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    "Ordentlich unkündbar": Was ist das noch wert?

    Ein weit verbreiteter Irrtum: Ordentlich unkündbare Mitarbeiter seien auch aus betriebsbedingten Gründen unkündbar. Das BAG hat dieser These widersprochen und die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern aus betrieblichen Gründen zugelassen.



    In der Entscheidung vom 22.11.2012, Az.: 2 AZR 673/11, hat das BAG zur Frage der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung Stellung genommen. Der Arbeitgeber hat die Kündigung ausgesprochen, weil der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei, nachdem er die Entscheidung getroffen hatte, einen Teil der Arbeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben. Dies sei zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich gewesen. Der externe Anbieter sei um 50 % günstiger als die eigenen Arbeitnehmer. Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit habe es auch nicht gegeben.



    Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Kündigung nicht unwirksam ist. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer ist zwar grundsätzlich unzulässig. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung ist aber grundsätzlich möglich, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dieser Ausschluß dazu führe, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anderenfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüber stünde. Allerdings sei der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der außerordentlichen Kündigung in einem besonderen Maße verpflichtet, zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, könne ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen.



    Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB könne sich aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen ergeben. Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung sei gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur darauf zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Nachzuprüfen sei außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde, und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich weggefallen ist. Dies gelte auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen sei.



    Interessanterweise stellt das BAG fest, dass sich der Arbeitnehmer auch nicht auf Nichteinhalten der zweiwöchigen Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB berufen könne. Die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sei ein Dauertatbestand, die Frist beginne deshalb stets von Neuem.



    Diese Entscheidung ist wirtschaftlich nachvollziehbar, hat bisher allerdings wenig Beachtung gefunden. Mitarbeiter - vor allem des öffentlichen Dienstes - sind immer noch der Ansicht, dass das Wort "unkündbar" heißt, dass der Arbeitgeber unter allen denkbaren Umständen sie bis zur Verrentung bezahlen muss. Dies trifft nicht mehr zu.



    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 11/13

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