Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    Vorsicht geboten bei Geschäften zwischen Aktiengesellschaft und Vorstandsmitgliedern gehörenden Gesellschaften

    Wenn Aktiengesellschaften Verträge mit Vorstandsmitgliedern abschließen, ist besondere Vorsicht geboten. Zum Schutz vor Interessenkonflikten muss der Aufsichtsrat die Gesellschaft vertreten, ansonsten droht die Nichtigkeit und Rückabwicklung des Vertrags. Ebenso ist es, wenn ein Vorstandsmitglied nur mittelbar Vertragspartner der Gesellschaft ist. Dies hat der BGH (Urteil vom 15.01.2019, Az.: II ZR 392/17) bestätigt. In seinem Fall wurde der Vertrag zwischen der Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft geschlossen, deren einziger Gesellschafter das (zukünftige) Vorstandsmitglied war. Der Vorstand hatte die Aktiengesellschaft bei Abschluss des Vertrags vertreten, der Aufsichtsrat war mit ihm nicht befasst, insb. hatte er ihn nicht genehmigt. Daher war der Vertrag nach Sicht des BGH unwirksam, er muss für seine gesamte Laufzeit von über fünf Jahren rückabgewickelt werden.

    Der BGH-Fall war im Kern so: Die Aktiengesellschaft kaufte 2013 Geschäftsanteile an einer GmbH von einer anderen Gesellschaft. Deren Alleingesellschafter sollte später Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft werden. Das war in einer Nebenabrede des Kaufvertrags vereinbart. Dementsprechend bestellte der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft ihn am Tag des Abschlusses des Kaufvertrags zum Vorstandsmitglied. Die Aktiengesellschaft wurde durch ihren Vorstand vertreten. Mehrere Jahre nach Vertragsschluss verlangte die Aktiengesellschaft die Rückzahlung des Kaufpreises für die Geschäftsanteile an der GmbH. Sie argumentierte, sie sei nicht ordnungsgemäß vertreten worden, zuständig für die Vertretung sei ihr Aufsichtsrat gewesen. Damit hatte sie rechtskräftig Erfolg.

    Der Aufsichtsrat muss die Aktiengesellschaft nach den gesetzlichen Regelungen vertreten, wenn diese Rechtsgeschäfte mit Vorstandsmitgliedern (amtierenden und ehemaligen) abschließt. Das ist allgemein anerkannt. So soll Interessenkonflikten vorgebeugt werden, die durch das Handeln von Vorstandsmitgliedern bei beiden Vertragsparteien entstehen können. Die Vertretungskompetenz gilt auch für Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) bei der Vertretung gegenüber den Komplementären und bei mitbestimmten GmbHs.

    Die Vertretungspflicht durch den Aufsichtsrat erweitert der BGH in seiner aktuellen Entscheidung auf zwei ähnliche Konstellationen:

    • Verträge zwischen der Aktiengesellschaft und einer Ein-Personen-Gesellschaft des (zukünftigen) Vorstands ( sogenannte „wirtschaftliche Identität“)
    • Verträge zwischen der Aktiengesellschaft und zukünftigen Vorstandsmitgliedern

    Der Aufsichtsrat muss die Aktiengesellschaft daher auch vertreten, wenn ihr Vertragspartner eine Gesellschaft mit dem Vorstandsmitglied als alleinigem Gesellschafter ist. Wirtschaftlich sind der Vorstand und die Gesellschaft identisch. Das ist für den BGH entscheidend – obgleich die beiden Gesellschaften rechtlich mitnichten identisch sind. Der BGH stellt nun auch für diesen Fall klar, dass zwingend der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft vertreten muss. Die Entscheidung ist folgerichtig. Denn anderenfalls könnte leicht das Schutzinstrument der Aufsichtsratsvertretung durch eine scheinbare, in Wirklichkeit bloß rechtliche Selbstständigkeit des Vertragspartners umgangen werden. Offen gelassen hat der BGH, was gilt, wenn das Vorstandsmitglied nur maßgeblichen oder beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübten kann, deren Gesellschafter er ist – wenn er also weniger als 100% der Anteile hält oder ein vergleichbarer Fall sog. „wirtschaftlicher“ Identität vorliegt (Vorstand verfügt über sämtliche Vermögens-, nicht aber über sämtliche Verwaltungsrechte). Die Vertretungsverhältnisse müssen immer dann sorgfältig geprüft werden, wenn ein Vorstand maßgeblichen Einfluss (d.h. ab einer Beteiligung ab 25%) auf die Vertragspartner-Gesellschaft ausübt. Im Zweifel empfiehlt sich eine Doppelvertretung durch Vorstand und Aufsichtsrat zur Vermeidung von Unsicherheiten.

    Doppelte Vorsicht ist geboten, wenn ein zukünftiges Vorstandsmitglied Vertragspartner ist.Der Aufsichtsrat muss die AG jedenfalls dann vertreten, wenn das Geschäft im Vorfeld der Bestellung geschlossen wird und mit dieser im Zusammenhang steht. Unklar bleibt, wie eng der Zusammenhang sein muss. Im Zweifel sollten bei irgendwie erkennbarem Bezug zur späteren Vorstandstätigkeit sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft vertreten, um Unsicherheiten von vornherein zu vermeiden.

    Diese praxisrelevanten Fälle bergen für Aktiengesellschaften erhebliche Risiken - können sie doch auch noch nach Jahren dazu führen, dass Verträge wegen ihrer Unwirksamkeit mangels ordnungsgemäßer Vertretung rückabgewickelt werden müssen. Offen gelassen hat der BGH, ob der Aufsichtsrat die Unwirksamkeit durch Genehmigung beseitigen kann. Es empfiehlt sich, bei nachträglich bemerkten Vertretungsmängeln sicherheitshalber einen Genehmigungsbeschluss des Aufsichtsrats einzuholen, um jedenfalls die Chance der Heilung zu erhalten. Eine Pflicht zur nachträglichen Genehmigung hat der Aufsichtsrat nicht.

    Dr. Torben Illner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/19

    Drucken | Teilen



    Ähnliche Artikel

    Aktuelle Veröffentlichungen aus unserer Kanzlei

    • Lochner: Die Lösung von Konflikten im dreiköpfigen Aufsichtsrat, in: Der Aufsichtsrat 2014, S. 50-51

    Aktuelle Veröffentlichungen aus unserer Kanzlei

    - Dr. Daniel Lochner mit Marei Wilfert: Die Höchstzahl zulässiger Aufsichtsratsmandate, in: Der Aufsichtsrat 2014, S. 146

    Gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds: Zweite Chance

    Aktuelle Fälle bei der Daimler AG und der Deutschen Bank AG zeigen: Gerichtliche Bestellungen von Aufsichtsratsmitgliedern sind gar nicht so selten. Gelingt es einem Antragsteller nicht, seinen Kandidaten in der ersten Instanz durchzubringen, hat er eine zweite Chance: Das Beschwerdegericht überprüft nicht lediglich die erstinstanzliche Entscheidung auf Fehler. Es fällt eine eigene sachliche Entscheidung, wen es bestellt. Das hat jüngst das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigt.