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    OLG Hamburg: Leiharbeitnehmer spielen für das Mitbestimmungsgesetz keine Rolle

    Das OLG Hamburg hat zu einer wichtigen Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht in einem noch nicht rechtskräftigen Beschluss entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Berechnung des Schwellenwertes für die paritätische Besetzung des Aufsichtsrats nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG nicht zu berücksichtigen sind.



    Dem - noch nicht rechtskräftigen - Beschluss des OLG Hamburg vom 31.01.2014, Az.: 11 W 89/13, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei der Antragsgegnerin waren 2062 bzw. 2065 Arbeitnehmer beschäftigt, wovon allerdings 139 Leiharbeitnehmer waren. Die Parteien stritten über die Besetzung des Aufsichtsrates. Bereits das Landgericht Hamburg hat bei der Frage der Ermittlung der mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte eine Einbeziehung der Leiharbeitnehmer abgelehnt. Diese Meinung hat das OLG Hamburg bestätigt. Gegen das Urteil des OLG Hamburg wurde allerdings Revision eingelegt.



    Nach § 1 Abs. 1 MitbestG ist für die Anwendung des MitbestimmungsG und damit die paritätische Besetzung des Aufsichtsrats maßgebend, ob das Unternehmen in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Deshalb kam es im streitgegenständlichen Fall entscheidend darauf an, ob die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer bei der Festsetzung des Schwellenwerts mitzählen. Insoweit kommt es nicht auf die Stärke der Belegschaft an einem bestimmten Stichtag an. Es ist die Beschäftigtenzahl unter Berücksichtigung der Vergangenheit und der zukünftigen Entwicklung festzulegen.



    Der Begriff des Arbeitnehmers ist in § 3 MitbestG unter Verweis auf die Regelungen in § 5 Abs. 1 BetrVG definiert. Voraussetzung für die Annahme der Arbeitnehmerschaft ist prinzipiell das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsinhaber und die Eingliederung in den Betrieb. Gerade an einem Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsinhaber des Entleiherbetriebes, in dessen Betrieb der Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, fehlt es aber bei einem Leiharbeitnehmer.



    Obschon das BAG mittlerweile Leiharbeitnehmer nicht per se bei der Ermittlung diverser Schwellenwerte ausschließt (vgl. BAG, Urteil vom 18.10.2011, Az.: 1 AZR 335/10, und Beschluss vom 05.12.2012, Az.: 7 ABR 48/11, vom 13.03.2013 Az.: 7 ABR 69/11), ist das OLG dennoch der Ansicht, dass im Bereich der Mitbestimmung Leiharbeitnehmer nicht zu berücksichtigen sind.



    Das OLG Hamburg knüpft an eine frühere Entscheidung des Senats (Az.: 11 W 21/07) sowie an die des OLG Düsseldorf (Az.: 19 W 2/14) an und hält es angesichts der differenzierenden Rechtsprechung des BAG und der wirtschaftlichen Bedeutung der Leiharbeit nach wie vor für geboten, Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung von mitbestimmungsrechtlich relevanten Schwellenwerten nicht zu berücksichtigen. Gerade vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Diskussion um die paritätische Mitbestimmung scheine eine Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Ermittlung der für die Mitbestimmung relevanten Schwellenwerte nicht geboten. Das MitbestimmungsG habe nach Ansicht des BVerfG unter anderem die Aufgabe, die "mit der Unterordnung der Arbeitnehmer und der fremde Leitungs- und Organisationsgewalt in größeren Unternehmen verbundenen Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an den unternehmerischen Entscheidungen zu mildern (…) und die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale zu ergänzen" (vgl. Urteil v. 01.03.1979, Az.: 1 BVR 532/77). Es konkretisiere die soziale Bindung des Anteilseigentums, denn zur Nutzung des Anteileigentums bedürfe es der Mitwirkung der Arbeitnehmer, da sich die Ausübung der Verfügungsbefugnis durch den Eigentümer zugleich auf deren Daseinsgrundlage auswirken könnte. Die Situation der Leiharbeitnehmer sei allerdings eine andere, da diese zum Verleiher zurückgehen können und eine betriebsbedingte Kündigung allein wegen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit beim Entleiherbetrieb ausgeschlossen ist. Damit ist eine unterschiedliche Betroffenheit vorhanden.



    Das OLG Hamburg ist der - richtigen - Ansicht, dass, selbst wenn nach der Rechtsprechung des BAG beim drittbezogenen Personaleinsatz und einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung eine differenzierende Lösung als geboten erachtet wird, um die Funktion des Arbeitnehmerbegriffes im jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang angemessen berücksichtigen zu können, im Fall des MitbestimmungsG kein anderes Ergebnis gerechtfertigt sei. Abzustellen wäre danach auf die Tätigkeit des Aufsichtsrates und auf die Frage, ob sich dessen Tätigkeit in maßgeblichem Umfang auf die Leiharbeitnehmer auswirke, so dass den Leiharbeitnehmern Einfluss auf die Mitbestimmung im Entleiherbetrieb zukommen müsse. Hier ist aber gerade, wie bereits ausgeführt, von einer unterschiedlichen Betroffenheit der Interessen der Leiharbeitnehmer und der Stammbelegschaft im Rahmen der Mitbestimmung auszugehen. Das vom Aufsichtsrat zu wahrende mittel- und langfristige Gesellschaftsinteresse ist für die Leiharbeitnehmer, gerade aufgrund der ihnen möglichen Rückkehr zum verleihenden Betrieb, von wesentlich geringerer Bedeutung als für die Stammbelegschaft.



    Es bleibt abzuwarten, wie der BGH entscheidet.



    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/14

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