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    Vereinssatzung ohne Ewigkeitsgarantie

    Das OLG München hat jüngst den etablierten Grundsatz bestätigt, dass sich Vereine durch faktisch nicht erreichbare Mehrheitsanforderungen für die Änderung der Satzung keine Ewigkeitsgarantie geben dürfen.

    In dem Verfahren (Beschluss vom 30.01.2020 – 31 Wx 371/19) wehrte sich ein Sportverein mit 2600 Mitgliedern, davon 1420 stimmberechtigt, gegen einen Beschluss des Registergerichts, mit dem es die Eintragung einer Satzungsänderung in das Vereinsregister zurückgewiesen hatte. Eine solche ist erforderlich, damit die Änderung wirksam wird. Der Verein wollte seine aus dem Jahr 1964 stammende Satzung komplett erneuern. Die alte Satzung forderte für eine Änderung, dass 51 % aller stimmberechtigten Mitglieder an der beschlussfassenden Mitgliederversammlung teilnehmen und drei Viertel der erschienenen Mitglieder für die Änderung stimmen. Diese Regelung weicht vom Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ab: Danach erfordert eine Satzungsänderung grundsätzlich nur die Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen; erlaubt ist es allerdings, dass die Satzung anderes bestimmt; so kommt vor und ist grundsätzlich zulässig, Quoren für die Beschlussfähigkeit oder höhere Mehrheiten vorzusehen oder die Satzungsänderung von der Zustimmung einzelner oder aller Mitglieder oder sogar eines Dritten abhängig zu machen.

    Zur Mitgliederversammlung des Sportvereins, auf der über die Neufassung der Satzung abgestimmt werden sollte, kamen nach erheblichen Anstrengungen immerhin 260 stimmberechtigte Vereinsmitglieder; in den Jahren zuvor lag die Präsenz unter 70 Stimmberechtigten. Aber auch die Zahl von 260 verfehlte klar das satzungsmäßige Quorum der Anwesenheit für eine Satzungsänderung, nämlich 725 Mitglieder. Dennoch stimmte man über die Neufassung ab. 259 waren für die Änderung, ein Mitglied dagegen.

    Trotz des klaren Fehlens des nach der Satzung erforderlichen Quorums verneinte das OLG München rechtskräftig die Beachtlichkeit des Verstoßes gegen die Satzung. Das Quorum ist nach der Sicht des Gerichts aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht anzuwenden; an die Stelle der Satzungsregel treten die grundsätzlich dispositiven, also durch die Satzung änderbaren gesetzlichen Vorschriften des Vereinsrechts. Von diesen abweichende Regelungen für eine Änderung der Satzung seien nicht anzuwenden, wenn die Satzungsregeln dazu führten, dass eine Satzungsänderung aufgrund der tatsächlichen Umstände faktisch dauerhaft ausgeschlossen sei. Sonst werde die durch das Grundgesetzt geschützte Vereinsautonomie unterlaufen; das sei nicht zulässig. Aus der Autonomie und dem davon umfassten Selbstverwaltungsrecht der Vereine folge, dass diese die Möglichkeit haben müssen, die Satzung an veränderte Umstände anzupassen. Auch die alte Satzung zeige, dass sie verändert werden können solle – wenn auch nur unter strengen Anforderungen. Die vom Gericht bejahte faktische Unabänderbarkeit ist aber unter größter Zurückhaltung anzunehmen. Alle Vorschriften, welche die Mehrheitserfordernisse für eine Satzungsänderung im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung erhöhten, dienten nämlich dem Minderheitenschutz. Die Annahme hat nach dem OLG München im Wesentlichen zwei Voraussetzungen. Erstens muss die Satzungsänderung ausschließlich daran scheitern, dass die von der Satzung aufgestellten Anforderungen aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten tatsächlich nicht erfüllt werden können. Nur das könne sicherstellen, dass sich der von dem Mehrheitserfordernis bezweckte Minderheitenschutz realisiert. Wird das Quorum verfehlt, weil Mitglieder bewusst von der Versammlung fernbleiben, damit die erforderliche Quote nicht erfüllt wird, kann sich der Verein also nicht auf die fehlende Umsetzbarkeit aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten berufen. Zweitens muss der Verein alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um die satzungsmäßigen Voraussetzungen trotz der schwierigen tatsächlichen Gegebenheiten zu erreichen.

    Diese Voraussetzungen hielt das OLG München bei lebensnaher Betrachtung für erfüllt. In den vergangenen Jahren kamen immer nur höchstens 5 % der stimmberechtigten Mitglieder zu den Mitgliederversammlungen. Im Vorfeld der Abstimmung über die Satzungsneufassung informierte der Vereins wiederholt über die geplante Neufassungund die Hintergründe; er wie dabei immer darauf hin, dass eine hohe Quote der Beteiligung der Mitglieder sehr wichtig ist. Diese Bemühungen waren nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nur an dem mangelnden Interesse der Vereinsmitglieder gescheitert, sich neben dem Sport auch an der Vereinsorganisation zu beteiligen.

    Im konkreten Fall war dem Verein durch die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts zur nicht beabsichtigten faktischen Unmöglichkeit der Änderung allerdings nicht geholfen. Denn die Satzung stellte eine weitere formale Hürde für die Satzungsänderung auf: Bestimmte Satzungsregeln konnten nur geändert werden, wenn alle stimmberechtigten Vereinsmitglieder der Änderung zustimmen. Die angestrebte Neufassung der Satzung betraf auch solche Klauseln. Die Zustimmung aller lag jedoch schon deshalb nicht vor, weil in der Versammlung ein Mitglied gegen die Änderung stimmte. Der Verein hatte auch nicht wirklich versucht, die Zustimmung aller Mitglieder einzuholen. Das hatte er zwar 1990 einmal vergeblich versucht. Daraus kann man nach dem Oberlandesgericht aber nicht schließen, dass das Satzungserfordernis aufgrund der tatsächlichen Umstände nicht erfüllbar sei. Das zeige sich bereits daran, dass das eine Mitglied in der Mitgliederversammlung gegen die Änderung stimmte. Die Satzung bezwecke zulässigerweise den Schutz eines einzelnen Mitglieds dagegen, dass der Verein bestimmte Regeln ändert. Für den Verein erwies es sich als Fiasko, dass er eine vollständige Neufassung der Satzung anstrebte und zur Abstimmung stellte, nicht aber die beabsichtigte Änderung aufteilte nach solchen Regeln, die einerseits mit Mehrheit änderbar sind, andererseits Zustimmung aller Mitglieder fordern. Das Oberlandesgericht meinte, da eine Gesamtänderung der Satzung angestrebt sei und zwischen allen Neuregelungen ein innerer Zusammenhang bestehe, dürfte das Registergericht nicht isoliert die vom Erfordernis der Zustimmung aller Mitglieder nicht erfassten Änderungen in das Register eintragen. Die Eintragung eines Teils des Beschlusses komme nicht in Betracht. Daher habe das Registergericht mit Recht die Eintragung in Gänze zurückgewiesen.

    Die Entscheidung des Oberlandesgerichts stärkt die Vereins- sowie Privatautonomie. Das ist zu begrüßen. Gleichzeitig stellt das Gericht mit Recht klar: Auch lange bestehende Satzungen verlieren durch Zeitablauf nicht ihre darin verankerten Schutzzwecke. Anderes kann gelten bei klaren tatsächlichen Gegebenheiten. Das Gericht hat angemessen die Interessen der Minderheit und der Mehrheit zum Ausgleich gebracht. Gelingt es der Mehrheit nicht, eine von Satzung oder Gesetz (dieses erfordert Zustimmung aller für die Änderung des Vereinszwecks, der aber sehr eng definiert wird) geforderte Zustimmung aller Mitglieder zu einer Änderung zu erreichen, bleibt als Radikallösung oft nur der kollektive Austritt der Mehrheit nebst Neugründung eines Vereins. Will man, wie im Münchener Fall passiert, das Risiko verhindern, dass die Unwirksamkeit der Änderung einzelner Satzungsregeln eine gesamte Satzungsneufassung zunichte macht, bietet sich regelmäßig die Aufteilung der Änderungen auf mehrere separaten Beschlüsse an.

    Dr. Thomas Heidel / Maike Mestmäcker

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/21

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