine neuere Entscheidung besondere Aufmerksamkeit, die die Kompetenzen der Hauptversammlung ausdrücklich stärkt - wenn auch nur in einem recht speziellen Fall (BGH, Beschluss vom 04.04.2013, 9 U 137/12). Dabei geht es um die Frage, welches Organ in einer Aktiengesellschaft darüber zu entscheiden hat, ob die Gesellschaft einem Mitglied des Vorstands Aufwendungen für Geldstrafen, -bußen oder -auflagen erstatten soll: Aufsichtsrat oder Hauptversammlung? Das war in der Literatur bislang umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt.
    Begeht ein Vorstandsmitglied im Zusammenhang mit der Leitung der Gesellschaft eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit, kann es daraus resultierende finanzielle Belastungen regelmäßig nicht von der Gesellschaft ersetzt verlangen. Denn in aller Regel verletzt der Vorstand mit der Gesetzesübertretung zugleich auch seine Amtspflichten gegenüber der Gesellschaft, und zwar selbst dann, wenn dieser Pflichtverstoß vermeintlich oder tatsächlich für die Gesellschaft nützlich ist. Diskutiert wird aber seit langem über die Frage, ob die Gesellschaft in einem solchen Fall, d.h. ohne dass der Vorstand einen Anspruch darauf hat, eine freiwillige Kostenerstattung vornehmen darf. Einige Stimmen in der Literatur waren der Auffassung, dass dies schon allein auf Basis eines Beschlusses des Aufsichtsrats möglich sei. Dem tritt der BGH nun mit überzeugenden Gründen entgegen und erklärt entsprechend § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einen Beschluss der Hauptversammlung für erforderlich, sofern sich die betreffende Handlung im Verhältnis zur Gesellschaft als Pflichtverletzung darstellt.
    Nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kann eine Gesellschaft auf Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder wegen Pflichtverletzungen nur dann verzichten oder sich darüber vergleichen, wenn (1) drei Jahre vergangen sind und (2) ein zustimmender Beschluss der Hauptversammlung vorliegt. Die gleichen Grundsätze müssen nach Auffassung des BGH auch dann gelten, wenn die Gesellschaft durch eine Pflichtverletzung des Vorstands dazu veranlasst wird, sich gleichsam selbst einen Schaden zuzufügen, indem sie dem Vorstand Strafzahlungen erstattet. Denn diese "Selbstschädigung" werde durch die Pflichtverletzung des Vorstands gleichsam "herausgefordert", so dass zwischen Pflichtverletzung und Schaden ein Zurechnungszusammenhang bestehe. Über derartige bewusste Selbstschädigungen könne der Aufsichtsrat allein nicht beschließen. Denn das Vermögen der Gesellschaft stehe wirtschaftlich nicht dem Aufsichtsrat, sondern den Aktionären zu, so dass allein diese dazu berufen seien, eine derartige Entscheidung zu treffen. Dadurch werde auch der Gefahr einer kollegialen Verschonung des Vorstands oder einer Selbstenthaftung der Organe vorgebeugt.
    Allein entscheiden könne der Aufsichtsrat nur, wenn die straf- oder bußgeldrechtlich relevante Handlung im Verhältnis zur Gesellschaft keine Pflichtverletzung durch den Vorstand darstelle. Das Fehlen einer Pflichtverletzung müsse aber feststehen und liege nicht im Ermessen des Aufsichtsrats.
    Vor diesem Hintergrund ist Aufsichtsratsmitgliedern dringend zu einer sorgfältigen Prüfung der Rechtslage zu raten. Veranlassen sie die Gesellschaft zur Zahlung, obwohl eine Pflichtverletzung vorliegt, machen sie sich selbst gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig.



    Sebastian Schödel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 9/14

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