Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    Schlussurteil des BFH im Meilicke Case; Verfassungsbeschwerde und Beschwerde an die EU-Kommission eingelegt

    Nach mehr als 13 Jahren Verfahrensdauer und 2 EuGH-Entscheidungen hat der BFH mit Urteil vom 15.1.2015 (IStR 2015, 476) den Meilicke Case aus Sicht der Finanzgerichtsbarkeit abgeschlossen. Hierbei ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Deutschland ausländische Körperschaftsteuervorbelastungen auf ausländische Dividenden im Anrechnungsverfahren anrechnen muss. Mit dem Urteil erledigt der BFH das Haushaltsrisiko von € 5 Mrd. zugunsten des Fiskus.

    Im Kern weist der BFH die Klage mit dem Argument ab, dass die Kläger die ausländische Körperschaftsteuervorbelastung nicht ausreichend nachgewiesen haben. Hierbei lässt der BFH die Steuerpflichtigen jedoch weiterhin im Unklaren, wie die Körperschaftsteuervorbelastung genau zu berechnen ist und welche Nachweise der Steuerpflichtige erbringen muss. Der BFH bedauert gleich zweimal, dass der deutsche Gesetzgeber nicht tätig geworden ist, um seiner Verpflichtung zur Klarstellung der Berechnungsvoraussetzungen nachzukommen. Damit bestätigt der BFH den Verstoß des deutschen Gesetzgebers gegen die Rechtsprechung des EuGH, wonach die Unvereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit Bestimmungen des Vertrages abschließend nur durch zwingende innerstaatliche Bestimmungen behoben werden kann, die dieselbe rechtliche Wirkung besitzen, wie die zu ändernden Bestimmungen, weil die von einer Gemeinschaftswidrigkeit betroffenen Rechtsubjekte bezüglich des Umfangs der ihnen vom Vertrag garantierten Rechte in einem Zustand der Ungewissheit belassen werden (EuGH, Urteil vom 26. Oktober 1995, C-195/94, Kommission gegen Luxemburg, Slg. I 3699, Rn. 18 m.w.N.). Wegen dieses Vertragsverstoßes hat der Verfasser nunmehr eine Beschwerde bei der Kommission eingereicht. Die zahlreichen Antragsteller, die hinsichtlich ihrer aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte von der deutschen Finanzverwaltung und der deutschen Finanzgerichtsbarkeit im Ungewissen gelassen werden, sind hiermit aufgerufen, sich der von uns eingelegten Beschwerde anzuschließen. Der Volltext der Beschwerde ist veröffentlicht unter http://www.meilicke-hoffmann.de/Beschwerde%20EU-Kommission.pdf.



    Bedenklich erscheint, dass der BFH den Rechtsstreit nicht wie beantragt an das Finanzgericht zurückverweist, um den Klägern Gelegenheit zu geben, retrograd ermittelte Nachweise über die anrechenbare ausländische Körperschaftsteuervorbelastung (inklusive der mittelbaren Vorbelastung von Tochtergesellschaften) zu erbringen. Die Kläger hatten beim Finanzgericht nämlich ausdrücklich beantragt, durch rechtmäßige Hinweise auf die von den ausländischen Gesellschaften verlangten Rechenschritte (einschließlich der Art und Weise der Anrechnung mittelbarer Steuervorbelastung von Tochtergesellschaften) die Kläger in die Lage zu versetzen, die ihnen abverlangten Nachweise zu erbringen. Wenn Deutschland ausweislich des Urteils des FG Köln unrichtige Belehrungen über die Art und Weise in die Welt setzt, in der ausländische Körperschaftsteuervorbelastungen zu ermitteln sind, werden die Bürger gehindert, von den ausländischen Körperschaften die erforderlichen Nachweise zu erhalten. Vor der Befassung mit diesem Argument drückt der BFH sich lapidar unter Hinweis auf § 126 Abs. 6 Satz 1 FGO. Insoweit stellt sich nicht nur die Frage der Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes, sondern auch die Frage nach einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG.



    Last but not least: Obwohl der BFH revisionsrechtlich unterstellt, dass ihm förmlich dem § 45 KStG a.F. entsprechende Körperschaftsteuerbescheinigung der ausländischen Banken vorliegen, will er diese nicht genügen lassen, weil er mit dem FG Köln zusätzlich den Nachweis der tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuervorbelastung, also der Richtigkeit der formell ordnungsgemäßen Körperschaftsteuerbescheinigungen verlangt. Damit verstößt der BFH m.E. gegen die klaren Vorgaben des dritten Leitsatzes des EuGH-Urteils Meilicke II. Danach kann die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer entweder durch eine förmlich den deutschen Anforderungen entsprechende Körperschaftsteuerbescheinigung oder durch Belege erreicht werden, anhand deren die deutschen Steuerbehörden eindeutig und genau überprüfen können, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Steuervorteils vorliegen.



    Der BFH ersetzt das vom EuGH mit Bedacht gesetzte "oder" durch "und", verlangt also ungeachtet der Vorlage einer formgerechten Körperschaftsteuerbescheinigung zusätzlich noch Belege, anhand deren die deutschen Steuerbehörden eindeutig und genau überprüfen können, ob die ausländische Körperschaftsteuerbescheinigung richtig ist. Indes hat der EuGH im Urteil Meilicke II ausdrücklich eine formale Bescheinigung unter Berufung auf den gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenzgrundsatz ausdrücklich für genügend angesehen. Das kommt nicht nur im "Entweder-Oder" zum Ausdruck, sondern das ergibt sich auch aus der zwischen den Verfahrensbeteiligten geführten Diskussion, ob der von einer ausländischen Bank ausgestellte "Blankoscheck" die selbe Beweiskraft hat wie ein von einer inländischen Bank ausgestellter "Steuerscheck". Hätte der EuGH angesichts dieses Disputes die Beweiskraft einer ausländischen Steuerbescheinigung verneinen und stattdessen oder daneben immer die vom BMF und BFH geforderten Nachweise für erforderlich gehalten, so hätte es keinen Sinn gemacht zu formulieren, dass die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer
    • entweder durch eine förmlich den deutschen Anforderungen entsprechende Körperschafsteuerbescheinigung
    • oder durch Belege erreicht werden kann, anhand deren die deutschen Steuerbehörden eindeutig und genau überprüfen können, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Steuervorteils vorliegen.



    Der Volltext der Verfassungsbeschwerde, welche gegen das Schlussurteil des BFH zum Fall "Meilicke" wegen der darin liegenden Verletzung der Vorlagepflicht des Artikels 267 Abs. 3 AEUV eingelegt wurde, ist einschließlich der einschlägigen Akten der Meilicke-Verfahren unter http://www.meilicke-hoffmann.de/Verfassungsbeschwe... und http://www.meilicke-hoffmann.de/de/referenzen/anla... einzusehen.



    Dr. Wienand Meilicke

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/15

    Drucken | Teilen