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    Der Fall CoBank: OLG Frankfurt stärkt Unabhängigkeit von Vorständen

    Eine weitere gerichtliche Schlappe musste der Aufsichtsrat der Commerzbank ("CoBank") erleiden: Auch das OLG Frankfurt lehnte die Abberufung eines unliebsam gewordenen Vorstandsmitglieds unter dem Vorwand ab, man wolle doch nur konzernweit Kosten sparen, das dürfe doch auch vor dem Vorstand keinen Halt machen. Das Urteil stärkt weit über den entschiedenen Fall hinaus die Unabhängigkeit von Vorstandsmitgliedern.



    Über den Fall hatte ich kritisch im Newsletter 10/13 berichtet. Er ist auch aus der Presse bekannt. Der Aufsichtsrat der CoBank hatte nach Kampfabstimmungen den Personalvorstand Ulrich Sieber fristlos abberufen. Als angeblich wichtiger Grund sollte eine Verkleinerung des Vorstands herhalten, die vor dem Hintergrund eines allgemeinen Personalabbaus stand und Effizienz sowie Arbeitsfähigkeit im Vorstand erhöhen sollte. Diese Argumentation überzeugte schon das Landgericht nicht, es stellte im April 2014 die Nichtigkeit der Abberufung fest. Das OLG folgt dem der Sache nach (Urteil vom 17.2.2015, 5 U 111/14, Revision nicht zugelassen, CoBank hat Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt, II ZR 73/15):



    Der Aufsichtsrat habe keinen Beurteilungsspielraum, ob eine wichtiger Grund zur Abberufung bestehe. Die Gerichte müssten vollständig prüfen, ob der behauptete Grund tatsächlich so wichtig ist, dass der Gesellschaft die Fortsetzung des Organverhältnisses nicht bis zum regulären Ende der Amtszeit zumutbar ist. Wichtige Beispiele eines wichtigen Grundes sind persönliche Verfehlungen des Vorstandsmitglieds - in der Sprache des Gesetzes "grobe Pflichtverletzung". Eine weiter gesetzlicher Grund ist die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Das Gesetz ist offen für weitere wichtige Gründe. Es enthält nur Beispielsfälle. Das OLG hält als Kündigungsgrund grundsätzlich auch eine Änderung der Unternehmens- oder Vorstandsstruktur für ausreichend. Diese dürfe aber kein bloßer Vorwand sein: Die Fortsetzung der Organstellung müsse gerade auch in einem solchen Fall für die Gesellschaft unzumutbar sein. Die Vorstandsmitglieder dürften nicht fürchten müssen, "dass sachlich begründbare, in Wahrheit aber nur um ihrer Abberufung willen erfolgende Umstrukturierungen des Vorstands … vorgeschoben würden". Solches nahm das OLG im Falle der CoBank und ihres geschassten Personalvorstands an.



    Eine juristische Klatsche erteilte das OLG auch der Argumentation der CoBank, ihr gehe es um Kosteneinsparung: Im Streit war nur die Abberufung des Vorstandsmitglieds aus seiner Stellung als Organmitglied. Diese berührt nicht ohne Weiteres den Vorstandsanstellungsvertrag. Dieser sollte nach dessen allgemeinen Absprachen enden. Bei Vorstandsmitgliedern ist ebenso wie bei GmbH-Geschäftsführern strikt zwischen der Beendigung der Organstellung als Vorstand/Geschäftsführer und der Beendigung des Anstellungsvertrages zu unterscheiden. Allein dieser ist zumal für die Vergütung maßgebend. Das OLG wirft der CoBank geradezu Scheinheiligkeit vor. Unstreitig berührte die Abberufung aus dem Vorstrandsamt die Vergütungsansprüche nicht unmittelbar, diese liefen weiter, es beständen auch bei Abberufung noch Ansprüche von mehreren Jahresvergütungen, ohne dass die CoBank "von seiner Arbeitsleistung profitieren konnte"; wie das OLG bemerkt. Daher weist es mit Recht darauf hin, dass die Außenwirkung der Vorstandsverkleinerung eher gering sei - es sei denn, es gelänge der CoBank, "die Nachteile der vorzeitigen Abberufung zu verbergen. Ein nur so erzielbarer kommunikativer Erfolg … ist aber nicht schutzwürdig". Mit einem Hauch von Sarkasmus bemerkt das OLG treffend: Es könne "nicht erkennen", dass die CoBank mit der wahrheitsgemäßen Mitteilung besser stünde, sie berufe den Personalvorstand aus wichtigem Grund ab, "werde ihm für seine Untätigkeit aber weiterhin bis zu zwei Jahresgehälter zahlen", als mit der Mitteilung, sie werde das Vorstandsamt nach Ablauf der Amtszeit nicht mehr verlängern, erhalte bis dahin für die "Vergütung aber seine Arbeitskraft als Gegenleistung".



    Der Personalvorstand darf allerdings nach seinem "2:0 für Ex-Vorstand Ulrich Sieber" (Handelsblatt) nicht zurück an seinen Arbeitsplatz. Er scheiterte nämlich schon beim Landgericht mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nach bislang herrschender Meinung können abberufene Vorstandsmitglieder nur formale Fehler der Abberufung rügen. Die eigentliche Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, soll nur im ordentlichen Prozess geklärt werden können. Bis zu dessen Rechtskraft ist die Abberufung erst einmal wirksam. Darin liegt eine erhebliche Rechtsschutzlücke.



    Dr. Thomas Heidel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/15

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