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    Internationale Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte bei ausländischer Konzernobergesellschaft

    Das BAG hat in seinem Urteil vom 25.06.2013, Az.: 3 AZR 138/11, Stellung zur Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte genommen, wenn die ausländische Konzernobergesellschaft dem Arbeitnehmer einer Tochtergesellschaft auf der Grundlage eines Pensionsplans eine Pensionszusage macht.



    Der streitgegenständliche Sachverhalt ist keine Seltenheit bei international tätigen Konzernen: Der deutsche Arbeitnehmer ist bei der deutschen Tochtergesellschaft beschäftigt. Die im Ausland sitzende Obergesellschaft unterhält einen Pensionsplan, der auch für leitende Angestellte in Deutschland gilt. Wenn der leitende Angestellte nunmehr Ansprüche hieraus gerichtlich geltend machen will, stellt sich die Frage nach der internationalen Zuständigkeit.



    Das Hessische Landesarbeitsgericht, Az.: 8 Sa 336/10, hatte in der Vorinstanz die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht, nachdem es ein Arbeitsverhältnis des deutschen Arbeitnehmers mit der amerikanischen Obergesellschaft angenommen hat, die eine Niederlassung in Deutschland bei der Tochtergesellschaft hatte. Für die Annahme einer Niederlassung genüge, so das LAG, wenn ein "Stammhaus" zurechenbar den Rechtsschein erwecke, eine Geschäftseinrichtung werde von der Obergesellschaft und in ihrem Namen und auf ihre Rechnung betrieben.



    Das BAG hat den Rechtstreit zur Neuverhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen, da der Sachverhalt noch nicht geklärt sei. Dabei stellte das BAG fest, dass sich die internationale Zuständigkeit nach §§ 12 ff ZPO richtet. Bei der Beurteilung dieser Frage sind vor allem die Vorschriften der EuGVVO zu berücksichtigen. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte könne sich nur aus Art 19 Nr. 1 in Verbindung mit 18 Abs. 2 EuGVVO ergeben. Nach Art 19 Nr. 1 EuGVVO kann ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer vor den Gerichten des Mitgliedsstaates verklagt werden, bei denen der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung setze voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag seien. Nach Art 18 Abs. 2 EuGVVO könne der nicht in einem Mitgliedstaat ansässige Arbeitgeber in einem Mitgliedstaat verklagt werden, in dem er seine Niederlassung habe, sofern Streitigkeit aus seinem Betrieb vorlägen.



    Voraussetzung für einen individuellen Arbeitsvertrag nach Art 18 Abs. 2 EuGVVO sei, eine Vereinbarung, die eine abhängig weisungsgebundene Tätigkeit für eine bestimmte Dauer zum Inhalt habe, bei der der Arbeitnehmer regelmäßig in einer bestimmten Weise in den Betrieb des Arbeitgebers eingebunden sei und für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhalte. Der Umstand, dass dem Kläger von der Beklagten Leistungen nach dem Pensionsplan versprochen wurden, lasse nicht den Schluss zu, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, solange im Pensionsplan ausdrücklich auch leitende Angestellte von Tochtergesellschaften der Beklagten aufgenommen wurden.



    Das BAG hat auf der Grundlage der Rechtsprechung der EuGH die Frage erörtert, ob das amerikanische Stammhaus als eine deutsche Niederlassung zu qualifizieren ist. Voraussetzung nach Art, 18 Abs. 2 EuGVVO sei, dass es einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeiten gebe, der auf Dauer als Außenstelle des "Stammhauses" hervortrete. Dieser Mittelpunkt müsse eine Geschäftsführung haben und sachlich so ausgestattet sein, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese sich nicht unmittelbar an das Stammhaus zu wenden brauche. Diese Einheit werde dadurch charakterisiert, dass sie der Aufsicht und Leitung des Stammhauses unterliegen. Auch ein von einem "Stammhaus" gesellschaftsrechtlich unabhängiges Unternehmen kann eine Niederlassung darstellen, wenn das Stammhausunternehmen seine Tätigkeit mit Hilfe dieser Gesellschaft in dem Mitgliedstaat entfalte, beide den gleichen Namen führen, das Unternehmen im Namen des "Stammhauses" verhandele und Geschäfte abschließe.



    Das BAG hat zahlreiche Sachverhaltsfragen für das LAG formuliert. Obschon die Entscheidung überwiegend auf der bekannten Rechtsprechung des EuGH basiert, ist sie trotzdem eine Neuheit im arbeitsrechtlichen Bereich. Solche Fragen wurden selten in dieser Tiefe vor den Arbeitsgerichten verhandelt. Die Praxis internationaler Konzerne sollte für jeden Einzelfall genau überdacht werden, wenn es die Obergesellschaften vermeiden wollen, in Deutschland verklagt zu werden.



    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 11/13

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