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    Kein Anspruch der Bank auf Darlehens-Vorfälligkeitsentschädigung bei unzureichenden Angaben zu deren Berechnung

    Die vorzeitige Beendigung von Hausfinanzierungen kostet Bankkunden oft viel Geld. Die Kreditinstitute verlangen dafür abhängig von der Restlaufzeit des Darlehens eine sogenannte „Vorfälligkeitsentschädigung“, die in die Zehntausende gehen kann. Im vergangenen Jahr hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main der Commerzbank einen solchen Anspruch wegen unzureichender Angaben im Darlehensvertrag abgesprochen. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung im Juni 2021 bestätigt (Az. XI ZR 320/20).

    In dem konkreten Fall hatte ein Ehepaar im November 2016 über Kredite bei der Commerzbank einen Hauskauf finanziert. Sie schlossen dafür bei der Bank zwei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge über insgesamt rund 300.000 € ab. Zwei Jahre später wollten sie das Haus wegen geänderter Umstände (Arbeitsunfähigkeit und anstehende Trennung) wieder verkaufen und die Darlehen vorzeitig beenden. Die Commerzbank teilte ihnen dazu, dass in einem solchen Fall vertragsgemäß eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt werden müsse. Diese bezifferte die Bank auf insgesamt rund 21.000 €, die sie nach durchgeführtem Hausverkauf auch vereinnahmte. Die Kunden hatten dieser Zahlung unter Vorbehalt zugestimmt.

    Die anschließende Klage der Kunden auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung war vom Landgericht noch zurückgewiesen worden, das Oberlandesgericht gab ihr hingegen mit Urteil vom 01.07.2020 (Az.: 17 U 810/19) statt, weil die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung ohne Rechtsgrund erlangt habe (§ 812 BGB). Der Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung aus § 502 Abs. 1 S.1 BGB sei nach § 502 Abs. 2 Nr.2 BGB ausgeschlossen, da die Angaben im Darlehensvertrag im Hinblick auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend seien.

    Die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung seien insbesondere dann unzureichend, wenn sie gem. § 492 Abs.2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 2 EGB nicht klar und verständlich seien. In Ziff. 7 der allgemeinen Darlehensbedingungen der Bank heißt es zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unter anderem: „[…] Dabei differenziert die Bank wie folgt: Soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristen-kongruenten Laufzeiten vorhanden sind, legt die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde. Die Summe der so ermittelten Anlagebeiträge abzüglich des noch nicht zurückgezahlten Darlehensbetrages stellt die Ausgangssumme der Vorfälligkeitsentschädigung dar.“

    Aufgrund der gewählten Formulierung erwarte der durchschnittliche Verbraucher eine differenzierte Regelung, die jedoch gerade nicht folge. Wie sich die Vorfälligkeitsentschädigung berechne, wenn keine frist-kongruenten Pfandbriefe vorhanden sind, bleibe unklar. Dass der Bundesgerichtshof im November 2019 noch geurteilt habe, dass es für die Verständlichkeit und Transparenz der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ausreiche, wenn der Darlehensgeber die wesentlichen Parameter in groben Zügen nenne, stehe dieser Bewertung ebenfalls nicht entgegen. Das Oberlandesgericht führte aus, dass, wenn der Darlehensgeber über diese Mindestanforderung hinaus zusätzliche Angaben macht, auch diese sich an dem Gebot der Klarheit und Verständlichkeit messen lassen müssten.

    Da der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten abgewiesen hat, hatte er offenbar an der Begründung des Oberlandesgerichts Frankfurt nichts auszusetzen (die Begründung der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde der Commerzbank ist noch nicht veröffentlicht). Auch wenn in der Presse vielfach von einer Stärkung der Verbraucherrechte gesprochen wird, werden sich die Banken künftig auf die jetzt genauer definierten Anforderungen für Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung einstellen, sodass abzuwarten bleibt, welche Auswirkungen das Urteil auf die Gestaltung von Darlehensverträgen zeitigt.

    Bei der vorzeitigen Beendigung von älteren Darlehensverträgen können sich durch die Entscheidung jedoch in vielen Fällen Rückzahlungsansprüche für Kunden ergeben. Dies gilt für Immobiliardarlehen allerdings nur für seit dem 22.03.2016 abgeschlossene Verträge, weil § 502 BGB zuvor für den Immobiliarbereich nicht galt. Für andere Darlehensverträge, etwa zur Finanzierung von Fahrzeugen oder sonstiges, waren die Anforderungen zur Kundeninformation über die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen bereits dieselben, wie sie dem aktuellen Fall zugrunde lagen. Insoweit könnte auf die Banken daher eine Klagewelle zu kommen.

    Dr. Gerd Krämer / Faris Schäfer

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/21

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