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    Zum unvermeidbaren Verbotsirrtum beim Betreiben unerlaubter Einlagengeschäfte – BGH erkennt Entlastung durch Fachanwaltsberatung an

    Der BGH hat mit Urteil vom 20. März 2025 (Az. III ZR 261/23) entschieden, dass sich ein Geschäftsführer bei der Gestaltung eines Kapitalanlageprodukts grundsätzlich auf die gewissenhafte Beratung eines spezialisierten Rechtsanwalts verlassen darf. Stellt sich im Nachhinein trotz anderweitigen Beratungsergebnisses eine Erlaubnispflicht des Anlagemodells heraus, kann die Beratung eine persönliche Haftung aufgrund eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann ausschließen, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde nicht miteinbezogen wurde. Das Urteil stärkt die Rechtsposition von Geschäftsleitern, die bei komplexen (aufsichts-)rechtlichen Fragen qualifizierten Rechtsrat einholen.

    Sachverhalt:

    Der Beklagte warb zunächst als Einzelkaufmann Kapital von Anlegern ein, um damit Immobilien zu erwerben. Die Rückführung sollte aus den Gewinnen erfolgen. Eine Erlaubnis der BaFin lag nicht vor. Nach Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen unerlaubter Einlagengeschäfte beauftragte der Beklagte einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht mit der Entwicklung eines erlaubnisfreien Anlagekonzepts auf Basis qualifizierter Nachrangdarlehen, in dessen Rahmen eine GmbH gegründet wurde, deren Geschäftsführer der Beklagte wurde. Die entworfenen Vertragsdokumente wurden in das laufende Ermittlungsverfahren einbezogen, woraufhin die Staatsanwaltschaft nach eigener Prüfung davon ausging, dass die mit der GmbH geschlossenen Verträge nicht erlaubnispflichtig waren. Nach Insolvenz der GmbH machte ein Anleger gegen den Beklagten persönlich Schadensersatzansprüche geltend. Die vereinbarten qualifizierten Rangrücktrittsklauseln seien intransparent und damit unwirksam gewesen, weshalb die Geschäfte nach dem Kreditwesengesetz (KWG) erlaubnispflichtig gewesen seien. LG und OLG gaben der Klage überwiegend statt. Der BGH hob das Urteil auf und wies die Klage ab.

    Wesentliche Entscheidungsgründe:

    Der BGH ließ offen, ob der Beklagte gegen die Erlaubnispflicht verstoßen hatte und deshalb den Anlegern persönlich hafte (§ 823 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] i.V.m. § 1 Absatz 1 Satz 1, § 32 Absatz 1, § 54 Absatz 1 Nr. 2 Absatz 2 KWG). Denn eine Haftung scheide jedenfalls dann aus, wenn dem Beklagten kein Verschulden vorgeworfen werden könne. Halte der Beklagten seine Geschäfte für zulässig und nicht erlaubnispflichtig, stelle dies einen strafrechtlichen Verbotsirrtum gem. § 17 Strafgesetzbuch (StGB) dar, der bei Unvermeidbarkeit zur Schuldlosigkeit führe. An die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums würden hohe Anforderungen gestellt. Im Zweifel treffe den Beklagten eine Erkundigungspflicht, wobei Auskunftsperson und erteilte Auskunft verlässlich sein müssten. Der Beklagte habe mit der Einschaltung eines Fachanwalts für Bank- und Kapitalmarktrecht zunächst das Erforderliche getan. Weiterhin müsse der Beklagte aber auch auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertraut haben dürfen. Wann dies der Fall sei, sei nicht pauschal zu beantworten, sondern bestimme sich nach dem Einzelfall. Ausgeschlossen sei aber jedenfalls die Berufung auf „Gefälligkeitsgutachten“ oder Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft seien. Vorliegend sei der Fachanwalt mit einer umfassenden Prüfung der Rechtslage beauftragt gewesen, die eine Erlaubnisfreiheit gerade vor dem Hintergrund des Strafverfahrens für die Zukunft herbeiführen sollte. Zusammen mit der Beteiligung des Rechtsanwalts am Ermittlungsverfahren, seinem nachgewiesenen Arbeitsaufwand und der Abstimmung des neuen Modells mit der Staatsanwaltschaft, könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte hätte die Erlaubnispflicht auch der neuen Vertragsgestaltung erkennen müssen. Vielmehr habe er sich durch das Ergebnis der Prüfung Staatsanwaltschaft als objektive Behörde bestärkt sehen dürfen. Zu einer weiteren Plausibilitätskontrolle habe er als juristischer Laie deshalb keinen Anlass gehabt. Die Einschaltung der BaFin sei für die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums dagegen nicht zwingend erforderlich gewesen. So könne die Einschaltung der zuständigen Aufsichtsbehörde zwar zusätzliche Sicherheit bringen, sei aber angesichts der fachanwaltlichen Beratung und insbesondere der Prüfung durch die Staatsanwaltschaft nicht erforderlich gewesen.

    Stellungnahme:

    Die Entscheidung verdient Zustimmung. Der BGH stellt fest, dass Geschäftsleiter, die sich bei komplexen regulatorischen Fragen von spezialisierten Anwälten beraten lassen, auch ohne Einschaltung der Aufsichtsbehörde nicht unbedingt schuldhaft handeln – selbst wenn sich die rechtliche Einschätzung im Nachhinein als unzutreffend erweisen sollte. Entscheidend ist vielmehr, dass eine qualifizierte und umfassende Rechtsberatung in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts stattgefunden hat. Untauglich sind dagegen reine „Gefälligkeitsgutachten für die Schublade“ oder erkennbar oberflächliche und mangelhafte Ausführungen. Geschäftsleiter müssen den Rechtsrat stets auf Plausibilität prüfen. Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit (die es hier nicht gab, da die Staatsanwaltschaft das Vertragskonstrukt abnickte) sind an die Plausibilisierung erhöhte Anforderungen zu stellen, sodass in solchen Fällen regelmäßig schriftliche Gutachten zu erstellen sind, die das Rechtsproblem umfassend beleuchten und bewerten (siehe dazu BGH, Urteil vom 20. September 2011 - II ZR 234/09 - ISION).

    Zu begrüßen ist auch die Klarstellung des BGH, dass eine Bestätigung der zuständigen Aufsichtsbehörde keine zwingende Voraussetzung für die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums ist. Das war hier aber nur deshalb unschädlich, da bereits die Staatsanwaltschaft das Vertragskonstrukt als rechtmäßig angesehen hatte. Abseits solcher Sonderfälle sollte eine vorherige Beteiligung der zuständigen Aufsichtsbehörde daher dringend angeraten.

    Die vom BGH aufgestellten Anforderungen dürften nicht nur für die Außenhaftung, sondern auch für die Haftung gegenüber der Gesellschaft gelten. Für die Praxis bedeutet das: Die sorgfältige Auswahl eines qualifizierten Rechtsberaters und die Dokumentation einer umfassenden und neutralen Beratung können ein wirksamer Schutz gegen straf- und haftungsrechtliche Risiken sein. Auch Aufsichtsräte sollten diese Rechtsprechung zum Anlass nehmen, die Beratungsdokumentation in Compliance-Fragen genau zu prüfen. Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit ist auf eine fundierte gutachterliche Klärung hinzuwirken – andernfalls kann die mangelnde Überwachung haftungsrelevant sein.

    Dr. Moritz Beneke / WissMit Philippe Keller

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/25

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