Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

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    Machtkampf innerhalb einer Aktiengesellschaft;MHP erstreitet Urteil zur Stärkung der Transparenz auf einer Hauptversammlung

    Die Praxis zeigt, dass trotz einer maßgeblichen Beteiligung des Hauptaktionärs an der Aktiengesellschaft zwischen diesem und dem Vorstand Streit über die weitere wirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens entstehen kann. Ein solcher prominenter Fall der jüngeren Vergangenheit war der Machtkampf um die Cewe Color Holding AG. In einer vergleichbaren Konstellation konnte die Hauptaktionärin einer börsennotierten Gesellschaft mit Unterstützung von Meilicke Hoffmann & Partner ihre Interessen gerichtlich durchsetzen.

    Regelmäßig decken sich die Vorstellung eines Hauptaktionärs und des Vorstands über die wirtschaftlichen Ziele der Gesellschaft nicht vollständig. Entbrennt darüber ein Streit und ist dieser hinreichend eskaliert, wird der Hauptaktionär versuchen, innerhalb einer außerordentlichen Hauptversammlung eine Neuwahl des Aufsichtsrats herbeizuführen, um letztlich eine Neubesetzung des Vorstands zu erwirken. So mancher Vorstand mag in dieser Situation versucht sein, Maßnahmen zu ergreifen, um Einfluss auf das Stimmverhalten der Aktionäre zu nehmen.

    Eine solch manipulationsanfällige und altbekannte Situation besteht bei der Stimmrechtsvertretung durch einen von der Gesellschaft, d.h. dem Vorstand, benannten Stimmrechtsvertreter. Oftmals werden nämlich Mitarbeiter des Hauptversammlungsdienstleisters als Stimmrechtsvertreter benannt, wobei die Hauptversammlungsdienstleister regelmäßig ein wirtschaftliches Interesse an dem Fortbestand der Geschäftsbeziehung haben und sie daher auf ein gutes Verhältnis zum Vorstand angewiesen sind. Ohne ausdrückliche und bindende Weisung des vertretenen Aktionärs ist daher ein Stimmverhalten des Dienstleisters im Sinne des Vorstands nicht fernliegend. Aus diesem Grunde muss nach der Rechtsprechung dem Stimmrechtsvertreter in diesen Fällen nicht nur eine Vollmacht, sondern auch eine Weisung für sein Stimmverhalten erteilt werden. Nur so kann wirksam eine Einflussnahme der Geschäftsführung auf das Stimmverhalten unterbunden werden.

    Dieses Weisungserfordernis könnte unterlaufen werden, wenn - wie in dem nun entschiedenen Fall geschehen - neben der Bevollmächtigung auch die sogenannte Legitimationsübertragung (sogenannter "Fremdbesitz") auf den Stimmrechtsvertreter zulässig wäre, da eine Legitimationsübertragung im Gegensatz zur Stimmrechtsvertretung gerade keine Weisung erfordert. Der Einflussnahme durch die Geschäftsführung auf das Stimmverhalten wären Tür und Tor geöffnet.

    Im entschiedenen Fall war die Situation auf der betroffenen Hauptversammlung besonders auffällig. Vor dem Hintergrund von Auseinandersetzungen über die wirtschaftliche Ausrichtung der Gesellschaft hatte die von Meilicke Hoffmann & Partner vertretene Hauptaktionärin ca. 40 % der Stimmrechte inne, während ihr ein von der Gesellschaft benannter Stimmrechtsvertreter gegenüber stand, der praktisch in gleichem Umfang Stimmrechte aufgrund von Legitimationsübertragungen ausübte. Die Präsenz betrug in dieser Hauptversammlung über 90 % des Grundkapitals, was bei einer börsennotierten Publikumsgesellschaft sehr ungewöhnlich ist. Auf den vorangegangenen Hauptversammlungen lag die Präsenz bei ca. 65 % des Grundkapitals. Neben den wenigen tatsächlich anwesenden Aktionären und der Hauptaktionärin wurde im Teilnehmerverzeichnis aufgrund der behaupteten Legitimationsübertragung nur der Stimmrechtsvertreter aufgeführt, so dass nicht erkennbar war, welche Aktionäre dahinter standen. Die Hauptaktionärin sah sich einer Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung gegenüber, die von dem Stimmrechtsvertreter ausgeübt wurde, ohne zu wissen, ob und gegebenenfalls welche Aktionäre angeblich den Stimmrechtsvertreter ermächtigt hatten. Wie nicht anders zu erwarten, stimmte der Stimmrechtsvertreter im Sinne des Vorstands und alle Beschlussvorschläge der Hauptaktionärin wurden abgelehnt. Zur Überprüfung dieser Beschlussfassung focht die Hauptaktionärin alle ablehnenden Beschlüsse dieser Hauptversammlung an. Im Anfechtungsprozess trug der Vorstand u.a. vor, dass eine Legitimationsübertragung grundsätzlich zulässig sei und dass daher auch keine Weisungen erforderlich wären. Gerichtliche Entscheidungen zu dieser Frage lagen nicht vor.

    Das OLG Hamm hat nun ausdrücklich die Zulässigkeit von Legitimationsübertragungen auf geschäftsmäßig handelnde Hauptversammlungsdienstleister bzw. deren Mitarbeiter abgelehnt. Im konkreten Fall - wohl aber auch in der Regel der Fälle - würde zum Leistungsportfolio eines Hauptversammlungsdienstleisters die Stimmrechtsvertretung gehören. Nach § 135 Abs. 8 AktG seien die restriktiven Regelungen für die Stimmrechtsausübung durch Kreditinstitute auch auf diese Hauptversammlungsdienstleister anzuwenden. Bezüglich der Stimmrechtsausübung durch Kreditinstitute sei nach §135
    Abs. 1 AktG eine Legitimationsübertragung auf diese zum Schutz der Transparenz auf Hauptversammlungen ausgeschlossen. Dieses müsse auch für Hauptversammlungsdienstleister gelten, die sich geschäftsmäßig zur Ausübung des Stimmrechts erbieten. Der Senat bestätigte ausdrücklich das besondere Bedürfnis, den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter aufgrund der drohenden Interessenkollision den strengen Anforderungen des § 135 Abs. 1 - 7 AktG zu unterwerfen. Im entschiedenen Fall seien die vom Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft aufgrund von Legitimationsübertragungen ausgeübten Stimmen ungültig und daher nicht zu berücksichtigen.

    Fazit: Der von der Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter darf nur Stimmen ausüben, wenn ihm Vollmachten und Weisungen der Aktionäre vorliegen. Das kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass der Stimmrechtsvertreter als "Legitimationsaktionär" auftritt. Die Entscheidung des OLG Hamm gewährleistet, dass die Willensbildung im Aktionariat gerade auch im Falle einer Stimmrechtsvertretung durch den von der Gesellschaft benannten Vertreter immer auf dem Willen des vertretenen Aktionärs beruht.

    Jan Kleinertz
    Sebastian Schödel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/13

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