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    Hauptversammlung im Ausland? BGH: Ja, aber...

    Ob die Satzung einer Aktiengesellschaft einen Hauptversammlungsort im Ausland bestimmen kann ist seit langem streitig. Der BGH erklärt dies nun für zulässig, stellt aber zugleich klar, dass die betreffende Satzungsbestimmung eine sachgerechte, am Teilnahmeinteresse der Aktionäre ausgerichtete Vorgabe enthalten muss, die das Ermessen des Einberufungsberechtigten bindet.



    § 121 Abs. 5 AktG lässt zu, dass die Satzung einen von dem Sitz der Gesellschaft abweichenden Ort der Hauptversammlung bestimmen kann. Nicht ausdrücklich angesprochen ist, ob sich dieser Ort auch im Ausland befinden darf. Dementsprechend war diese Frage seit langem umstritten. Ein für die Praxis verlässlicher Meinungsstand hatte sich dabei noch nicht herausgebildet. Deswegen ist die Entscheidung des BGH von großer praktischer Bedeutung. Zwar ist sie nicht unmittelbar zur Aktiengesellschaft, sondern zu einer Gesellschaft in der Rechtsform der europäischen Gesellschaft (Societas Europaea, SE) mit Sitz in Deutschland ergangen. Für die SE mit Sitz in Deutschland gelten hinsichtlich des Ortes der Hauptversammlung aber keine besonderen europarechtlichen Vorschriften. Vielmehr richtet sich auch hier die Zulässigkeit eines ausländischen Hauptversammlungsortes nach dem deutschen Aktienrecht, weil die SE-Verordnung insoweit auf das Recht des Sitzstaates verweist. Die Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 21. 10. 2014, Az.: II ZR 330/13, sind daher uneingeschränkt auf die Aktiengesellschaft zu übertragen.



    Der BGH führt aus, dass § 121 Abs. 5 AktG grundsätzlich auch die Bestimmung eines Hauptversammlungsortes im Ausland zulässt. Weder Wortlaut noch Zweck der Regelung rechtfertigten eine Begrenzung auf inländische Versammlungsorte. Dem stehe auch das Beurkundungserfordernis nach § 130 Abs. 1 S. 1 AktG nicht entgegen. Insoweit weist der BGH zunächst daraufhin, dass nicht bei jeder Hauptversammlung überhaupt eine notarielle Beurkundung erforderlich sei (§ 130 Abs. 1 S. 3 AktG); in den verbleibenden Fällen könne, wenn kein Konsularbeamter zur Beurkundung bereit sei, die Beurkundung auch durch einen ausländischen Notar stattfinden, wenn sie der Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig sei. Der BGH stellt aber weiter klar, dass nicht jede beliebige Regelung über einen ausländischen Hauptversammlungsort mit § 121 Abs. 5 AktG vereinbar ist. So sah die streitgegenständliche Klausel im entschiedenen Fall vor, dass die Hauptversammlung entweder am Sitz der Gesellschaft, dem Sitz einer Wertpapierbörse in der europäischen Union oder einer Großstadt in der europäischen Union mit mehr als 500.000 Einwohnern stattfinden könne. Diese Regelung hielt der BGH für unzulässig. Eine etwaige Satzungsregelung müsse eine sachgerechte, am Teilnahmeinteresse der Aktionäre ausgerichtete Vorgabe enthalten, die das Ermessen des Einberufungsberechtigten binde. Zwar könnte in der Satzung durchaus mehrere Orte aufgeführt sein, unter denen das Einberufungsorgan wählen könne, bzw. eine lediglich regional begrenzte geographische Vorgabe gemacht werden. Die Satzung dürfte dem Einberufungsberechtigten aber nicht die Auswahl unter einer großen Zahl geographisch weit auseinanderliegender Orte überlassen, weil eine derartige Regelung einem freien Auswahl Ermessen des Einberufenden nahe komme. Bei einer Aktiengesellschaft mit größerem Aktionärskreis diene eine solche Regelung nicht mehr dem Teilnahmeinteresse aller Aktionäre, weil diese sich nicht vorab auf die möglichen Versammlungsorte einstellen könnten.



    Praxishinweis: Da der BGH mit recht abstrakt formuliert, welchen Anforderungen eine Satzungsregelung gerecht werden muss, die im Ausland liegende Hauptversammlungsorte für zulässig erklärt, sollte bei der Aufnahme einer entsprechenden Regelung in die Satzung mit Zurückhaltung vorgegangen werden. Allgemein gehaltene Formulierungen, die zur Zulässigkeit einer großen Vielzahl von über das Gebiet der Europäischen Union verstreuten Hauptversammlungsorten auch an den Rändern des Unionsgebiets führen, sind zu vermeiden. Vielmehr empfiehlt es sich, ausländische Hauptversammlungsorte zunächst auf verkehrsmäßig gut angebundene Orte im benachbarten Ausland zu beschränken. Auch sollte die Regelung die Flexibilität der Gesellschaft wahren. Nicht empfehlenswert ist insbesondere die ausschließliche Festlegung eines ausländischen Hauptversammlungsortes. Dies könnte vor allem dann problematisch werden, wenn beurkundungsbedürftige Beschlüsse anstehen (insbesondere wichtige Strukturmaßnahmen). Dies gilt jedenfalls solange, wie noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, dass die Beurkundung durch einen Notar des betreffenden Landes der Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig ist.



    Sebastian Schödel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/15

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