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    Kapitalerhöhung: Trödeln kann teuer werden

    Wer sich bei einer Kapitalerhöhung zur Erbringung der vorgesehenen Einlageleistung verpflichtet, kann vom Übernahmevertrag zurücktreten, wenn die Kapitalerhöhung nicht innerhalb angemessener Zeit in das Handelsregister eingetragen wird oder sonst scheitert. Das gilt auch dann, wenn der Übernahmevertrag keine Bedingungen oder Befristungen vorsieht. Zudem trifft die Gesellschaft die schadensersatzbewehrte Pflicht, für eine zügige und ordnungsgemäße Durchführung der Kapitalerhöhung zu sorgen.

    Bislang war nicht abschließend geklärt, welche Rechtsbehelfe dem Inferenten zustehen, wenn eine Kapitalerhöhung nicht durchführt wird und die (konstitutive) Eintragung im Handelsregister unterbleibt. Eine Entscheidung des BGH vom 03.11.2015, Az.: II ZR 13/14 bringt für die Praxis wichtige Klarstellungen; das Urteil betrifft die GmbH, ist im Grundsatz aber auch auf Aktiengesellschaften anwendbar.

    Unterbleibt die Eintragung einer Kapitalerhöhung in das Handelsregister, gelangen die neuen Mitgliedschaftsrechte (GmbH-Geschäftsanteile; Aktien) nicht zur Entstehung. Obgleich es bei einer Kapitalerhöhung ähnlich wie z.B. bei einem Kaufvertrag wirtschaftlich (zumindest auch) um einen Güteraustausch geht (Einlage gegen Mitgliedschaftsrechte), kommen die für schuldrechtliche Austauschgeschäfte geltenden Regeln nicht bzw. nur sehr eingeschränkt zur Anwendung. Der BGH geht nämlich in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Übernahmevertrag in erster Linie den Übernehmer dazu verpflichtet, die vorgesehene Einlage zu erbringen, während ihm kein Erfüllungsanspruch gegen die Gesellschaft zusteht. Der Übernahmevertrag sei kein Austauschvertrag, sondern ein Vertrag mit „körperschaftlichem Charakter“, weil das vom Übernehmer erstrebte Mitgliedschaftsrecht nicht von der Gesellschaft „geliefert“ werde, sondern erst auf der Grundlage des (satzungsändernden) Kapitalerhöhungsbeschlusses und des Übernahmevertrages kraft Gesetztes mit der Eintragung im Handelsregister entstehe. Das Mitgliederorgan (Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung) bleibt daher auch nach Abschluss des Übernahmevertrages frei darin, einen bereits gefassten Kapitalerhöhungsbeschluss wieder aufzuheben.

    Auch wenn der Inferent danach grundsätzlich keine Möglichkeit hat, die Durchführung der Kapitalerhöhung zu erzwingen, stellt der BGH nun klar, dass ihm jedenfalls die Möglichkeit eröffnet ist, sich nach den schuldrechtlichen Grundsätzen über den „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) wieder vom Übernahmevertrag lösen, wenn die Kapitalerhöhung nicht innerhalb einer angemessenen Frist durchgeführt wird. Übt er das danach gegebene Rücktrittsmöglichkeit aus, kann er die von ihm ggfs. bereits erbrachte Einlage nach den Vorschriften des Rücktrittsfolgenrechts (§§ 346 ff. BGB) wieder zurückverlangen.

    Daneben kommt, wie der BGH betont, auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Betracht. Auch wenn der Inferent keinen Erfüllungsanspruch habe, so treffe die Gesellschaft doch die Pflicht, die Eintragung der Kapitalerhöhung zu fördern - jedenfalls solange die Gesellschafter einen bereits gefassten Kapitalerhöhungsbeschluss nicht wieder aufheben. Wenn die Gesellschaft diese Pflicht schuldhaft verletzt, kann der Inferent Schadensersatz verlangen - mangels Erfüllungsanspruchs jedoch nur das sogenannte „negative Interesse“. Danach kann er verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn er nicht auf die Gültigkeit des Vertrages zur Übernahme der Kapitalerhöhung vertraut und diesen nicht abgeschlossen hätte.

    Ungeachtet dieser Klarstellungen sind für die Praxis wichtige Fragen nach wie vor offen, so etwa die Frage, was denn als „angemessene Bindungsfrist“ für die Durchführung der Kapitalerhöhung anzusehen ist. Es erscheint daher ratsam, bereits im Übernahmevertrag eine Verfallsfrist vorzusehen, bis zu der die Kapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen sein muss (im Aktienrecht ist das ohnehin zwingend erforderlich, § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG). Daneben bietet es sich insbesondere bei Sachkapitalerhöhungen (anders als im Streitfall geschehen) an, in einen Einbringungsvertrag eine aufschiebende Bedingung aufzunehmen, die die Wirksamkeit des dinglichen Vollzugs der Einbringung an die Durchführung der Kapitalerhöhung und deren Eintragung in das Handelsregister knüpft.

    Dr. Sebastian Schödel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/16

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