Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    Haftung von Banken für SWAP-Geschäfte: Wer schweigen darf, darf noch lange nicht lügen!

    Seit Beginn der 1980er Jahre hat die Finanzwirtschaft (zuerst in den USA) verschiedene Tauschgeschäfte (Swaps) entwickelt, mit denen zwischen den Vertragspartnern beliebige Zahlungsverpflichtungen, etwa in Bezug auf Darlehen, Devisen- oder Warengeschäfte getauscht werden können. Weil die Swaps als eigenständige Geschäfte auf (tatsächliche oder fiktive) Grundgeschäfte bezogen sind, spricht man auch von Derivaten. Der häufigste Anwendungsfall ist der Tausch von variablen Zinszahlungspflichten für ein Darlehen in einen Festzinssatz oder umgekehrt (Zinssatz-Swap). Auf diese Art und Weise kann z.B. ohne Abschluss eines neuen Darlehens aus einem variabel verzinsten Darlehen ein Festzinsdarlehen gemacht werden (es entsteht ein sog. „synthetisches“ Festzinsdarlehen). Daran kann ein Kreditnehmer Interesse haben, wenn ihm die weitere Zinsentwicklung zu unsicher erscheint und er deshalb die Risiken eines bestehenden variablen Darlehens beseitigen und künftig einen festen Zinssatz zahlen will. Ein solches Swap-Geschäft kann mit demselben Vertragspartner wie der Ausgangsvertrag geschlossen werden, aber auch mit einem anderen Vertragspartner, der nur die (variablen) Zinszahlungspflichten auf den bestehenden Darlehensvertrag übernimmt und sich im Gegenzug einen festen Zinssatz auf die Darlehenssumme versprechen lässt. Ein solches Geschäft dient also der Risikobegrenzung für den Kunden. Ähnliches kann bspw. zur Absicherung von Währungsrisiken gemacht werden (Devisen- oder Währungs-Swap). Unabhängig von existierenden Grundgeschäften (Darlehen, Devisengeschäft etc.) können derartige Swapgeschäfte aber auch auf rein fiktive Positionen bezogen werden. Dann handelt es sich um bloße Zinswetten (oder Währungswetten etc.), also reine Spekulationsgeschäfte.

    Etwa seit Mitte der 2000er Jahre haben zunehmend auch deutsche Banken solche derivativen Finanzgeschäfte angeboten, sowohl zu Absicherungszwecken wie auch für spekulative Zwecke. Außer Unternehmen wurden solche Geschäfte vermehrt auch vermögenden Privatpersonen angeboten. Für die Kunden sind damit häufig außerordentlich hohe Risiken verbunden, die für finanzmathematisch nicht geschulte Vertragspartner kaum zu erkennen sind. Seit einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2011, mit dem der Bundesgerichtshof die Deutsche Bank wegen eines Swaps zu einer hohen Schadensersatzzahlung an ein mittelständisches Unternehmen verurteilt hat, werden zahlreiche Prozesse wegen derartiger Geschäfte geführt. Zur Verurteilung von Banken und Sparkassen kam es dabei zum Teil wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken der Swaps. In vielen Fällen wurden Banken aber auch verurteilt, weil sie nicht über die regelmäßig in die Verträge versteckt eingerechneten Kosten informiert haben. Durch derartige „anfängliche negative Marktwerte“ (oder „Barwerte“) entstehen für die Kunden unmittelbar mit Vertragsabschluss hohe Kosten, die auch bestehen bleiben, wenn ein Vertrag kurz nach Vertragsabschluss wieder aufgelöst wird.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss über solche anfänglichen negativen Marktwerte von Swaps bei spekulativen Geschäften immer aufgeklärt werden, bei Swaps, die ausschließlich (!) zur Absicherung von Grundgeschäften dienen, aber grundsätzlich nicht. Dies hat dazu geführt, dass viele Kunden ihre Prozesse gegen Banken und Sparkassen bei derartigen Absicherungs-Swaps verloren haben. Ein weiteres Prozessrisiko besteht daran, dass bei nicht nachgewiesenem vorsätzlichem Handeln der Bank eigentlich vorhandene Schadensersatzansprüche bereits drei Jahre nach Vertragsabschluss verjährt sein können.

    Diese Problematik wurde in einem von uns betreuten Schadensersatzprozess einer Grundstücksgesellschaft gegen die finanzierende Sparkasse dadurch gelöst, dass wir die aus einem verwandten Rechtsgebiet (Haftung für fehlerhafte Anlageberatung) bekannte Prospekthaftung auf die Swap-Fälle übertragen haben: Wegen der Komplexität der Swaps verwenden Banken und Sparkassen zur Darstellung der Produkte regelmäßig Powerpoint-Präsentationen, die den Kunden in gedruckter Form als Faltblätter oder Broschüren ausgehändigt werden. Eine Analyse dieser Produktinformationen zeigt häufig fehlerhafte Informationen, sowohl hinsichtlich der Risikodarstellung (verharmlosend) als auch hinsichtlich des Verschweigens der versteckt in die Verträge einkonstruierten anfänglichen Kosten.

    Das Landgericht Köln hat deshalb mit Urteil vom 08.06.2017 (Az. 15 O 518/15) die Sparkasse zur Leistung von Schadensersatz an unsere Mandanten wegen eines Swaps verurteilt, weil sie in der schriftlichen Präsentation des Vertrags den falschen Eindruck erweckt hatte, das Geschäft koste den Kunden anfänglich nichts. Obwohl es sich um einen ausschließlich der Zinsabsicherung dienenden Swap handelte und der Geschäftsabschluss weit mehr als drei Jahre zurück lag, hat das Gericht wegen dieser Täuschung die Haftung der Sparkasse bejaht. Die Begründung geht dahin, dass die Sparkasse wegen des Absicherungscharakters des Geschäfts zwar nicht von sich aus auf die eingepreisten anfänglichen Kosten hätte hinweisen müssen, tatsächlich gemachte Angaben aber gleichwohl richtig sein müssten: Auch wer schweigen darf, darf noch lange nicht die Unwahrheit sagen. Da die Sparkasse zu den Kosten nicht geschwiegen, sondern in ihrer schriftlichen Präsentation des Vertrags Aussagen dazu getroffen hatte (für den Kunden angeblich „kostenneutral“), diese aber falsch waren, müsse die Sparkasse für die aus dem Geschäft resultierenden Schäden einstehen.

    Hierbei hat das Landgericht Köln sogar eine vorsätzliche Pflichtverletzung der Sparkasse bejaht, weil diese selbst genau gewusst habe, dass in den Vertrag anfängliche Kosten eingepreist waren, dies aber in ihrer Präsentation aktiv falsch dargestellt hatte. Die Sparkasse hatte zunächst gegen das Urteil Berufung zum Oberlandesgericht Köln eingelegt, diese dann im Jahr 2018 nach Durchführung der mündlichen Verhandlung aber zurück genommen, weil das OLG keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass es ebenfalls von einer vorsätzlichen Pflichtverletzung der Sparkasse ausgehe (OLG Köln, Az.: 24 U 102/17).

    Da bei Vorliegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen nicht die kurze kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von drei Jahren gilt, können demnach auch wegen länger zurückliegender Swap-Geschäfte noch Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Trotzdem sollte man damit nicht zu lange warten, weil es eine absolute 10jährige Verjährungsfrist gibt. Wird diese Frist eingehalten, kann eine Überprüfung der Verträge sehr lohnend sein.

    Dr. Gerd Krämer

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/18

    Drucken | Teilen