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    OLG Frankfurt: Gerichtliche Aufsichtsratsbestellung befristet bis zum nächsten regulären Bestellungstermin

    Das OLG Frankfurt hat den Grundsatz bekräftigt, dass zur Vermeidung einer dauerhaften Entmündigung des eigentlich für die Aufsichtsratswahl zuständigen Organs die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds grundsätzlich bis zum nächsten regulären Bestellungstermin befristet werden muss - also der nächsten Hauptversammlung für die Anteilseignervertreter und der nächsten Belegschaftswahl für die Arbeitnehmervertreter.

    Dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15.05.2017, Az.: 20 W 147/17, lag ein Fall zugrunde, bei dem ein Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer in einer Aktiengesellschaft sein Amt zum 01.10.2016 niederlegte. Der Vorstand stellte gegenüber dem (erstinstanzlich zuständigen) Amtsgericht (Registergericht) einen Antrag auf unbefristete gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds. Das Gericht bestellte ein Aufsichtsratsmitglied, jedoch nur befristet bis zum 10.08.2017. Innerhalb der Frist bestehe ausreichend Zeit, ein neues Aufsichtsratsmitglied zu wählen. Die nächste reguläre Wahl der Arbeitnehmervertreter stand erst Anfang 2019 an. Die gegen die Befristung erhobene Beschwerde des Antragsstellers hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht erweiterte die Bestellungsfrist bis zum 31.05.2019 – den Zeitraum, in dem die nächste reguläre Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer stattzufinden hatte.

    Das Oberlandesgericht verwirft den Gedanken einer unbefristeten Bestellung. Zwar erlösche das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds, sobald der Mangel behoben ist, d.h. sobald die Hauptversammlung bzw. die Belegschaft das neue AR-Mitglied bestellt hat. Doch die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds müsse zur Vermeidung der Gefahr einer dauerhaften Entmündigung des eigentlich für die Aufsichtsratswahl zuständigen Organs befristet werden. Richtige Frist ist für das Oberlandesgericht die „bis zum nächsten regulären Bestellungstermin …, also der nächsten Hauptversammlung für die Anteilseignervertreter oder der nächsten Belegschaftswahl für die Arbeitnehmervertreter“. Die Befristung müsse sich am Normalfall der Aufsichtsratsbestellung orientieren. Dies ist insbesondere deshalb plausibel, da der Gesellschaft so erhebliche Mehraufwendungen finanzieller und personeller Art erspart bleiben. Die außerordentliche Abhaltung einer Wahl bindet in großem Maße personelle Ressourcen und verursacht Kosten, die keinen wirklichen Mehrwert bringen. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied ist vollgültiges Mitglied des Aufsichtsrats und gerade kein Mitglied „zweiter Klasse“.

    Zudem argumentiert das Oberlandesgericht, eine unbefristete Bestellung würde dazu führen, dass die gerichtliche Bestellung für die gesetzliche oder satzungsmäßige Höchstfrist erfolgen würde. Dies würde wiederum zu einer Einzelwahl führen, da der gerichtliche Bestellungszeitraum über den 31.05.2019 hinaus reichen würde. Dies ist zwar zunächst unschädlich, da die gerichtliche Bestellung erlischt, sobald die Vakanz im Aufsichtsrat durch eine ordentliche Bestellung des zuständigen Organs behoben wurde. Dennoch hält es den Gleichlauf für vorzugswürdig, um eine gleichzeitige Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder zu gewährleisten und somit gar nicht in Versuchung zu kommen, das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied erst zu einem späteren Zeitpunkt neu zu wählen.

    Erörterungswert ist die Auslegung der Entscheidung in Hinblick auf die gerichtliche Bestellung der Anteilseignervertreter. Diese war nicht Gegenstand der Entscheidung. Doch im Obersatz nimmt das Oberlandesgericht darauf Bezug. Es schreibt nämlich zunächst, die gerichtliche Bestellung solle „bis zum nächsten regulären Bestellungstermin befristet werden, also der nächsten Hauptversammlung für die Anteilseignervertreter“. Doch dann argumentiert es mit dem erheblichen Aufwand einer Einzelnachwahl und favorisiert (bei den Arbeitnehmern) die Anpassung der Bestellungsfrist „an den allgemeinen Turnus der Wahl“.

    U.E. ist das für die Belegschaftswahlen Entschiedene nicht übertragbar auf die Anteilseignervertreter. Für diese gibt es keinen vom Oberlandesgericht angesprochenen „allgemeinen Turnus“. Unterschiedlich ablaufende Bestellungsfristen sind Gang und Gäbe. Hinzu kommt bei den AR-Mitgliedern der Aktionäre der besonders bedeutende Aspekt, den das Oberlandesgericht anspricht: eine „Entmündigung des eigentlich für die Aufsichtsratswahl zuständigen Organs“, der Hauptversammlung, ist zu vermeiden. Aktiengesellschaften müssen ohnehin im jährlichen Turnus (bis zum Ende des 8. Monats des Geschäftsjahrs) ihre ordentliche Hauptversammlung abhalten. Ein einziger weiterer TOP bei einer solchen Hauptversammlung – die AR-Neuwahl – bedeutet nur unwesentlichen Mehraufwand. Es droht insbesondere kein erheblicher Mehraufwand für eine zusätzlich abzuhaltende außerordentliche Hauptversammlung. Es erscheint zumal aus Sicht guter Corporate Governance unangemessen, Aktionäre zu zwingen, zur Beendigung der gerichtlichen Bevormundung bei der Zusammensetzung des Überwachungsorgans des Vorstands zunächst eine Erweiterung der Tagesordnung durch Aktionärsverlangen zu betreiben. Gerichte werden daher u.E. gerade unter Berücksichtigung der Grundsätze des OLG Frankfurt die gerichtliche Bestellung von AR-Mitgliedern bis zum Zeitpunkt vornehmen, zu dem die nächste ordentliche Hauptversammlung stattzufinden hat. Lässt die Aktiengesellschaft diesen Zeitraum ohne Abhaltung der Hauptversammlung verstreichen, werden u.E. die Gerichte bei einer Neubestellung eine deutliche kürzere Befristung vorsehen müssen.

    Dr. Thomas Heidel

    Dr. Torben Illner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/18

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