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    SELBSTBESTELLUNG VON ORGANMITGLIEDERN ZU GESCHÄFTSFÜHRERN VON TOCHTERGESELLSCHAFTEN

    Es ist üblich, dass sich Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer einer Konzernobergesellschaft zu Geschäftsführern von Tochtergesellschaften bestellen. Nicht eindeutig geklärt war bisher, ob auf eine derartige Bestellung zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft das in § 181 BGB festgelegte Verbot des Selbstkontrahierens Anwendung findet (zum Meinungsstand siehe etwa MüKoGmbHG/Drescher, 4. Aufl. 2023, § 47 Rn. 227). Nach dieser Norm ist es ohne ausdrückliche Gestattung einem Vertreter untersagt, für den Vertretenen Rechtsgeschäfte mit sich selbst abzuschließen.

    Der BGH hat jetzt durch Beschluss vom 17.01.2023 (Az. II ZB 6/22, ZIP 2023, 744) die Frage bejaht und somit insoweit für Rechtssicherheit gesorgt.

    Will sich das Vorstandsmitglied bzw. der Geschäftsführer einer Konzernobergesellschaft selbst zum Geschäftsführer der Tochtergesellschaft bestellen, ist dies nur möglich – so der BGH – wenn ihm dies vorher besonders gestattet ist oder sein Verhalten nachträglich genehmigt wird.

    Vorherige Gestattungen werden regelmäßig bereits bei der Bestellung zum Vorstandsmitglied bzw. Geschäftsführer der Obergesellschaft erteilt. In dem Beschluss heißt es dann häufig „Herrn/Frau X wird Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt. Ist die Obergesellschaft eine AG, ist der Aufsichtsrat für einen solchen Beschluss zuständig (§ 84 AktG); ist die Obergesellschaft eine GmbH, deren Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG). In dem Sachverhalt, den der BGH zu entscheiden hatte, war indes eine derartige vorherige Gestattung nicht erteilt worden und es stellte sich die Frage, welches Organ der Obergesellschaft für die nachträgliche Genehmigung zuständig ist.

    Ist die Obergesellschaft eine AG, ist entgegen einer weitverbreiteten Auffassung (Werner, NZG 2022, 702, 705) nach der Entscheidung des BGH für eine derartige nachträgliche Genehmigung nicht der Aufsichtsrat der AG zuständig, sondern die übrigen, nicht vom Interessenkonflikt betroffenen Vorstandsmitglieder (BGH, Beschl. v. 17.01.2023 – II ZB 6/22, ZIP 2023, 744 Rn. 32 ff.). Ist die Obergesellschaft eine GmbH, so kann sowohl die Gesellschafterversammlung als auch ein nicht vom Interessenkonflikt betroffener vertretungsberechtigter Mitgeschäftsführer die Genehmigung erteilen (BGH, Urt. v. 29.11.1993 – II ZR 107/92, ZIP 1994, 129).

    Für die Praxis hat die Entscheidung erhebliche Bedeutung: Um Probleme – insbesondere Verzögerungen – bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern bzw. Geschäftsführern von Obergesellschaften zu Geschäftsführern von Tochtergesellschaften zu vermeiden, sollte ihnen bereits bei Beginn ihrer Tätigkeit bei der Obergesellschaft Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens erteilt und in das Handelsregister eingetragen werden. Ist die Obergesellschaft eine ausländische Gesellschaft, sind weitergehende Recherchen erforderlich. Geklärt werden muss, ob das anwendbare ausländische Recht wie das deutsche ein Verbot des Selbstkontrahierens kennt und wenn ja, welche Konsequenzen dies im konkreten Fall hat.

    Dr. York Strothmann

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/23

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