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    Postbank-Übernahme: Bundesgerichtshof hebt klageabweisendes Urteil des OLG Köln auf

    Mit einer in der Tagespresse viel beachteten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln zur Abweisung einer Schadensersatzklage aufgrund der Übernahme der Postbank AG aufgehoben.



    Gegenstand des Urteils vom 29.07.2014, Az.: II ZR 353/12, war der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der Postbank AG (Postbank). Die Übernahme der Aktienmehrheit erfolgte in mehreren Schritten. Die Deutschen Bank AG (Beklagte) hat mit der Deutschen Post AG am 12.09.2008 einen Vertrag über den Erwerb einer Beteiligung an der Postbank von 29,75 % zu einem Preis von 57,25 € pro Aktie geschlossen. Gleichzeitig hatte die Deutsche Bank AG eine Option erhalten, ein weiteres Aktienpaket in Höhe von 18 % für 55,00 € je Aktie zu erwerben. Umgekehrt ist der Deutschen Post AG eine Verkaufsoption eingeräumt worden, ihren verbleibenden Anteil von 20,25 % zum Preis von 42,80 € je Aktie an die Deutsche Bank AG zu veräußern. Damit hatte die Deutsche Bank AG sich 50 % der Postbank-Aktien zum Preis von durchschnittlich mindestens 51,11 € pro Postbank-Aktie gesichert; denn entweder würde sie die Kaufoption oder die Deutsche Post AG die Verkaufsoption ausüben. Ab einer Beteiligung von 30% liegt ein auf die Kontrolle gerichtetes Übernahmeangebot (§ 29 Abs. 2 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes - WpÜG) vor, welches die Verpflichtung zur Veröffentlichung und Abgabe eines Angebots (Pflichtangebot) an alle Aktionäre der Zielgesellschaft zu einer angemessenen Gegenleistung auslöst. Die Annahme, dass weder die Kauf- noch die Verkaufsoption ausgeübt würden, wäre lebensfremd. Obwohl die Deutsche Bank AG sich damit mehr als 30 % gesichert hatte, gab sie kein solches Pflichtangebot zu den mit der Deutsche Post AG vereinbarten Preisen ab.



    Ende 2008 wurde der Vollzug der Vereinbarung verschoben und kurz nach Beginn der Finanzkrise Anfang 2009 eine Nachtragsvereinbarung geschlossen, nach welcher der Erwerb der Postbank-Aktien in drei Schritten erfolgte. Im ersten Schritt erwarb die Deutsche Bank AG 22,9 % zum Preis von 23,92 € je Aktie, im zweiten Schritt über eine am 25.02.2012 fällige Pflichtwandelanleihe 27,4 % zum Preis von 45,45 € je Aktie. Der für den dritten Schritt vorgesehene Erwerb von weiteren 12,1 % zu Preisen von 48,85 bzw. 49,24 € pro Aktie wurde nicht realisiert. Die Deutsche Bank reduzierte damit den mit der Deutsche Post vereinbarten Durchschnittspreis für 50,3 % auf ca. 37 € pro Aktie.



    Nachdem sie an der Börse weitere 0,25 % der Postbank-Aktien hinzuerworben hatte, veröffentlichte die Deutsche Bank AG am 07.10.2010 ein (freiwilliges) Übernahmeangebot für Aktien der Postbank AG zum Preis von nur € 25,00 pro Postbank-Aktie.



    Diese schrittweise Übernahme einer Mehrheitsbeteiligung ohne Mitnahme der Minderheitsaktionäre zum gleichen Preis haben wir bereits in dem Aufsatz, W. Meilicke/F. Meilicke, Die Postbank-Übernahme durch die Deutsche Bank - eine Gestaltung zur Vermeidung von Pflichtangeboten nach § 35 WpÜG?, ZIP 2010, 558, insbesondere unter dem Gesichtspunkt kritisiert, dass es aufgrund der vertraglichen Gestaltung dem Käufer eine knapp unterhalb der 30%-Schwelle liegenden Beteiligung möglich ist, durch Zukauf einiger Aktien über die Börse zu einem preislich günstig erscheinenden Zeitpunkt das Erreichen der 30 %-Schwelle selbst zu steuern, um den Kaufpreis des Pflichtangebotes zu minimieren.



    Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das OLG Köln führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, die Deutsche Bank AG sei im Zeitpunkt der Veröffentlichung des (freiwilligen) Übernahmeangebot noch nicht Eigentümerin von mindestens 30 % der Postbank-Aktien gewesen. Ihr seien auch die restlichen von der Deutsche Post AG zur Erfüllung der Pflichtwandelanleihe vorgehaltenen Aktien nach § 30 WpÜG nicht zuzurechnen.



    Der BGH hat die Entscheidung des OLG Köln aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen. In der Begründung hat der BGH zwar ein Pflichtangebot aufgrund der wechselseitigen Optionen oder der Pflichtwandelanleihe verneint, weil die Deutsche Bank AG insoweit noch nicht dinglich Aktionärin der Postbank geworden sei. Das OLG Köln habe aber rechtsfehlerhaft die Zurechnung nach § 30 Abs. 2 WpÜG wegen eines abgestimmten Verhaltens (acting in concert) verneint. Die Klägerin habe unter Beweisantritt vorgetragen, die Deutsche Post AG habe sich willentlich auf der Basis der mit der Deutschen Bank AG getroffenen Vereinbarung bei der Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung der Postbank bis zum 25.02.2012 den Zielen der Beklagen untergeordnet. Dies sei durch eine "regelmäßig vereinbarte" Interessenschutzklausel abgesichert worden.



    Weiter führt der BGH aus, das Berufungsgericht habe hier die Anforderungen an die Substantiierungslast der Klägerin überspannt. Die Klägerin hätte keinen Einblick in die Nachtragsvereinbarung gehabt. Damit konnte sie keine Einzelheiten aus dieser Vereinbarung vortragen. Andererseits sei offenkundig, dass die Deutsche Bank AG und die Deutsche Post AG den Übergang der Kontrolle über die Postbank, so wie in der Nachtragsvereinbarung vorgesehen, aktiv betreiben wollten und betrieben haben. Dann liege es aber nicht fern, dass sich die Deutsche Post AG - in Konkretisierung ihrer allgemeinen vertraglichen Nebenpflicht, die Erreichung des Vertragszwecks nicht zu gefährden, - verpflichtet haben könnte, von ihrem Stimmrecht nur unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten Gebrauch zu machen. Dies sei keine Behauptung "ins Blaue hinein", wie vom OLG Köln angenommen wurde. Das OLG Köln hätte den dafür gebotenen Beweis erheben müssen. Nach Zurückverweisung des Verfahrens an das OLG Köln besteht dazu in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung Gelegenheit.



    Die Entscheidung des BGH ist im Ergebnis zu begrüßen. Es wäre aber wünschenswert gewesen, wenn sich der BGH deutlicher gegen vertragliche Gestaltungen zur Vermeidung von Pflichtangeboten nach § 35 WpÜG gewandt hätte. Stattdessen hat der BGH leider nur eine prozessrechtliche Entscheidung zu den Anforderungen an die Substantiierungslast der Klägerin für den Nachweis eines abgestimmten Verhaltens (acting in concern) getroffen.




    Dr. Wienand Meilicke

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 9/14

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