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Tresormäßige Sicherung von Kundenschließfächern ist Bankenpflicht
In einem breit in den Medien rezipierten Fall entschied das Landgericht Hamburg (LG Hamburg, Urt. vom 29.06.2023 – 330 O 127/22), dass eine Bank ihre Schließfächer vor Einbruch „tresormäßig sichern“ müsse. Was genau darunter zu verstehen ist, ist stets filialabhängig und muss anhand verschiedenster Faktoren bestimmt und fortlaufend neu bewertet werden.
Sachverhalt:
Ein langjähriger Kunde mietete im April 2021 bei der beklagten Bank ein Schließfach an. Bei den Schließfachverträgen handelte es sich um Standardmietverträge, in deren „Bedingungen für die Vermietung von Schrankfächern“ es unter anderem heißt:
„Die Bank wird als Vermieterin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anwenden. Die Folgen einer Missachtung dieser Bedingungen, insbesondere aber der unter Nr. 5 aufgeführten Sorgfaltspflichten und Obliegenheiten, trägt der Mieter. […] Da die Bank vom Inhalt des Faches keine Kenntnis und dementsprechend auf den Wert der vom Mieter im Fach verwahrten Sachen keinen Einfluss hat, kann sie den Umfang möglicher Schäden weder einschätzen noch begrenzen. Die Bank beschränkt daher ihre Haftung in diesem Zusammenhang auf einen Maximalbetrag von 40.000 Euro. Es bleibt dem Mieter überlassen, ein nach seiner Einschätzung verbleibendes Risiko in geeigneter Weise selbst abzusichern.“
Nach einer Barabhebung von 150.000 Euro deponierte der Kunde diese in seinem Schließfach im Tresorraum. Der Wahrheitsgehalt des Ablaufs dieser Situation war zwar zunächst streitig gewesen, doch konnte der Kunde den Vorgang später hinreichend und glaubhaft darlegen und widerspruchsfrei zu Protokoll geben.
Wenige Monate später kam es zu einem Einbruch in den Schließfachraum. Den bislang unbekannten Täter gelang es, mithilfe eines Kernbohrers einen 45 cm breiten und 2 m langen Kanal von einem sich schräg oberhalb des Schließfachraumes befindlichen Raumes zu bohren, um damit schließlich in die Räumlichkeit zu gelangen. In der Folge brachen die Täter ca. 650 Schließfächer auf, unter anderem das des Kunden, und stahlen sämtliche Wertsachen.
Die sich in den Filialräumen befindliche Einbruchmeldeanlage schlug dabei keinen Alarm. Die Einbrecher klebten den vorhandenen Bewegungsmelder im Tresorraum mit einem passgenauen Aufkleber ab, sodass dessen Funktionstüchtigkeit eingeschränkt war. Sämtliche andere Sicherheitsvorkehrungen der Filiale, wie Alarmanlage, Videokameras und Sensoren detektierten den Einbruch ebenso nicht.
Der Kunde machte im Oktober 2021 einen Zahlungsanspruch i.H.v. 150.000 Euro gegen die Beklagte geltend. Diese zahlte jedoch lediglich die in den AGB als Höchstsumme aufgeführten 40.000 Euro.
Anschließend trat der Kunde seinen Schadensersatzanspruch der noch offenen 110.000 Euro zzgl. Verzugszinsen an die Klägerin ab. Das LG Hamburg verurteilte die Bank auf Zahlung der Restsumme.
Entscheidungsgründe:
Zunächst stellte das Gericht fest, dass das Vertragsverhältnis zwischen Bank und Kunden bezüglich des Schließachs als ein Mietvertrag gem. § 535 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu verstehen sei.
Zentrale Frage des Rechtsstreits war, ob die Bank dem Maßstab der „tresormäßigen Sicherung“ des Schließfachs nachgekommen war. Unter diesem Begriff ist sowohl die Bewachung als auch die Sicherung des Schließfachs, gemessen am anerkannten, fortlaufenden Stand der Technik, zu verstehen.
Das Gericht entschied, dass die Bank gleich unter mehreren Gesichtspunkten diese Pflicht verletzt habe. Zum einen habe die Bank die akute, hohe Gefährdungslage der konkreten Filiale, welche sich aus vorherigen, vergleichbaren Einbruchsversuchen im ähnlichen Stil ergebe, ignoriert. Zum anderen habe die Filiale unzureichende Nachrüstungsmaßnahmen der Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen, beispielsweise entsprächen die angebrachten Rauchmelder nicht dem Stand der Technik und seien ungeeignet gewesen für die Verwendung in Tresorräumen, da diese leicht zu manipulieren gewesen seien. Ebenso rügte das Gericht, dass die Bank keine Videoüberwachung im Tresorraum installiert habe. Die dazu von der Bank angeführten Gründe, das Fehlen dieser Kameras mit der Privatsphäre der Kunden rechtfertigen zu wollen, betrachtete das LG Hamburg als undifferenziert.
Das Gericht kam zusammenfassend zum Schluss, dass die Bank ihren Pflichten zur tresormäßigen Sicherung nicht nachgekommen sei.
Bezüglich der Wirksamkeit der Haftungsobergrenze aus den AGB kam das LG zu dem Urteil, dass sich die Beklagte nicht auf die Haftungshöchstgrenze habe beziehen dürfen, da die Klausel je nach Auslegung als nicht anwendbar oder gar rechtswidrig anzusehen sei. Die Klausel lasse wegen sprachlicher Unverständlichkeit nicht erkennen, ob mit ihr eine verschuldensabhängige oder eine verschuldensunabhängige Haftung erfasst werden solle.
Die Klägerin habe jedoch eine Haftung für Verschulden geltend gemacht, sodass die Haftungshöchstgrenze aus den AGB jedenfalls eine unzulässige Begrenzung der Haftung gem. § 309 Nr. 7 BGB darstellte, da kein konkreter Ausschluss der Haftungsbegrenzungsklausel für Fälle der Verletzung von Körper, Leben und Gesundheit oder bei grobem Verschulden vorläge. Das Gericht erkannte die Haftungsbegrenzung auf 40.000 EUR infolgedessen als unwirksam.
Laut Landgericht Hamburg schuldete die Beklagte dem Kunden über die bereits geleisteten 40.000 Euro hinaus weiteren Schadensersatz in Höhe der von 110.000 Euro.
Stellungnahme
Mit seinem Urteil betritt das LG Hamburg teils juristisches Neuland. Es gibt kaum Rechtsprechung zu den Pflichten einer Bank zur tresormäßigen Absicherung der Wertgegenstände ihrer Kunden. Das Urteil ist sehr kundenfreundlich, da es der Bank hohe Anforderungen an die Absicherung auferlegt und verlangt, dass die Bank aus Einbruchsversuchen in anderen Filialen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko in ihren übrigen Filialen abzuleiten hat. Das ist aus Bankensicht problematisch, da es ex ante kaum möglich sein wird, aus jedem Einbruchsversuch (ggf. auch nur bei Wettbewerbern) jedes Sicherheitsrisiko für die eigenen Filialen vorherzusehen. In der Literatur wird daher auch kritisiert, das Gericht sei einer unzulässigen Rückschauverzerrung (Hindsight Bias) unterlegen (ausführlich dazu Piekenbrock, WM 2025, 934). Aufgrund des Urteils ist anzunehmen, dass Banken zukünftig nach erfolgreichen Einbrüchen von ihren Kunden zivilrechtlich belangt werden.
Dr. Moritz Beneke / Bennet Stau, wiss. Mitarbeiter
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/25
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