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    LG Heidelberg: Kein Anspruch auf Anpassung der Miethöhe bei corona-bedingter Nutzungseinschränkung

    Um einen weiteren starken Anstieg von Infektionen mit den COVID-19 Virus zu verhindern, haben die Behörden im März 2020 den Betrieb einer Vielzahl von Freizeit- und Kultureinrichtungen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Gastronomiebetrieben und Einzelhandelsgeschäften eingeschränkt oder gänzlich untersagt.

    Durch Art. 5 § 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, wurden zwar sowohl das außerordentliche als auch das ordentliche Kündigungsrecht des Vermieters wegen der Nichtzahlung von Mieten, die in der Zeit vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 fällig wurden, ausgesetzt, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhte. Ein Moratorium, wie der Gesetzgeber dies für die Dauerschuldverhältnisse von Verbrauchern und Kleinstunternehmen in Art. 5 § 1 des Gesetzes vorgesehen hatte, war für Mietverhältnisse aber gerade nicht vorgesehen (vgl. dazu Newsletter 5/2020).

    In der Folgezeit gab es verschiedene Stimmen, die – mit unterschiedlichen Begründungen – eine Minderung oder Anpassung geschuldeten Mieten bei durch behördliche Maßnahmen eingeschränkter Nutzbarkeit angemieteter Räume im Gewerbe-Mietrecht forderten.

    Mit Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20, hatte das Landgericht Heidelberg – soweit ersichtlich – als erstes Gericht über die Frage zu entscheiden, ob im Falle der behördlichen Schließung eines Geschäftslokales dies zur Minderung der Miete oder einer Vertragsanpassung nach § 313 BGB („Störung der Geschäftsgrundlage“) führe. Dies hat das Landgericht Heidelberg mit überzeugender Begründung abgelehnt.

    Das Landgericht hat das Vorliegen eines Mietmangels verneint. Zwar könnten auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen zu einem Mietmangel führen. Voraussetzung sei aber, dass die Beschränkung der Nutzbarkeit der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in ihrer Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt habe und nicht in den persönlichen und betrieblichen Umständen des Mieters. Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen könnten deshalb nur dann einen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache im Zusammenhang stünden. Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigten fielen hingegen in dessen Risikobereich. Der Vermieter sei nur verpflichtet, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermögliche, das Verwendungsrisiko trage hingegen der Mieter allein.

    Ausgehend hiervon liege in den dem Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren dienenden hoheitlichen Maßnahmen kein Mangel der Mietsache, da die Anordnungen nicht an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache angeknüpft hätten, sondern an den Betrieb des jeweiligen Mieters.

    Ebenso habe auch keine Unmöglichkeit der Nutzung der Mietsache vorgelegen, da der Vermieter nur die Verschaffung einer Nutzungsmöglichkeit schulde. Soweit die Störung dagegen die Nutzungstätigkeit des Mieters betreffe, bleibe dieser zur Mietzahlung verpflichtet. Dies gelte unabhängig davon, ob der Mieter individuell an der Nutzung der Sache gehindert sei, oder auch jeder andere Mieter von der Mietsache nicht den vertragsgemäßen Gebrauch hätte machen können.

    Schließlich seien auch die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht gegeben.

    § 313 BGB sei eng auszulegen und grundsätzlich nachrangig. Insoweit seien einerseits bereits die Vorschriften des mietrechtlichen Mängelrechts vorrangig. Des Weiteren bestehe eventuell ein Vorrang des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht. Dieses Gesetz sehe für den Bereich der Miete nur eine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit wegen rückständiger Mieten vor, nicht aber ein Moratorium, wie dies für andere Dauerschuldverhältnisse von Verbrauchern oder Kleinstunternehmen angeordnet sei. Nach der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers sei der Mieter nicht berechtigt, ein Leistungsverweigerungsrecht geltend zu machen und bleibe weiterhin im Grundsatz verpflichtet, die Miete zu zahlen. Ob durch das vorgenannte Gesetz tatsächlich die Anwendbarkeit von § 313 BGB gesperrt sei, müsse jedoch nicht entschieden werden, da dessen Voraussetzungen nicht vorlägen.

    Eine Partei können nach § 313 Abs. 1 eine Anpassung des Vertrages nur dann verlangen, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss so schwerwiegend verändert hätten, dass die Parteien, wenn sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten, den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Weitere Voraussetzung sei, dass einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, dass Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne.

    Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages werde nach der Rechtsprechung des BGH gebildet durch die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien oder die für den Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaue (BGH, Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 234/18.) Dabei werde zwischen der „großen“ und der „kleinen“ Geschäftsgrundlage unterschieden. Unter der „großen Geschäftsgrundlage“ verstehe man die Erwartung, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-) Katastrophe ändern, d.h. dass die soziale Existenz nicht erschüttert werde. Von der „kleinen Geschäftsgrundlage“ spreche man dagegen in allen übrigen Fällen, wenn es also „nur“ um die den jeweiligen Vertrag betreffenden Umstände gehe.

    Zwar sei von der Vorstellung der Parteien, dass keine zumindest bundes-, tatsächlich aber weltweite, Pandemie auftrete, aufgrund derer auch flächendeckend Gewerbebetriebe geschlossen werden müssten, auszugehen. Diese sei auch schwerwiegend gestört, da die Nutzbarkeit der Mietsache – jedenfalls vorübergehend – vollständig entfallen sei. Es handelte sich damit zwar um eine zu berücksichtigende Zweckstörung, aufgrund derer die Leistung des Vermieters für die Mieter sinnlos geworden sei. Eine Vertragsanpassung zu Gunsten des Mieters komme jedoch nicht in Betracht, weil diesem ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar sei:

    Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trage grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache (BGH, Urteil vom 16.02.2000, XII ZR 279/97). Dazu gehöre bei gewerblichen Mietern vor allen das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne machen zu können. Eine solche Risikoverteilung bzw. -übernahme schließe für den Betroffenen – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen für eine Partei einträte – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung dieses Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, aaO.) Das Risiko der Unzumutbarkeit sei damit letztendlich nur bei substantiierter Darlegung des Mieters erreicht, in der eigenen Existenz gefährdet (vergleiche Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020,185) oder jedenfalls in einem solchen Ausmaß wirtschaftlich betroffen zu sein, dass ein weiteres Festhalten am unveränderten Mietvertrag unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände als unzumutbar erscheinen lasse.

    Hierzu hat es im konkreten Fall an den erforderlichen Darlegungen gefehlt.

    Das Landgericht Heidelberg hat insoweit auch ausgeführt, dass zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte Lagerräume weiterbenutzt hat und sich auch während der Zeit der Schließung Mitarbeiter in den angemieteten Räumen befunden hätten, die verderbliche Ware und Saisonware abgeräumt hätten.

    Einem vorgetragenen Netto-Umsatzrückgang seinen weder die ersparten Mitarbeiterkosten durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit noch etwaige Rücklagen gegenübergestellt worden. Das Ergebnis von behaupteten Verhandlungen mit Lieferanten und anderen Vermietern sei nicht ersichtlich und nicht in die Berechnung eingestellt worden. Es sei nicht dargelegt, inwieweit durch den späteren Verkauf von Waren Verluste reduziert wurden. Zudem habe die Beklagte in der Zeit der Ladenschließung auch keine Bemühungen bezüglich einer anderweitigen Umsatzgenerierung, z.B. durch Ausweitung ihres Online-Handels, gezeigt. Schließlich spreche entscheidend gegen die Unzumutbarkeit des Festhaltens am vereinbarten Mietzins der begrenzte Zeitraum der Schließung (18.03.-19.04.2020).

    Bei dem vorgestellten Urteil des Landgerichtes Heidelberg handelt es sich – soweit ersichtlich – um die erste gerichtliche Entscheidung, die sich mit der Frage befasst, ob ein Mieter die Anpassung/Minderung der Miete wegen corona-bedingter Nutzungs-Einschränkung gemieteter Gewerberäume geltend machen kann. Letztendliche Rechtsklarheit wird insoweit nur eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH bringen.

    Allerdings wird sich ein entsprechender Anspruch nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen begründen lassen, zumal auch der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht ausdrücklich ausgeführt hat, dass Mieter nach den allgemeinen Grundsätzen zur Leistung verpflichtet bleiben. Bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Anpassung der Miete sind die Anforderungen des Mieters, dass ein Festhalten an der Miete in der vertraglich vereinbarten Höhe für ihn unzumutbar sei, hoch.

    In gleicher Weise haben in ähnlichen Fällen inzwischen auch das LG Zweibrücken (Urt. vom 11.09.2020, HK O 17/20) und das LG Frankfurt (Urt. vom 02.10.2020, 2-15 O 23/20) entschieden. Demgegenüber hat das LG München I (Urt. vom 22.09.2020, I-3 O 4495/20) eine Anpassung der Miete gemäß § 313 BGB für zulässig gehalten.

    H. Krumscheid

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 9/20

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