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    „Freiwillige“ Bonuszahlungen vor dem Aus?

    Ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der dem Arbeitgeber das Recht zubilligt, von einer Leistungsbestimmung über einen Bonus für ein bestimmtes Geschäftsjahr abzusehen, obwohl der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbracht hat, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Stichtagsregelung, die in einem solchen Fall den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Fälligkeitszeitpunkt im Folgejahr zur Voraussetzung der Leistung macht.

    Das Bundesarbeitsgericht hatte über eine in Arbeitsverträgen gängige Vertragsklausel zu entscheiden. “Soweit die Gesellschaft Gratifikationen gewährt, erkennt der Arbeitnehmer hiermit an, dass solche Zahlungen freiwillig erfolgen und auch nach wiederholter Gewährung nicht zu einer Verpflichtung der Gesellschaft zur Fortsetzung derartiger Zahlungen führen. Berücksichtigt werden in diesen Fällen nur solche Arbeitnehmer, die sich im Zeitpunkt der Zahlung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden“. Der Kläger hat Ansprüche auf eine Bonuszahlung für das Jahr 2011 geltend gemacht. Der Arbeitgeber hatte einem Teil der Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse nicht im Laufe des Jahres 2012 beendet wurden, Bonusleistungen gewährt, dem Kläger allerdings gar nicht.

    Das Bundesarbeitsgericht , Az.: 10 AZR 710/14, hat in Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung und der BerufungsinstanzLAG Hessen, Az.: 19 Sa 1266/13, den Freiwilligkeitsvorbehalt wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB als unwirksam angesehen. Der streitgegenständliche Arbeitsvertrag enthalte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von §§ 305 ff. BGB. Ist der Wortlaut von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht eindeutig, komme es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen sei, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden müsse. Die streitgegenständliche Klausel sei im Ergebnis nach § 305c Abs. 2 BGB unklar, denn sie könne zum Einen so verstanden werden, dass hierdurch generell ein Anspruch für die Zukunft ausgeschlossen werden solle. Denkbar sei aber auch, sie so zu verstehen, dass sie den Rechtsgedanken des § 315 BGB wiedergibt und damit auch eine wiederholte Leistungsgewährung nicht ohne weiteres Fortsetzung „derartiger“, d.h. nach Höhe und Art gleichartiger Leistungen wie in der Vergangenheit, führen solle. Ein solches Klauselverständnis stünde der Annahme eines dem Grunde nach bestehenden dauerhaften Anspruchs nicht entgegen. Da gemäß § 305 Buchst. c Abs. 2 BGB Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwenders gehen, sei die letzte Tag der Auslegung maßgeblich.

    Das Bundesarbeitsgericht ging noch weiter: Im Übrigen würde eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die es dem Arbeitnehmer erlaubt, nach Ablauf eines Kalenderjahres die versprochene Leistung nach billigem Ermessen zu unterlassen, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB nicht standhalten. Es würde eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen, wenn der Arbeitgeber von der Leistungsbestimmung für ein bestimmtes Geschäftsjahr absehen dürfe, obwohl der Arbeitnehmer in diesem Geschäftsjahr seine Arbeitsleistung erbracht habe und die Leistung auch Teil der Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sei. Das Bundesarbeitsgericht kam damit zum Ergebnis, dass die Freiwilligkeitsklausel im Ergebnis den vertraglichen Leistungsanspruch nicht ausschließt.

    Dennoch ging das Bundesarbeitsgericht einen Schritt weiter und stellte fest, dass die streitgegenständliche Regelung dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB überlasse, was grundsätzlich zulässig sei. In solchen Fällen habe die Leistungsbestimmung nach der gesetzlichen Regelung mangels abweichender Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen. Im streitgegenständlichen Fall hat das Bundesarbeitsgericht den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen. Es hat die mögliche Leistungsbestimmung auf null als nicht dem billigenden Ermessen entsprechend angesehen, wobei das Gericht darauf hinwies, dass die Darlegung und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspreche, dem Bestimmungsberechtigten obliege. Die beklagte Arbeitgeberin hatte im streitgegenständlichen Fall keinerlei Sachvortrag gebracht.

    Diese Entscheidung stellt das System für Gratifikationen auf dem Kopf. Jeder Arbeitsgeber muss nunmehr mehrfach überlegen, ob er eine Bonuszahlung noch leistet, wenn er sich für die Zukunft nicht binden will. Und wenn er das tut, muss er bei jeder Bonus Zahlung eine Leistungsbestimmung vornehmen, um im Ernstfall sichergehen zu können, dass ihn ein Gericht im Nachhinein nicht zur Zahlung des vollen Betrages verpflichtet. Denn das Bundesarbeitsgericht hat auch festgestellt, dass die richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB auf der Grundlage des Vortrags der Parteien zutreffend sei. Ob dann Arbeitgeber noch bereit sein werden, Boni zu zahlen, bleibt abzuwarten.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 12/16

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