Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

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    Nutzung des „Widerrufs-Jokers“ bei Darlehensverträgen nicht rechtsmissbräuchlich

    Wir hatten in unserem Mai-Newsletter über das nahende Ende des „Widerrufs-Jokers“ am 21.06.2016 berichtet. Diese zeitliche Grenze für die Ausübung des Verbraucherrechts hat der Gesetzgeber für einen Teilbereich des verbraucherschützenden Widerrufsrechts gezogen, weil in den vergangenen Jahren bundesweit Verträge über Immobiliardarlehen zu zehntausenden widerrufen worden waren. Immobiliardarlehensverträge aus der Zeit von November 2002 bis zum 10.06.2010 können nun auch bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen nicht mehr widerrufen werden.

    Eine noch aktuelle Streitfrage, die auch heute noch viele Verbraucher betrifft, die rechtzeitig ihr Widerrufsrecht ausgeübt hatten, ist diejenige, ob die betroffenen Banken das Anliegen ihrer Kunden trotz formal richtiger und rechtzeitiger Widerrufserklärung mit dem Argument zurückweisen können, dass der Widerruf „verwirkt“ oder „rechtsmissbräuchlich“ sei. Einige Instanzgerichte hatten dies angenommen und die Widerrufe der Verbraucher deshalb als unwirksam angesehen.

    Dem ist der Bundesgerichtshof nun in zwei aktuellen Urteilen vom 12.07.2016, Az.: XI ZR 564/15 und XI ZR 501/15, entgegengetreten. In dem ersten Fall ging es um eine Widerrufsbelehrung einer Sparkasse, wonach die an sich zweiwöchige Widerrufsfrist „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ zu laufen beginne. Diese Formulierung hat der BGH (wie bereits in früheren Urteilen) als fehlerhaft gewertet. Weil sich die Sparkasse außerdem nicht exakt an die seinerzeit gültige Musterwiderrufsbelehrung gehalten hatte, konnten die Kunden den im Jahr 2008 abgeschlossenen Darlehensvertrag noch im Jahr 2013 widerrufen. Den Verwirkungs- und Missbrauchseinwand der Sparkasse hat der BGH nun verworfen. Er hat damit klargestellt, dass das Motiv für einen Widerruf keine Rolle spielt und jeder Verbraucher ein vom Gesetzgeber eingeräumtes Widerrufsrecht frei ausüben kann, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund angeben zu müssen.

    Auch in dem zweiten Fall hat der BGH klargestellt, dass die Bank das Motiv des dortigen Klägers für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht zu dessen Lasten werten durfte, nur weil es außerhalb des Schutzzwecks des Widerrufsrechts lag. Im dortigen Fall ging es um einen Widerruf nach dem sog. Haustürwiderrufsgesetz. Nach diesen Regelungen waren insbesondere solche Vertragserklärungen widerrufbar, die ein Verbraucher ohne vorherige Bestellung aufgrund mündlicher Verhandlungen im Bereich einer Privatwohnung oder an seinem Arbeitsplatz abgegeben hatte. Auch hierzu stellt der BGH jetzt klar, dass das Widerrufsrecht ohne Begründung ausgeübt werden darf und das Motiv für den Widerruf grundsätzlich keine Rolle spiele.

    Alle Verbraucher, die in den letzten Monaten oder Jahren einen Vertrag widerrufen und mit dem Argument hingehalten werden, dieser sei rechtsmissbräuchlich oder verwirkt gewesen, haben jetzt also gute Aussichten, die für sie günstigen Rechtsfolgen des Widerrufs doch noch durchzusetzen.

    Zu beachten ist auch, dass das Widerrufsrecht nach den Regelungen für Haustürgeschäfte, wie auch dasjenige nach Fernabsatzregeln und einigen anderen Regelungsbereichen, von der gesetzlichen Ausschlussfrist zum 21.06.2016 nicht betroffen war. Ebenso sind – immer vorausgesetzt, dass die Widerrufsbelehrung falsch war – auch nach dem 10.06.2010 abgeschlossene Immobiliardarlehensverträge eventuell noch heute widerrufbar. Dasselbe gilt für Darlehensverträge, auch aus der Zeit seit dem Jahr 2002, die nicht dem Bereich der Immobiliardarlehensverträge zuzuordnen sind. Dies können etwa teure Darlehensverträge für die Anschaffung von Fahrzeugen, Wertpapieren oder sonstigen Gegenständen sein. Zu beachten ist bei allem, dass es sich nicht um gewerbliche Verträge, sondern um Verbraucherverträge handeln muss. Wer einen solchen Vertrag abgeschlossen und Zweifel an der Richtigkeit der ihm erteilten Widerrufsbelehrung hat (oder gar nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde), kann die mögliche Widerrufbarkeit seines Vertrages prüfen lassen.



    Dr. Gerd Krämer

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/16

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