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    Kündigung von Altersrenten

    Der Arbeitgeber kann nicht mit der Begründung kündigen, der Arbeitnehmer sei in Rente. Der Rentenbezug führt jedoch nicht zu einem erweiterten Kündigungsschutz, sondern kann bei regelaltersrentenberechtigter Arbeitnehmer (derzeit 65 +) dazu führen, dass sie deutlich weniger schutzbedürftig sind als andere Mitarbeiter.

    § 41 SBG VI heißt: „Der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters ist nicht als ein Grund anzusehen, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann“. Das Bundesarbeitsgericht hatte deshalb im Jahr 2015 entschieden, dass auch im Kleinbetrieb die Kündigung wegen Bezugs einer Altersrente altersdiskriminierend und damit unwirksam ist.

    Dennoch kann der Bezug von Altersrente bei betriebsbedingten Kündigungen eine entscheidende Rolle spielen. Das hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr entschieden (Urteil vom 27.04.2017, Az.: 2 AZR 67/16). Der Sachverhalt: Der klagende Arbeitnehmer war einer von fünf juristischen Mitarbeitern eines Arbeitgeberverbandes. Er bezog anders als die anderen vier Juristen Altersrente. Der Arbeitgeber küdigte betriebsbedingt. Im Prozess berief er sich bei der Frage der Sozialauswahl darauf, der Kläger sei durch den Bezug einer Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert und damit weniger schutzwürdig.

    Diese Sicht akzeptierte das Bundesarbeitsgericht. Nach § 1 Abs. 3 KSchG ist eine betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht ausreichend berücksichtigt hat. Im entschiedenen Fall ging es um das Kriterium „Lebensalter“. Das Bundesarbeitsgericht stellte dazu fest: Ein Rente beziehender Arbeitnehmer sei weniger schutzwürdig als andere Arbeitnehmer. Nach dem Zweck des Kündigungsschutzgesetzes soll der Arbeitnehmer gekündigt werden, der auf das Arbeitsverhältnis am wenigsten angewiesen ist. Das Lebensalter versteht der Gesetzgeber als abstrakten Maßstab für die Vermittlungschancen des Arbeitnehmers. Die Rechtstellung solcher Arbeitnehmer sollte gestärkt werden, deren Chancen aufgrund ihres Alters typischerweise schlechter sind, überhaupt oder zeitnah ein dauerhaftes Ersatzeinkommen zu erzielen. Arbeitnehmer, die eine Rente beanspruchen oder beziehen, haben dauerhaft ein Ersatzeinkommen für das durch die Kündigung entfallende Arbeitseinkommen.

    Die Berücksichtigung der Altersrente im Rahmen des Auswahlkriteriums „Lebensalter“ führt nach dem Bundesarbeitsgericht zu keiner Ungleichbehandlung wegen des Alters. Der Gesetzgeber verfolge mit diesem Auswahlkriterium ein rechtmäßiges Ziel der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit dem die wirtschaftliche Existenz von Arbeitnehmern durch den Verbleib in Beschäftigung über eine gerechte Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen gesichert werden solle. Die dafür gewählten Mittel hält das Gericht zur Erreichung dieses Ziels für angemessen und erforderlich. Es stellt darauf ab, dass durch die Kündigung die nicht-rentenberechtigten Arbeitnehmer ihre kündigungsschutzrechtliche Stellung verlören. Wenn sie im Anschluss an die Kündigung ein anderes Arbeitsverhältnis begründen, gehörten sie bei etwaigen künftigen Personalreduzierungen ihres neuen Arbeitgebers regelmäßig zu den Beschäftigten, denen wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig gekündigt werde. Es führe auch nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der regelaltersrentenberechtigten Arbeitnehmer. Es verblieben drei weitere Auswahlkriterien (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung), die den Ausschlag zu ihren Gunsten geben können.

    Der Anspruch auf Altersrente stellt nach wie vor keinen Kündigungsgrund dar. Der tatsächliche Bezug von Altersrente ist jedoch „zu Lasten“ des Rentners im Rahmen der Sozialauswahl zu berücksichtigen. Wird bei Erreichen der Regelaltersrente gekündigt, um einen vernünftigen Altersaufbau der Belegschaft zu erreichen, steht die Regelung im SBG VI nicht im Wege. Der Arbeitgeber muss allerdings nach wie vor eine Sozialauswahl durchführen und den Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG genügen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes stellt eine deutliche Erleichterung da, da die rentenberechtigten Arbeitnehmer naturgemäß das höhere Alter haben. Wenn dieses Kriterium nicht ins Gewicht fällt, haben jüngere Arbeitnehmer mit Unterhaltspflichten bessere Chancen, ihren Job zu behalten.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 9/17

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