Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    Rechtsschutz gegen Geschäftsschließungen aufgrund Corona-Krise - Update

    Wir haben schon zu Beginn der Krise im Corona-Sondernewsletter auf Rechtsschutzmöglichkeiten hingewiesen, die Geschäftsinhaber prüfen sollten, um ihre etwaigen Entschädigungsansprüche nicht zu verlieren. Inzwischen hat sich die Rechts- und Tatsachenlage weiter geändert. Für Geschäftsinhaber gelten nunmehr großzügige Fristen für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Geschäftsschließungen; Geschäftsinhaber können nunmehr ein Jahr abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Worauf diese Änderung basiert und für wen sie gilt, wird in diesem Beitrag besprochen. Darüber hinaus hat das Landgericht Heilbronn in einem Eilverfahren entschieden, dass eine von einer behördlichen Geschäftsschließung betroffene Friseurin keinen Anspruch auf Entschädigung hat. Dieses Urteil wird in einem gesonderten Newsletter-Beitrag erläutert werden.

    Nicht nur die Corona-Krise schreitet voran, sondern auch die Rechtslage ändert sich in schnellen Schritten. Nach einem weitgehenden Shutdown des öffentlichen Lebens haben sich Bund und Länder am 15. April 2020 darauf geeinigt, langsam und vorsichtig die Maßnahmen zu lockern. Seit dem 6. Mai 2020 liegt die Verantwortung für die weitere Öffnung des öffentlichen Lebens bei den Ländern. Insgesamt bedeutet die dynamische Entwicklung der Pandemie eine Änderung der Rechtslage in Permanenz.

    Dieser Newsletter berücksichtigt nur die Rechts- und Tatsachenlage in NRW und der Stadt Köln bis zum 6. Mai 2020. Welche Maßnahmen wann aufgehoben werden, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Für jedes Bundesland und grundsätzlich für jede Stadt ist eine gesonderte Prüfung notwendig. Der nachstehend beschriebene Prüfungsmaßstab gilt jedoch entsprechend.

    A.Derzeitige Rechtslage in NRW und der Stadt Köln

    Aufgrund der Corona-Krise waren in NRW gastronomische Betriebe und teilweise auch der Einzelhandel geschlossen bzw. dürfen auch derzeit noch nur mit Beschränkungen betrieben werden. Zunächst basierten die Schließungen auf kommunalen Anordnungen. So hat die Stadt Köln mit Allgemeinverfügung 18 vom 16. März 2020 (veröffentlicht am 17. März und am selben Tag in Kraft getreten) die sofortige Schließung gastronomischer Betriebe, des Einzelhandels und von Einkaufszentren angeordnet. Eine Allgemeinverfügung ist nach § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ein Verwaltungsakt, der sich an eine Vielzahl von Personen richtet. Damit eine Allgemeinverfügung wirksam wird, muss sie öffentlich bekannt gegeben werden. Innerhalb eines Monats nach öffentlicher Bekanntgabe kann eine solche Allgemeinverfügung rechtlich angegriffen werden; ansonsten wird sie bestandskräftig und dadurch unanfechtbar. Die Allgemeinverfügung der Stadt Köln existierte jedoch nur zwei Wochen; mit Allgemeinverfügung vom 3. April 2020 (veröffentlicht am 3. April und in Kraft getreten am 4. April) hob die Stadt Köln die Allgemeinverfügung wieder auf. Das bedeutet, dass die Allgemeinverfügung vor Eintritt der Bestandskraft aufgehoben wurde, was Auswirkungen auf die Klagefrist hat (siehe sogleich).

    Grund für die Aufhebung war, dass das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW-Gesundheitsministerium) am 22. März 2020 auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine Rechtsverordnung erlassen hat (Verordnung zum Schutz von Neuinfizierung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2). Diese Verordnung ist am 23. März 2020 in Kraft getreten und gilt für das gesamte Land Nordrhein-Westfalen. Dort ist unter anderem auch der Betrieb von Gastronomie und Einkaufszentren untersagt.

    Schon eine Woche später, am 30. März 2020, hat das NRW-Gesundheitsministerium diese Verordnung teilweise geändert (Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Schutz von Neuinfizierung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 30. März 2020). Auch diese Rechtsverordnung wurde kurze Zeit später wieder geändert; seit dem 20. April dürfen allerdings wieder Geschäfte mit einer Verkaufsfläche unter 800 qm geöffnet sein. Zur Zeit existieren mehr als ein halbes Duzend Änderungsverordnungen allein in NRW.

    Die Situation stellt sich für die Stadt Köln demnach wie folgt dar:

    -Vom 17. März 2020 bis 4. April 2020 beruhten die Geschäftsschließungen auf einer Allgemeinverfügung der Stadt Köln. Diese wurde vor Ende der Rechtsmittelfrist (also vor Bestandskraft) aufgehoben.

    -Vom 23. März 2020 bis jetzt beruhen die Geschäftsschließungen auf den Rechtsverordnungen des NRW-Gesundheitsministeriums.

    B.Rechtsschutzmöglichkeiten von Geschäftsinhabern

    Geschäftsinhaber, die seit dem 17. März ihr Geschäft schließen mussten, können sich sowohl gegen die Allgemeinverfügung als auch gegen die Rechtsverordnungen wehren. Sie müssen auch beide angreifen, wollen sie für den gesamten Zeitraum die Rechtswidrigkeit geltend machen.

    I.Fortsetzungsfeststellungsklage gegen aufgehobene Allgemeinverfügungen

    Eigentlich werden Allgemeinverfügungen mittels Anfechtungsklage angegriffen. Da die Allgemeinverfügung aber aufgehoben worden sind, ist nunmehr statthafte Klageart die Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Absatz 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Bei einer solchen Fortsetzungsfeststellungsklage prüft das Gericht, ob die Allgemeinverfügung rechtswidrig war. Dafür muss der Kläger aber ein besonderes Feststellungsinteresse darlegen; das ist bei Geschäftsschließungen kein Problem, da der Geschäftsinhaber eventuell Ersatzansprüche geltend machen möchte und daher an einer Klärung der Rechtmäßigkeit interessiert ist. Eigentlich muss auch eine solche Fortsetzungsfeststellungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erhoben werden. Hier besteht aber die Besonderheit, dass die Allgemeinverfügung aufgehoben worden ist, bevor sie bestandskräftig werden konnte. In diesem Fall besteht keine Klagefrist. Möglich ist nur noch eine Verwirkung durch den Geschäftsinhaber. Insofern gilt als vorsichtiger Anhaltspunkt eine Jahresfrist (Rechtsgedanke von § 58 Absatz 2 VwGO – Jahresfrist bei unterbliebener oder unrichtiger Rechtsmittelbelehrung). Damit haben Geschäftsinhaber in Köln nunmehr ein Jahr Zeit zu überlegen, ob sie die Wirksamkeit der Allgemeinverfügung gerichtlich überprüfen lassen.

    II.Normenkontrollverfahren gegen die Rechtsverordnungen des NRW-Gesundheitsministerium

    Die Überprüfung von Rechtsverordnungen der Länder ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Rechtsverordnungen des NRW-Gesundheitsministeriums können gemäß § 47 Absatz 1 Nummer 2 VwGO in Verbindung mit § 109a Justizgesetz NRW in einem Normenkontrollverfahren überprüft werden. Einen Antrag kann jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsverordnung in ihren Rechten verletzt zu sein. Allein zuständiges Gericht ist das Oberverwaltungsgericht Münster. Gemäß § 47 Absatz 2 Satz 1 VwGO gilt hierfür eine Jahresfrist beginnend ab Bekanntgabe. Laut Zeitungsberichten läuft derzeit ein solches Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster.

    C.Bedeutung für Geschäftsinhaber in NRW

    Die Rechtslage ist unübersichtlicher geworden. Großer Vorteil der derzeitigen Situation ist jedoch, dass für Normenkontrollverfahren großzügige Fristen gelten, so dass Geschäftsinhaber nunmehr abwarten können, wie sich die Lage entwickelt. Die Rechtschutzmöglichkeit gegen die Rechtsverordnung gilt für alle Geschäftsinhaber in NRW. Differenziert muss man die Rechtslage bezüglich der Allgemeinverfügungen in den einzelnen Städten und Kreisen betrachten: Sollten Gemeinden wie in Köln ihre Allgemeinverfügungen vor Bestandskraft (innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe) aufgehoben haben, so gilt das oben gesagte; eine Klage unterliegt keiner Frist. Sollten Gemeinden dagegen ihre Allgemeinverfügungen erst nach Bestandskraft (ab einem Monat nach Bekanntgabe) aufgehoben haben, so kommt es darauf an, ob die betroffenen Geschäftsinhaber fristgerecht Anfechtungsklage gegen diese Allgemeinverfügungen erhoben haben. Insofern gilt die Monatsfrist (analog) § 74 Absatz 1 Satz 1 VwGO.

    Dr. Moritz Beneke

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/20

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