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    EASY Software AG: MH&P erstreitet erneut Schadensersatz von ehemaligen Organmitgliedern

    EASY Software AG erstreitet mit MH&P erneut Schadensersatz in Millionenhöhe in einem Haftungsprozess gegen ehemalige Organmitglieder und den lange Jahre herrschenden Aktionär der Gesellschaft. Das Verfahren ist Teil einer Reihe von Verfahren, in der zuletzt der BGH in seiner viel beachteten „EASY-Software-Entscheidung“ und in einem Parallelverfahren zugunsten der AG entschied (vgl. Newsletter 2/19). Insgesamt wurde der EASY Software AG in diesen Verfahren Schadensersatz in Höhe mehrerer Millionen Euro zugesprochen, zum Teil sind die Urteile rechtskräftig. Alle Prozesse beruhen auf der Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch unseren Sozius Dr. Thomas Heidel als besonderer Vertreter der EASY Software AG.

    Im aktuellen Prozess machte die EASY Software AG gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied sowie den vormaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und langjährigen herrschenden Aktionär Schadensersatzforderungen in Höhe von ca. 1,5 Mio. € geltend. Das Landgericht Duisburg hat der Klage gegen die beiden Beklagten praktisch ganz bzw. ganz überwiegend stattgegeben. Eine Widerklage des ehemaligen Vorstandsmitglieds auf Zahlung vermeintlich ausstehender Vergütung wies das Gericht ab.

    Hintergrund des Verfahrens waren diverse Zahlungen der EASY Software AG an eine von den beklagten ehemaligen Organmitgliedern beherrschte GmbH. Diese war fortlaufend insolvenzbedroht, schließlich kam es zur Pleite der GmbH. Die Beklagten wollten den Aufbau der GmbH durch Zahlungen der EASY Software AG finanzieren. Sie ließen die AG die Zahlungen als Vorauszahlungen auf angebliche Programmierleistungen buchen. Die GmbH erbrachte jedoch niemals solche Leistungen. Schließich erreichten die sog. Vorauszahlungen eine offenkundig unangemessene Höhe. Daraufhin veranlasste das verklagte ehemalige Vorstandsmitglied der EASY Software AG außenstehende Personen, weitere Zahlungen an die GmbH zu leisten. Gleichzeitig sorgte er dafür, dass die AG diese Zahlungen im Wesentlichen erstattete. Der beklagte Vorstand ließ sich einen wesentlichen Teil der Zahlungen der AG und der außenstehenden Personen an die GmbH von deren Geschäftsführer bar aushändigen. Er wurde hierfür wegen Untreue und Anstiftung zur Untreue rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren verurteilt. Nach Aufdeckung der Barzahlungen kündigte die EASY Software AG den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds aus wichtigem Grund.

    Das LG Duisburg verurteilte das ehemalige Vorstandsmitglied nun auch im Zivilprozess zu Schadensersatz zugunsten der AG: Seine Zahlungen an die insolvenzbedrohte GmbH seien pflichtwidrig gewesen, ihnen habe keine Gegenleistung gegenübergestanden. Seine vermeintlichen Vergütungsansprüche wegen der seiner Meinung nach unberechtigten Kündigung wies das Gericht ab; das Vorstandsmitglied hatte argumentiert, die Kündigung sei schon verfristet, denn der jetzige Mitbeklagte und ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende sei über alles informiert gewesen.

    Auch den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden verurteilte es zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von über 1 Mio. €. Er habe als herrschender Aktionär der EASY Software AG die Finanzierung der GmbH durch nicht leistungsunterlegte Vorauszahlungen auf die nur angeblichen Programmierleistungen veranlasst. Den hieraus der AG entstandenen Nachteil, die Zahlungen an die GmbH ohne Gegenleistung, muss der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende erstatten.

    Das Urteil ist insbesondere deswegen bemerkenswert, weil es die Haftung des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden aus seiner beherrschenden Stellung als zeitweise größter Einzelaktionär und graue Eminenz der EASY Software AG herleitet. Gerade diese Stellung hatte dazu geführt, dass es jahrelang keine ordnungsgemäße Kontrolle in der AG gab. Vielmehr wurden deren Interessen und die der der Minderheitsaktionäre den Interessen des beherrschenden Aktionärs untergeordnet. Dieser Zustand konnte erst aufgebrochen werden, als die Hauptversammlung die Geltendmachung von Ersatzansprüchen beschloss und Dr. Thomas Heidel zum besonderen Vertreter zu deren Geltendmachung bestellte. Der besondere Vertreter deckte umfassend die Nachteilszufügungen auf und sorgte effektiv für die Verfolgung der Ersatzansprüche der AG.

    Dieses Urteil zeigt wie die anderen Entscheidungen des BGH in Sachen EASY Software AG, dass gerade die Tätigkeit eines besonderen Vertreters in vielen Fällen notwendig und geeignet ist, Pflichtverletzungen durch Organe und Nachteilzufügungen durch herrschende Aktionäre aufzudecken und die daraus resultierenden Haftungsansprüche erfolgreich vor Gericht durchzusetzen. Für Minderheitsaktionäre stellt oftmals der besondere Vertreter nach § 147 Abs. 2 AktG die einzige Möglichkeit dar, der Schädigung einer Aktiengesellschaft durch den herrschenden Aktionär entgegenzuwirken.

    Jan Kleinertz

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/19

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