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    Der Fluch der leichtfertigen Tat (Falschberatung) - BGH III ZR 244/18

    Fehlerhafte Kapitalanlageberatungen sind immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung unseres höchsten Zivilgerichts, des Bundesgerichtshofs (BGH). In seinem Urteil vom 21.11.2019, Az. III ZR 244/18, hat der BGH klargestellt, dass ein Anlageberater oder Anlagevermittler im Falle einer fehlerhaften Beratung nicht nur für Schäden des Kunden aus dem ersten auf Basis der Beratung getätigten Anlagegeschäft haftet, sondern unter Umständen auch für Jahre später geschlossene Folgegeschäfte. Dabei muss die Falschberatung nicht vorsätzlich erfolgt sein (das wäre dann „Der Fluch der bösen Tat“, Schiller, Wallenstein), sondern es genügt Fahrlässigkeit.

    In dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Fall hatte sich der langjährige Kunde einer Beratungsfirma, die sich vorwiegend mit Versicherungsangelegenheiten befasste, bei seinem Berater (Angestellter der Firma) nach Geldanlagemöglichkeiten als Altersvorsorge erkundigt. Die ihm zunächst von dem Berater vorgestellten Renten- und Lebenssicherungsprodukte passten ihm bezüglich der Laufzeit nicht. Außerdem wollte er eine höhere Rendite. Monate später wies der Berater den Kunden dann auf eine Anlagemöglichkeit bei einem Rechtsanwalt hin, der nebenbei auch kurzfristige Kapitalanlagen mit guten Zinsen anbiete. Auch die Beratungsfirma selbst bzw. ihre Mitarbeiter würden dort Geld anlegen. Der Berater hatte allerdings die Art der Geldanlage durch den Rechtsanwalt nicht geprüft, seinen Kunden gleichzeitig aber auch nicht darauf hingewiesen, dass eine solche Prüfung nicht erfolgt war.

    Aufgrund der Empfehlung legte der Kunde bei dem Rechtsanwalt zunächst einen Betrag in Höhe von 10.000 € an, später dann jedoch – über mehr als fünf Jahre hinweg – immer wieder weitere Geldbeträge, insgesamt 210.000 €. Als der Rechtsanwalt verstarb, stellte sich heraus, dass er weit überschuldet war. Es wurde ein Insolvenzverfahren über seinen Nachlass eröffnet. Der Kunde verlor rund 95 % seines angelegten Geldes.

    Daraufhin verklagte der Kunde die Beratungsfirma wegen fehlerhafter Anlageberatung. In erster Instanz hatte seine Klage Erfolg. In zweiter Instanz wies das zuständige Oberlandesgericht seine Klage jedoch ab, weil der Kunde nur für die zuerst angelegte Summe von 10.000 € – falsch – beraten worden sei, die späteren Anlagegeschäfte jedoch nichts mehr mit der einen falschen Beratung zu tun hätten. Auch die ersten 10.000 € habe der Kunde zunächst zurückgehalten, dann aber in den Folgejahren zusammen mit den weiteren Geldern neu bei dem Rechtsanwalt angelegt. Alle diese Folgegeschäfte könnten dem Berater nicht mehr angelastet werden. Es fehle insofern der „Zurechnungszusammenhang“ und der „Schutzzweck der Norm“ (sinngemäß: „man darf nicht fehlerhaft oder unzureichend beraten“) erfasse nicht spätere autonom von dem Kunden abgeschlossene Geschäfte. Das Oberlandesgericht stellte diese Schlussfolgerung als allgemeine Regel auf und ließ deshalb ausdrücklich die Revision zum BGH zu.

    Der BGH sah die Sache in dem konkreten Fall anders, hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung dorthin zurück. Dabei hob der BGH aber hervor, dass weder das eine noch das andere als generelle Regel gelten könne. Es komme vielmehr immer auf den Einzelfall an. Das Oberlandesgericht müsse also prüfen, ob die erste Beratung wirklich nur – für den Berater erkennbar – auf eine Anlagesumme von 10.000 € bezogen war. Falls dies der Fall gewesen wäre, könnte die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Ergebnis richtig sein. Falls die Empfehlung des Beraters aber so allgemein ausgesprochen worden sei, dass der Kunde bei dem Rechtsanwalt auch höhere Summen anlegen könne (schließlich ging es dem Kunden insgesamt um seine Altersvorsorge), könnten auch die Jahre später abgeschlossen Folgegeschäfte von dem Schutzzweck der Norm umfasst sein. Ein Indiz dafür könnte beispielsweise auch eine möglicherweise besonders hohe Provision für den Berater sein. Es sei jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass eine zu weitgehende falsche Beratung auch auf spätere Geschäfte fortwirke.

    Anlageberater und -vermittler sollten vor dem Hintergrund dieses Urteils genau darauf achten, was sie ihren Kunden wie empfehlen. Eine leichtfertige Empfehlung unseriöser Kapitalanlageprodukte ist nicht nur rechtswidrig (das ohnehin!), sondern kann eben auch Fernwirkungen für später eintretende Schäden zeitigen. Im Interesse eines funktionierenden Kapitalanlagemarkts und der Bekämpfung unseriöser Anlagepraktiken gerade im „grauen Kapitalmarkt“ ist das Urteil des BGH zu begrüßen.

    Dr. Gerd Krämer

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/21

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