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    Leiharbeit: Droht langsam das Aus?

    Leiharbeit sollte der Weg sein, um flexibel auf die Schwankungen beim Beschäftigungsbedarf reagieren zu können. Leider wurde sie in der Vergangenheit teilweise dazu missbraucht, um Betriebe möglichst "schlank" mit schlecht bezahlten Arbeitnehmern zu führen. Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb in den letzten Jahren seine bis dahin nahezu unangefochtene Ansicht geändert und Leiharbeit zunehmend unattraktiv gemacht.



    Durch Leiharbeit haben Arbeitgeber in der Vergangenheit versucht, tarifliche Mindestlöhne zu vermeiden. Dies sollte durch die Einführung des equal-pay / equal-treatment Gebots des § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG verhindert werden. Damit sollten die Leiharbeitnehmer mit der Stammbelegschaft möglichst gleichgestellt werden. Von diesem Gebot erlaubt S. 2 ein Abweichen nur durch Tarifvertrag. Obschon Sinn der Regelung die Gleichstellung war, gab es schnell Tarifverträge, die für Leiharbeitnehmer ein geringeres Arbeitsentgelt als für die Stammbelegschaft vorsahen, z. B. die geschlossenen Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) mit den Arbeitgeberverbänden der Leiharbeitsbranche. Das Bundesarbeitsgericht versagte Ende 2010, Az.: 1 ABR 19/10, der CGZP die Tariffähigkeit. Konsequent stellte das Bundesarbeitsgericht anschließend in den Entscheidungen vom 13.3.2013, Az.: 5 AZR 954/11, 5 AZR 146/12, 5 AZR 242/12, 5 AZR 294/12 sowie 5 AZR 424/12 fest, dass aufgrund der Unwirksamkeit des Tarifvertrages, der das niedrigere Gehalt vorsah, die Leiharbeitnehmer nach der gesetzlichen Regelung Anspruch auf gleiches Gehalt wie die Stammbelegschaft haben.



    Auch bei der Feststellung der Mitarbeiterzahl hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung kontinuierlich verschärft. Ende 2011 stellte das Bundesarbeitsgericht, Az.: 1 AZR 335/10 fest, dass bei der Ermittlung der maßgeblichen Unternehmensgröße in § 111 Satz 1 BetrVG Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt werden, mitzuzählen sind, wenn sie zu den "in der Regel" Beschäftigten gehören. Maßgeblich ist damit die Personalstärke, die für das Unternehmen im Allgemeinen kennzeichnend ist, und nicht, wie viele Arbeitnehmer dem Unternehmen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Betriebsänderung zufällig angehören. Bekräftigt wurde diese Entscheidung durch die Urteile vom 24.1.2013, Az.: 2 AZR 140/12, und 13.3.2013, Az.: 7 ABR 69/11, wonach Leiharbeitnehmer zum Schwellenwert des § 23 KSchG sowie bei der Feststellung der Anzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer nach § 9 BetrVG (zumindest bei einer Betriebsgröße von über 100 Arbeitnehmern) mitzählen.



    Letzter Akt dieser radikalen Änderung dürfte der nicht rechtskräftige Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19.09.2012, Az.: 17 TaBV 124/11 sein, das die Frage einer möglichen zeitlichen Begrenzung der Leiharbeit behandelt. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen vertritt die Meinung, dass seit der Neufassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG eine zeitliche Begrenzung der Leiharbeit erforderlich sei. Der Dauerverleih von Arbeitnehmern sei unzulässig mit der Folge, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern kann.



    Diese Entwicklungen machen die Leiharbeit immer unattraktiver. Leiharbeit muss der Weg zu einer gewissen Flexibilität der Arbeitgeber bleiben. Leiharbeit sollte aber nicht das Mittel sein, um arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Mittelfristige Produktionsspitzen können durch Leiharbeit anstatt durch das Anhäufen von Überstunden abgedeckt werden. Das Befristungsrecht kann dem Arbeitgeber nicht immer weiterhelfen und birgt die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten. Der von der Rechtsprechung eingeschlagene Weg kann allerdings schnell dazu führen, dass statt Leiharbeit die Leistungen über "Werkverträge" erbracht werden. Das kann so nicht gewollt sein, zumal solche Werkverträge wiederum die Gefahr einer Scheinselbständigkeit begründen.



    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/13

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