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    Update: Gesellschafter-Fremdfinanzierung als illegales Bankgeschäft? - Das neue Merkblatt der BaFin

    Im Newsletter 11/2013 sowie im Newsletter 2/2014 haben wir darauf hingewiesen, dass Gesellschaften, die von ihren Gesellschaftern Kredite annehmen, nach einem Merkblatt der BaFin als illegale Kreditinstitute angesehen werden könnten. In der jüngsten Vergangenheit führte dies verbreitet zu Problemen zahlreicher Unternehmen der Realwirtschaft mit ihren Abschlussprüfern. Ein neues Merkblatt der BaFin sorgt nunmehr (weitgehend) für Abhilfe.



    Mit Datum vom 11.03. 2014 hat die BaFin ein neues Merkblatt mit Hinweisen zum Tatbestand des Einlagengeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG veröffentlicht. Dies war aus Sicht der Praxis dringend erforderlich geworden. Zwar vertrat die BaFin (wie auch schon das BAKred als Vorgängerbehörde) bereits seit Jahrzehnten ein sehr weites Verständnis des Einlagengeschäfts, das - beim Wort genommen - in weiten Teilen der mittelständischen Realwirtschaft völlig alltäglich Modelle der Gesellschafter-Fremdfinanzierung als illegale Bankgeschäfte erfasst hätte (vgl. dazu auch Meilicke/Schödel, DB 2014, 285 ff.). Praktisch wurde dies indes nicht zum Problem, weil sich die BaFin auf die Verfolgung aus ihrer Sicht missbräuchlicher Gestaltungen beschränkte, während sie gegen allgemein verbreitete Praktiken der Gesellschafter-Fremdfinanzierung der mittelständischen Realwirtschaft keinerlei Maßnahmen ergriff.



    In der Unternehmenspraxis war die Problematik ohnehin nahezu vollständig unbekannt.



    Diese systematisch zwar wenig überzeugende, für die Praxis aber noch hinnehmbare Gleichgewichtslage war ins Wanken geraten, nachdem die Problematik in der Folge einiger neuerer Beiträge aus der rechtswissenschaftlichen Literatur und weiter befördert durch ein mittelbar relevantes BGH-Urteil in den Fokus der Wirtschaftsprüfer geraten war, die sich - verständlicher Weise - primär an den schriftlichen Verlautbarungen der BaFin orientierten. Konfrontiert mit der Auffassung ihrer Abschlussprüfer, nach § 321 Abs. 1 S. 3 HGB sei wegen des - vermeintlichen - Verstoßes gegen §§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 32 KWG ein entsprechender Vermerk in den Prüfungsbericht aufzunehmen bzw. sogar das Testat einzuschränken oder zu verweigern, konnten sich auch die betroffenen Unternehmen einer Auseinandersetzung mit der verlautbarten Rechtsauffassung der BaFin nicht mehr entziehen. Der pragmatische Ansatz der BaFin - keine Umsetzung ihrer Rechtsauffassung außerhalb missbräuchlicher Gestaltungen - war damit nicht mehr geeignet, die betroffenen Unternehmen von nachteiligen Auswirkungen dieser Rechtsauffassung abzuschirmen.



    Vor dem Hintergrund des aus der geschilderten Ausgangslage entstandenen vielseitigen Drucks, hat die BaFin nunmehr ihr Merkblatt zum Einlagengeschäft deutlich modifiziert. Sie will Gesellschafterdarlehen und Guthaben auf Privat- oder Verrechnungskonten bei Personenhandelsgesellschaften nicht mehr als "unbedingt" rückzahlbare fremde Gelder des Publikums und damit nicht mehr als Einlagengeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG ansehen. Zur Begründung führt das Merkblatt aus, die Gesellschafter seien durch die gesellschaftliche Treuepflicht daran gehindert, Ansprüche gegen die Gesellschaft durchzusetzen, wenn die Geltendmachung die Gesellschaft in die Zahlungsunfähigkeit triebe; dies sei bei Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften auch durch §§ 64 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 2 S. 3 AktG, 130a Abs. 1 S. 3 i.V.m. 170a, 130a HGB gesetzlich verankert. Vor diesem Hintergrund seien die Darlehensrückzahlungsansprüche der Gesellschafter als bedingt anzusehen. Anders soll allerdings der Fall zu beurteilen sein, wenn eine auf den Beitritt einer unbestimmten Vielzahl von Kapitalanlegern ausgerichtete und kapitalistisch strukturierte Kommanditgesellschaft von ihren Gesellschaftern Darlehen annimmt. Diese sollen - insbesondere dann, wenn das der Publikums-KG gewährte Darlehen zu der unmittelbaren gesellschaftsrechtlichen Einlage des Gesellschafters außer Verhältnis steht (siehe zu diesem Gesichtspunkt bereits Meilicke/Schödel, DB 2014, 285, 292) -, entsprechend dem "tatsächlichen Gehalt der Geldüberlassung" in der Regel bankaufsichtsrechtlich als unbedingt rückzahlbare Gelder zu qualifizieren sein.



    Da sich Publikums-Gesellschaften im praktischen Regelfall nur selten über Gesellschafterdarlehen finanzieren, hat die neue Rechtsauffassung der BaFin zur Folge, dass ein Großteil der praktischen Probleme, die sich aus ihrer bisherigen Auslegung des Begriffs des Einlagengeschäfts ergeben haben, entfallen. Ob der Neuansatz der BaFin auch rechtsdogmatisch überzeugt, ist dagegen eine andere, für die Praxis allerdings eher nachrangige Frage. Jedenfalls in Randbereichen lässt aber auch das neue Merkblatt für die Praxis noch Fragen offen. Dies gilt etwa für die insbesondere bei den großen Familienpersonengesellschaften verbreitete Praxis, auch für enge Familienangehörige wie Kinder und Enkelkinder, die (noch) nicht Gesellschafter sind, Privatkonten - meist im Wege einer Schenkung - einzurichten. Auch die Einbeziehung derartiger Sachverhalte in den Begriff des Einlagengeschäfts ist durch die Schutzzwecke des KWG nicht veranlasst. Eine ausdrückliche Klarstellung im Merkblatt wäre daher wünschenswert gewesen.



    S. Schödel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 3/14

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