Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

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    Vorläufiger Schlussstrich für die Gesellschaftsform der „Limited“ mit Verwaltungssitz in Deutschland

    Lange Zeit war die Limited (Ltd.) als Rechtsform auch für in Deutschland ansässige Unternehmen beliebt, ermöglichte sie doch die Gründung einer (die persönliche Haftung der Gesellschafter ausschließende) Kapitalgesellschaft ohne das für eine GmbH erforderliche Stammkapitel von EUR 25.000 aufbringen zu müssen. Möglich war dies, weil die Niederlassungsfreiheit aus den europäischen Verträgen (Art. 49 und 54 AEUV) die in Deutschland vorherrschende Sitztheorie, wonach sich das anwendbare Gesellschaftsrecht nach dem tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft richtete, überlagerte.

    Mit der Einführung der Unternehmensgesellschaft (UG) durch das MoMiG 2008, die die Gründung der GmbH mit einem Stammkapital von EUR 1 ermöglichte, verlor die Ltd. ihre Attraktivität. Mittlerweile gilt ihre Empfehlung für ein in Deutschland tätiges Unternehmen als anwaltlicher Beratungsfehler.

    Nun hat das OLG München im Zuge des Austritts des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union zum 31.12.2020 (sog. Brexit) einer Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland die Rechts- und Parteifähigkeit abgesprochen, was ihr vorläufig den Todesstoß versetzt. In dem Urteil vom 05.08.2021 (Az.: 29 U 2411/21 Kart) legt das OLG München dar, dass eine Ltd., die nicht nachweisen kann, dass ihr tatsächlicher Verwaltungssitz in Großbritannien liegt, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, offene Handelsgesellschaft oder Einzelhandelsunternehmen anzusehen ist, mit der Folge, dass ihre Gesellschafter unbeschränkt für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten haften.

    Denn nach Gewohnheitsrecht gelte in Deutschland die Sitztheorie: D. h. jede Gesellschaft muss die Gründungsvoraussetzungen des Staates erfüllen, in dem ihr tatsächlicher Verwaltungssitz liegt. Nach der Sandrock´schen Formel ist dies der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden. Und eine Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland erfülle nun einmal nicht die Gründungsvoraussetzungen von GmbH, AG oder anderen Gesellschaften mit Haftungsbeschränkungen (Rn. 20 a. a. O.).

    Zwar werde wegen der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV die Sitztheorie in einem europäischen Kontext von dieser überlagert. Nach dem Brexit könne sich die Ltd. hierauf aber gerade nicht mehr berufen. Auch das am 24.12.2020 geschlossene Handels- und Kooperationsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und der Europäischen Union gewähre den Unternehmen nach den Artikeln SERVIN 2.2 (b), SERVIN 2.3 und SERVIN 2.4 gegenseitig Marktzugang, Inländerbehandlung und Meistbegünstigung. Eine umfangreiche Niederlassungsfreiheit sei aber gerade nicht gewollt, wie sich aus Anhang 1 SERVIN Nr. 10 ergebe. Dieser laute: „Zur Klarstellung sei angemerkt, dass für die Union mit der Verpflichtung zur Inländerbehandlung nicht die Anforderung verbunden ist, die Behandlung auf (…) juristische Personen des Vereinigten Königreichs auszudehnen, die in einem Mitgliedstaat aufgrund des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (…) folgenden Personen gewährt wird: (…)(ii) nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats (…) gegründeten (…) juristischen Personen, die (…) ihre Hauptverwaltung (…) in der Union haben.“. Entgegenstehende Auffassungen in der rechtswissenschaftlichen Literatur lehnte das OLG München ausdrücklich ab (Rn. 22).

    Im Ergebnis hat das OLG München die fragliche Ltd., da sie lediglich eine Gesellschafterin hatte, nicht einmal als Personenhandelsgesellschaft, sondern als nicht mehr existierenden Gesellschaft angesehen und daher deren Antrag mangels Rechts- und Parteifähigkeit als unzulässig abgewiesen.

    Konkret bedeutet dies für alle Scheinauslandsgesellschaften in Form der Ltd., dass ein Rechtsformwechsel unbedingt erforderlich ist, um Haftungsgefahren zu vermeiden. Ltds. mit Verwaltungssitz in Großbritannien oder Nordirland sind von der Entscheidung aber nicht betroffen.

    Dr. Stefanie Deckers

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 9/21

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