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    Persönlichkeitsschutz im Internet: Veröffentlichung eines Fotoausschnitts mit Teilnehmer einer politischen Demonstration

    In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat sich das OLG Frankfurt mit der rechtlichen Zulässigkeit der Veröffentlichung von herausgeschnittenen Einzelbildern eines Teilnehmers einer öffentlichen Veranstaltung befasst.

    Mit dem Urteil vom 21. April 2016, Az. 16 U 251/15, hat das Oberlandesgericht Frankfurt die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main zu einer rechtswidrigen Bildveröffentlichung (§ 22 Satz 1 KUG) bestätigt. Der Kläger wendet sich gegen Verwendung eines Ausschnittes einer Fotografie, die anlässlich einer politischen Demonstration gegen das Töten von Delfinen in Japan unter dem Kundgabemotto „Germany Stop Taji“ am 15. Februar 2014 in Frankfurt angefertigt worden war. Der verwendete Bildausschnitt zeigt den Kläger, wie er zusammen mit anderen Personen einer im Rahmen der Kundgebung aufgeführten szenischen Darbietung zuschaute und dies mit seinem Handy festhielt.

    Der Kläger rügt eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild gem. § 22 KUG. Demnach dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Das OLG Frankfurt hat die Auffassung des Landgerichts bestätigt, eine konkludente Einwilligung des Klägers in die streitgegenständliche Bildveröffentlichung habe insbesondere aufgrund der Teilnahme an der Veranstaltung nicht vorgelegen. Für die Beantwortung dieser Frage sei der Erklärungswert des als Einwilligung zu wertenden Verhaltens im Wege der Auslegung zu ermitteln. Heranzuziehen seien dabei alle erkennbaren Umstände, insbesondere das Verhalten des Betroffenen selbst. Allein mit der Teilnahme an der Kundgebung „Germany Stop Taji“ habe der Kläger nicht der Nutzung des Fotos zugestimmt. Ein Bildnis wäre nicht gleichsam damit zum allgemeinen Gebrauch freigegeben, weil der abgebildete sich in einem öffentlichen Raum bewegt und weiß, dass dort Fotos gefertigt werden.

    Andere Handlungen, aus denen sich eine solche Einwilligung des Klägers an der Nutzung seines Bildnisses in anderem Zusammenhang geschlossen werden könnte, seien nicht dargetan. So lasse sich insbesondere aus der Tatsache, dass der Kläger selbst mit seinem Handy Fotos aufgenommen mag, nicht auf eine solche Einwilligung schließen. Das Anfertigen eigener Fotos lässt keine Schlüsse auf den eigenen Willen zu, wie mit solchen Fotos nach der Vorstellung des Fotografierenden zu verfahren ist. Denn geschützt sei nach der Konzeption des Bildnisschutzes nicht das Herstellen von Fotos, sondern nur deren unbefugte Nutzung.

    Eine Zulässigkeit ergebe sich auch nicht aus § 23 Abs. 1 KUG. Danach dürfen Bildnisse einer Person ohne deren Einwilligung ausnahmsweise verbreitet werden, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt und durch die Verbreitung die berechtigten Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei erfordert schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Artikel 1 Abs. 1, Artikel 2 Abs. 1 GG, Artikel 10 Abs. 1 EMRK einerseits und dem Recht der Presse auf Informationsfreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 GG, Artikel 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Bei der Abbildung von unbekannten Personen, die im Zusammenhang mit einem Ereignis von allgemeinem öffentlichen Interesse zufällig mitabgebildet werden, ist gegebenenfalls eine Interessenabwägung erforderlich, dabei ist aber den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen besonders Rechnung zu tragen.

    Bei der vorliegenden Berichterstattung handelt es sich nicht um eine solche im Sinne des Presserechts, sondern um einen privaten Beitrag des Beklagten im Internet, dessen Informationswert für das Zeitgeschehen an den v. g. Grundsätzen zu messen sei. Bei dem herauskopierten Einzelbild des Klägers handele es sich um einen Ausschnitt, der aus dem Bildzusammenhang genommen worden sei. Er hat für sich gesehen als solches keinen Informationswert für die öffentliche Meinungsbildung, da es lediglich die Identifizierung des Klägers als Person ermöglicht. Über den Kontext der Demonstration, in dem das Bild aufgenommen wurde, wird gerade nicht berichtet. Der Kläger werde in hockender Darstellung gezeigt, wie er auf sein Mobiltelefon schaut und möglicherweise Fotos fertigt, wobei dies aus dem Ausschnitt heraus nicht erkennbar sei. Im Übrigen erscheint die Nutzung des Bildnisses nach Abwägung der Grundrechte des Klägers gegen den Informationswert der Nachricht vorliegend als nicht erforderlich. Denn auch wenn beim Bildnisschutz nicht mehr zwischen den Kategorien der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte zu unterscheiden sei, spiele es bei der Prüfung der Erforderlichkeit hier eine Rolle, ob das Hinzufügen eines Gesichts zum Namen für die Meinungsbildung bedeutsam für den Informationswert der Nachricht sei. Dies sei vorliegend für die angegriffenen Äußerungen nicht ersichtlich.

    Das OLG Frankfurt hat sich hier insbesondere mit den Fragen der Einwilligung und der Interessenabwägung bei Bildveröffentlichungen befasst. Diese Frage stellt sich insbesondere bei öffentlichen Veranstaltungen, bei denen man regelmäßig nicht von einer Einwilligung in die Bildveröffentlichung ausgehen kann, soweit nicht deutliche entgegenstehende Anhaltspunkte bestehen. Befragt z. B. ein Reporter, der sich als solcher vorgestellt hat, Passanten auf der Straße zu einem bestimmten Thema, wird die Beantwortung der gestellten Frage vor laufender Kamera als konkludente Einwilligung zu werten sein (vgl. OLG Karlsruhe ZUM 2006, 568). Reagiert dagegen die aufgenommene Person nicht, so begründet das Schweigen keine Einwilligung (BGH NJW 2012, 762). Bei der Annahme einer Einwilligung, z. B. bei der Einstellung eigener Bilder in sozialen Netzwerken, ist besonders auf den konkreten Inhalt und den Umfang der Einwilligung zu achten, die sich in der Regel auf die Veröffentlichung auf der jeweiligen Netzwerkplattform bezieht, und bei fehlender Suchmaschinensperre auch auf die Nutzung durch Personensuchmaschinen.

    Dr. Wolfgang Walchner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/16

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