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    Haftungsrisiken des Geschäftsführers bei Insolvenzantragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit

    Der Insolvenzgrund der "drohenden Zahlungsunfähigkeit" (§ 18 InsO) eröffnet dem Schuldner die Möglichkeit, schon vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Bei der Entscheidung über die Antragstellung sollten die Geschäftsführer einer GmbH oder GmbH & Co. KG aber tunlichst die Gesellschafter mit ins Boot nehmen, weil ihnen andernfalls erhebliche Haftungsrisiken drohen, wie eine aktuelle Entscheidung des OLG München zeigt.



    Ist eine GmbH oder eine GmbH & Co. KG zahlungsunfähig oder überschuldet, trifft den Geschäftsführer nach § 15a InsO die zwingende gesetzliche Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern einen Insolvenzantrag zu stellen. Bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt dem Geschäftsführer auch kein geschützter Ermessensspielraum zu, wie er für seine unternehmerischen Entscheidungen gilt (§ 93 Abs.1 AktG analog, "Business Judgement Rule").



    In der Entscheidung des OLG München vom 21.03.2013, Az.: 23 U 3344/12, ging es demgegenüber um die Insolvenzantragstellung bei drohender Zahlungsunfähigkeit. Die drohende Zahlungsunfähigkeit begründet keine Pflicht zur Antragstellung und dementsprechend auch keine Haftungsrisiken wegen Insolvenzverschleppung, sondern lediglich ein Recht des Schuldners (und nur des Schuldners), ein Insolvenzverfahren einzuleiten (§§ 18 InsO). Von diesem Recht hatte im Fall des OLG München der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co KG Gebrauch gemacht, indem er für diese einen auf die - angeblich - drohende Zahlungsunfähigkeit gestützten Insolvenzantrag stellte.



    Das OLG sah darin gleich eine doppelte Verletzung der dem Geschäftsführer obliegenden Pflichten. Denn erstens habe dieser nicht darlegen können, dass tatsächlich eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe. Dies gelte selbst dann, wenn man dem Geschäftsführer für die Beurteilung dieser Frage einen Ermessensspielraum nach dem Vorbild der Business Judgement Rule einräume. Denn auch deren Voraussetzungen, insbesondere das Handeln auf Basis einer hinreichenden Informationsgrundlage, habe der Geschäftsführer nicht hinreichend substantiiert dargelegt.



    Zweitens wäre die Antragstellung selbst bei tatsächlich drohender Zahlungsunfähigkeit pflichtwidrig gewesen, weil die Entscheidung darüber im Innenverhältnis der Zustimmung der KG-Gesellschafter bedurft hätte. Besteht keine Pflicht zur Antragstellung, sei die Verfahrenseröffnung aus Sicht der Gesellschafter als den "wirtschaftlichen Eigentümern" des Unternehmens letztlich eine Auflösung der Gesellschaft, über die nach der gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsordnung bei der GmbH & Co. KG die Gesellschafter durch Beschluss entscheiden (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Für die GmbH gilt nichts anderes (s. dazu Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, Rn. 29).



    Die bei der pflichtwidrigen Stellung eines Insolvenzantrages zu ersetzenden Schadenspositionen sind vielfältig und können im Ergebnis zu hohen Schadensersatzforderungen führen, wie die Entscheidung des OLG München verdeutlicht. Hier musste der in Anspruch genommene Geschäftsführer nicht nur Ersatz für die durch die Antragstellung ausgelösten Verfahrenskosten und den Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters leisten, sondern auch für die Vorfälligkeitsentschädigung einer Bank, die aufgrund der Insolvenzantragstellung nach ihren AGB zur Kündigung der Kredite berechtigt war, die sie der Gesellschaft gewährt hatte. Letzteres zeigt zugleich, dass die Schadensersatzforderung noch erheblich höher hätte ausfallen können, wenn die Gesellschaft wegen der unberechtigten Antragstellung tatsächlich in die Insolvenz geraten wäre.



    Die Entscheidung des OLG München zeigt, dass dem Geschäftsführer nicht nur bei einer verspäteten, sondern auch bei einer verfrühten Insolvenzantragstellung erhebliche Haftungsrisiken drohen. Soll die Antragstellung (auch) auf den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit gestützt werden, darf dies keinesfalls ohne die Mitwirkung der Gesellschafter geschehen.



    Sebastian Schödel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/13

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