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    Geschäftsführer zählt bei Massenentlassungen zu den Arbeitnehmern

    Der Europäische Gerichtshof hat im Rahmen eines Verfahrens auf der Grundlage des deutschen Rechts festgestellt, dass die Kündigung eines Mitarbeiters dann rechtswidrig ist, wenn der Arbeitgeber eine Massenentlassungsanzeige beim Arbeitsamt für nicht erforderlich hält, weil er u.a. den Geschäftsführer nicht mit zu den Arbeitnehmern gezählt hat.

    Der dem EuGH, Urteil vom 09.07.2015, Az.: C 229/14, zugrundeliegende Fall betraf einen Arbeitgeber, der ohne den Geschäftsführer und zwei weiteren Personen 18 Arbeitnehmer beschäftigte. Der Geschäftsführer wurde als Organmitglied nicht zu den Arbeitnehmern dazugezählt. Ebenso der Praktikant und ein Arbeitnehmer, der selbst gekündigt hatte. Deshalb war der Arbeitgeber der Ansicht, dass der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht erreicht wurde und damit eine Massenentlassungsanzeige nicht erforderlich war.

    Unter Zugrundelegung der bereits im Jahr 2010 ergangenen Danosa-Entscheidung (C-232/09) hat der EuGH erneut den „unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff“ zugrunde gelegt und kam zum Ergebnis, dass der Begriff des Arbeitnehmers im Artikel 1 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 98/59 nicht durch Verweisung auf die Rechtvorschriften der Mitgliedsstaaten definiert werden dürfe, sondern innerhalb der Unionsrechtsordnung autonom und einheitlich ausgelegt werden muss. Anderenfalls stünden die Berechnungsmodalitäten für diese Schwellenwerte und damit auch die Schwellenwerte selbst zur Disposition der Mitgliedsstaaten, womit diesen erlaubt wäre, den Anwendungsbereich der Richtlinien zu verändern und somit ihre volle Wirksamkeit zu mindern. Soweit das vorliegende Gericht hervorhebe, dass das Beschäftigungsverhältnis eines Geschäftsführers nach der deutschen Rechtsprechung kein Arbeitsverhältnis sei, sei festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Natur des Beschäftigungsverhältnisses nach nationalem Recht für die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts ohne Bedeutung sei. Das Unterordnungsverhältnis müsse anhand der Gesichtspunkte und aller Umstände, die die Beziehungen zwischen den Beteiligten kennzeichnen, geprüft werden. Hier habe der EuGH in der Danosa-Entscheidung klar festgestellt, dass ein Mitglied der Geschäftsleitung, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, eingegliedert sei und seine Tätigkeit nach Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft ausübe und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abgerufen werden könne, als Arbeitnehmer zu sehen sei.

    Interessanterweise ist noch darauf hinzuweisen, dass der EuGH in der Entscheidung genauso für einen Praktikanten entschieden hat, der unentgeltlich ein Praktikum absolviert hat. Auch hier ist das Gericht davon ausgegangen, dass allein die Vergütung nicht ausreichend sei, um die Arbeitnehmereigenschaft festzustellen. Es reiche aus, dass der Praktikant mitarbeite, um Kenntnisse zu erwerben oder zu vertiefen.

    Damit muss der deutsche Arbeitgeber bei der Prüfung der Frage, ob vom deutschen Gesetz vorgegebene Schwellenwerte überschritten sind, überprüfen, ob die Regelung, die den Schwellenwert zugrundelegt, einen unionsrechtliche Ursprung hat. Denn in solchen Fällen ist nicht der deutsche Arbeitnehmerbegriff, sondern der weitere unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde zu legen, so dass viel mehr Beschäftigte als Arbeitnehmer zu sehen sind.

    Ähnlich verhält es sich auch bei der Mutterschutzrichtlinie. Ob die gleichen Grundsätze auch für das Teilzeit- und Befristungsgesetz beispielsweise oder das Arbeitszeitgesetz in Konsequenz gelten sollten, bleibt abzuwarten.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/16

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