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    Etwas mehr Klarheit bei der Außenhaftung von Kommanditisten in der Insolvenz ihrer Gesellschaft

    Der Bundesgerichtshof hat jüngst präzisiert, wann der Insolvenzverwalter einen Kommanditisten in Anspruch nehmen kann, der seine Kommanditeinlage nicht (voll) erbracht hat bzw. dem Teile der Einlage zurückgezahlt wurden.

    Zum Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Kommanditgesellschaft (KG), einem Schiffsfonds. Die Beklagte ist an der KG als Kommanditistin mit einer Einlage von € 50.000 beteiligt. Der Fonds hatte ihr vor mehreren Jahren nicht durch Einlagen gedeckte Ausschüttungen gezahlt, die sie später teilweise zurückerstattete. Im Streit ist die Differenz zum ausgeschütteten Betrag. Diese forderte der Insolvenzverwalter von ihr nun auch noch ein. Er begründete das damit, dass die zur Insolvenztabelle festgestellten Gläubigerforderungen höher waren als der Massebestand. Wegen der teilweisen Rückgewähr der von der Beklagten geleisteten Kommanditeinlage müsse die Beklagte auch diesen Betrag erstatten. Die Beklagte hielt dem entgegen, ihre Inanspruchnahme sei nicht erforderlich, da die Gläubiger der Gesellschaft auch ohne ihre Einlage an ihr Geld kämen; die KG habe nämlich von anderen Kommanditisten Rückzahlungen in genügendem Umfang erhalten.

    Land- und Oberlandesgericht München verurteilten die Beklage; vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hatte sie mit ihrer Verteidigung (vorerst) Erfolg (Urteil vom 21.07.2020, II ZR 175/19).

    Worum geht es bei der für die Praxis wichtigen Frage, die Oberlandesgerichte bislang unterschiedlich beurteilten: Die Gläubiger einer Kommanditgesellschaft können sowohl die Gesellschaft als auch die Gesellschafter persönlich in Anspruch nehmen; das gilt für Kommanditisten aber nur, soweit sie ihre Kommanditeinlage nicht geleistet oder zurückbezahlt bekommen haben. Das ändert sich, wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird: Zum einen dürfen Gläubiger nämlich nicht mehr selbst gegen Kommanditisten vorgehen; um den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zu verwirklichen, übernimmt das der Insolvenzverwalter für sie (§ 171 Abs. 2 HGB). Zum anderen darf die Inanspruchnahme des Kommanditisten nur noch dem Zweck dienen, die Gläubiger zu befriedigen. Der Kommanditist kann deshalb seiner Inanspruchnahme entgegenhalten, dass seine Einlage zur Tilgung der Gesellschaftsschulden nicht erforderlich sei, diese also auch ohne seine Einlage bedient werden könnten. Bislang war in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten und nicht höchstrichterlich geklärt, was im Prozess dazu die Insolvenzverwalter und die beklagten Kommanditisten konkret vortragen müssen, um mit der Zahlungsforderung durchzudringen bzw. diese erfolgreich abzuwenden.

    Das klärt die aktuelle Entscheidung, deren Grundsätze der BGH am 13.10.2020 (II ZR 133/19) in einem weiteren Urteil, ebenfalls zu einem Schifffonds, bestätigt hat. Nach der (nun erledigten) Auffassung des Berufungsgerichts OLG München genügte zur Verurteilung der Kommanditistin die bloße Feststellung, dass die Insolvenzforderungen die Insolvenzmasse übersteigen. Da das unstreitig war, hatte das Oberlandesgericht den Einwand der beklagten Kommanditistin zurückgewiesen und sie antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Demgegenüber verlangt der BGH nun, dass noch weitere Umstände berücksichtigt werden müssen – insbesondere etwaige Rückzahlungen, die die Gesellschaft zur Begleichung der Gläubigerforderungen von anderen Gesellschaftern erhalten hat. Derartige Zahlungen erfüllen nämlich ähnlich wie bei einer Gesamtschuld die Forderung des Insolvenzverwalters zugunsten des von ihm in Anspruch genommenen Kommanditisten; daher kann der in Anspruch genommene Kommanditist gegen die Forderung des Insolvenzverwalters einwenden, dass Zahlungen anderer Kommanditisten den Betrag bereits aufgebracht haben, der zur Deckung der von der Haftung der Kommanditisten erfassten Gesellschaftsschulden nötig ist. Kommanditisten haften nämlich für Gläubigerforderungen beschränkt auf die (wiederaufgelebte) Haftsumme wie Gesamtschuldner. Mit anderen Worten, die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Kommanditisten hängt einerseits davon ab, in welchem Umfang die von seiner Außenhaftung erfassten Forderungen bereits durch Zahlungen anderer Gesellschafter auf ihre Haftungsschuld gedeckt sind, und andererseits, ob die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse voraussichtlich genügen wird, den danach verbleibenden Restbetrag zu decken.

    Da derartige Rückzahlungen anderer Kommanditisten also erheblich sind für die Frage, ob ein in Anspruch genommener Kommanditist tatsächlich haftet, bleibt die im Zivilprozess immer wichtige, oft entscheidende Frage, was und wie der verklagte Kommanditist zu solchen Zahlungen anderer Gesellschafter vortragen muss. Grundsätzlich trägt er die sogenannte Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vom Insolvenzverwalter aufgemachte Forderung, für die er einstehen soll, bereits erloschen ist – ggf. durch Leistungen anderer Kommanditisten. Dazu kann der in Anspruch Genommene typischerweise nichts vortragen. U.E. genügt dieser daher regelmäßig seiner Darlegungslast, wenn er das Erfordernis seiner Inanspruchnahme bestreitet. Da typischerweise nur der Insolvenzverwalter imstande ist, für die Gläubigerbefriedigung bedeutsame Umstände darzulegen, trifft ihn nach dem BGH die sogenannte sekundäre Darlegungslast, im Einzelnen vorzutragen, in welchem Umfang Rückzahlungen von anderen Kommanditisten eingegangen sind und wie er sie verwendet hat. Interessant sind in diesem Zusammenhang insbesondere die sogenannten Masseverbindlichkeiten; für die haften die Kommanditisten nicht; das sind solche Verbindlichkeiten, die bei einer Insolvenz vor anderen Verbindlichkeiten in voller Höhe aus der Vermögensmasse bedient werden; meist handelt es sich um Verbindlichkeiten, die nach Eintritt der Insolvenz entstanden sind, etwa durch Handlungen des Insolvenzverwalters, durch Verwaltung, Verwertung bzw. Verteilung der Masse oder aus Verträgen, deren Erfüllung der Verwalter zur Insolvenzmasse verlangt. Da im vom BGH entschiedenen Fall der Insolvenzverwalter nichts zu den Zahlungen dritter Gesellschafter vorgetragen hatte, verwies er die Sache zur weiteren Aufklärung zurück an das Berufungsgericht.

    In der Literatur ist kritisiert worden, das aktuelle Urteil verfehle das Ziel eines effektiven Gläubigerschutzes; denn es bedeutete, dass offene Forderungen gegen eine insolvente KG unter Umständen nicht voll befriedigt werden könnten, obwohl die Haftsummen der Kommanditisten noch gar nicht ausgeschöpft seien; das sei mit Sinn und Zweck der bis zur Höhe ihrer Einlage bestehenden Haftung von Kommanditisten gegenüber Gläubigern der Gesellschaft „kaum zu vereinbaren“ (so der Trierer Universitätsprofessor Hans-Friedrich Müller). Die Kritik berücksichtigt aber nicht hinreichend, dass der Insolvenzverwalter gegenüber den Kommanditisten nur die Rechte hat, die vor der Insolvenz Gesellschaftsgläubiger unmittelbar gegen die Kommanditisten hatten. Daher passt die Haftung für Masseverbindlichkeiten gerade nicht zum Konzept der Kommanditistenhaftung. Wir stimmen dem BGH daher zu. Er hat mit Recht die Haftung der Gesellschafter gegen überzogene Forderungen und eine zu weit gehende Rechtsprechung von Instanzgerichten zweckmäßig begrenzt.

    Dr. Thomas Heidel / Raimund Mallmann

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/21

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