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    Golfclub Schloss Igling - Ende der Umsatzsteuerfreiheit im Sport

    Sportliche Betätigung steigert nicht nur die individuelle Gesundheit und Lebenserwartung der Ausübenden, sondern stärkt zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Miteinander in der Gesellschaft. Aus allen diesen Gründen stellt die Förderung des Sports einen gemeinnützigen Belang dar, § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 Abgabenordnung (AO), der unter Einhaltung weiterer formeller Anforderungen, weitgehende Begünstigungen nicht nur bei der Körperschaftssteuer für Vereine sondern auch bei der Umsatzsteuer zur Folge hat, § 4 Nr. 22 lit. b UStG. Das gilt aber nicht unbegrenzt.

    Mit der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 22 lit. b UStG wurde Art. 132 Abs. 1 lit. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates v. 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSysRL) in deutsches Recht umgesetzt. Da nach Meinung Vieler die deutsche Regelung zum Teil hinter der Richtlinie zurückbleibt, wurde in der Praxis lange zusätzlich Art. 132 Abs. 1 lit. m MwStSysRl unmittelbar angewendet. Dies war durch eine ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) gedeckt. In einem aktuellen Urteil (BFH, Urteil vom 21.4.2022, V R 48/20), dem ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH vorausging (BFH, Beschluss vom 21.6.2018, V R 20/17), hat sich der BFH erneut mit der unmittelbaren Anwendbarkeit beschäftigt.

    In dem Fall, den der BFH zu beurteilen hatte, hatte ein Golfverein seinen Mitgliedern zusätzlich zur Bereitstellung des Golfplatzes weitere Dienstleistungen gegen ein zusätzliches Entgelt wie die Vermietung von Golfbällen, die Bereitstellung von Caddies oder den Verkauf eines Golfschlägers angeboten. Das zuständige Finanzamt sah zwar nicht die Überlassung des Golfplatzes (ein Aspekt, auf den aber noch zurückzukommen sein wird), aber die genannten zusätzlichen Dienstleistungen, die gegen Zahlung eines gesonderten Entgeltes erbracht wurden, als umsatzsteuerpflichtig an. Einer Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid gab das Finanzgericht München zunächst statt, weil sich der Verein unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. m MwStSysRL berufen könne. Hiergegen legte das Finanzamt Revision ein.

    Im Revisionsverfahren bat der BFH den EuGH zunächst im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens um die Beantwortung mehrerer Fragen zu Art. 132 Abs. 1 lit. m MwStSysRL. Im Vordergrund stand dabei die Möglichkeiteiner unmittelbaren Anwendung des Art. 132 Abs. 1 lit. m MwStSysRL. Dem BFH waren durch ein anderes Vorabentscheidungsersuchen, das eine wortlautidentische Vorschrift im Kulturbereich betraf, Bedenken gegen seine ständige Rechtsprechung gekommen. Nach dem Urteil des EuGH (EuGH, Urteil v. 10.12.2020C-488/18, Golfclub Schloss Igling) im vergangenen Jahr konnte der BFH die Sache nun entscheiden.

    Der BFH hat das Urteil des FG München aufgehoben und die Klage des Vereins abgewiesen. Der BFH folgte dem EuGH darin, dass sich der Verein nicht unmittelbar auf die MwStSysRL berufen kann und gab insoweit seine anderslautende ständige Rechtsprechung ausdrücklich auf. Richtlinien richteten sich nach Art. 288 Abs. 3 AEUV in erster Linie an die Mitgliedsstaaten. Ausnahmsweise komme aber eine unmittelbare Geltung in Betracht, wenn der Mitgliedsstaatseiner Umsetzungspflicht nicht nachgekommen und die Richtlinienbestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt sei. Diese Voraussetzungen lägen in Bezug auf Art. 132 Abs. 1 lit. m MwStSysRL jedoch nicht vor. Die Mitgliedsstatten sollen danach bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und körperlicher Ertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben, von der Steuer befreien. Aus dem Umstand, dass nicht alle, sondern lediglich bestimmte Dienstleistungen angesprochen werden, schloss der EuGH (dessen Begründung der BFH übernommen hat), dass den Mitgliedsstaaten ein Ermessen eingeräumt sei. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern aus der Systematik des Art. 132 Abs. 1, da bei den anderen genannten Befreiungen, mit Ausnahme von lit. n, keine solche Einschränkung enthalten ist. Angesichts dieses Ermessens fehle es an einer inhaltlichen Unbedingtheit.

    Auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr.22 lit. b UStG kam für den BFH nicht in Betracht, da diese (jedenfalls) nur Vereine erfasse, deren Satzung nicht nur eine laufende Gewinnausschüttung an Mitglieder, sondern auch für den Fall der Auflösung eine Ausschüttung des Vereinsvermögens an die Mitglieder über die eingezahlten Kapitalanteile oder den gemeinen Wert von Sacheinlagen hinaus ausschlösse. An einer solchen Satzungsbestimmung fehlte es dem Verein im Streitjahr. Hierfür zieht der BFH dogmatisch nicht das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht der §§ 51 ff. AO heran, sondern bringt im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung die Kriterien, die der EuGH an den unionsrechtsautonomen Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben in Art. 132 Abs. 1 MwStSysRL stellt, zur Anwendung. Sachliche Unterschiede ergeben sich hieraus aber nicht.

    Auf den ersten Blick mag das Urteil in seiner Tragweite begrenzt erscheinen, da der klagende Verein im Streitjahr nicht nur die Anforderungen des dt. Steuerrechts an die Gemeinnützigkeit in §§ 51 ff. AO nicht erfüllte, sondern auch keine Einrichtung ohne Gewinnstreben darstellte. Ihm wäre selbst bei einer unmittelbaren Anwendbarkeit die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 MwStSysRL nicht zugutegekommen.

    Tatsächlich handelt es sich aber um einen Paukenschlag, da das Urteil gerade auch für gemeinnützige Vereine, besonders im Individualsport, erhebliche Auswirkungen zeitigen kann. Denn nach dem Ende der unmittelbaren Anwendung von Art. 132 Abs. 1 lit. m MwStSysRL sind alle Vereine für Steuerfreiheit allein auf § 4 Nr. 22 lit. b UStG angewiesen. Dieser ist deutlich enger als Art. 132 Abs. 1 lit. m MwStSysRL, was sich daran zeigt, dass tatbestandlich eine sportliche Veranstaltung vorausgesetzt wird. An einer sportlichen Veranstaltung fehlt es insbesondere bei der reinen Nutzungsüberlassung von Sportanlagen wie sie für viele Individualsportvereine typisch ist. Verschärft wird die Problematik dadurch, dass in der Rechtsprechung (sowohl von BFH wie EuGH) die Zahlung des Mitgliedsbeitrages als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung der Sportanlagen des Vereins gesehen wird, also ein steuerbarer Umsatz vorliegen soll. Konsequenterweise hat daher der BFH in einem obiter dictum auch die Steuerpflicht der Mitgliedsbeiträge bejaht, vor der einzig das Verböserungsverbot im finanzgerichtlichen Verfahren den Verein geschützt hat. Denn die Finanzverwaltung behandelt(e) die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen bisher als nicht steuerbare Leistung, zumindest sofern die Vereinsleistungen nicht nur einem Mitglied allein zugutekamen.

    Das Urteil des BFH war nach der eindeutigen Entscheidung des EuGH im vergangenen Jahr nicht mehr wirklich überraschend. Als unmittelbare Auswirkung des Urteils kommen auf alle Vereine finanzielle Mehrbelastungen bei Zusatzangeboten zu, die nicht als sportlich Veranstaltung qualifiziert werden können. Inwieweit auch die Mitgliedsbeiträge von (Individual-)Sportvereinen (z.B. im Bereich des Tennis oder Golf) zukünftig der UStG unterworfen werden, hängt vom Verhalten der Finanzverwaltung ab. Es steht nicht zu erwarten, dass diese ihre langjährige Rechtauffassung in absehbarer Zeit ändern wird. Durch die bekannte abweichende Ansicht der Gerichte ist den betroffenen Vereinen der Rechtsweg aber weitgehend verschlossen.

    Insofern ist jetzt der Gesetzgeber gefragt, eine nationale Reglung zu schaffen, mit der die Regelung des Art. 132 Abs. 1 lit. m MwStSysRL vollumfänglich umgesetzt wird, um wieder Rechtssicherheit für alle gemeinnützigen Sportvereine zu schaffen!

    Dr. Uwe Scholz / wissMit. Faris Schäfer

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/22

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