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    Bezahltes „Whitelisting“ bei „Adblock Plus“ ist wettbewerbswidrig

    Das Oberlandesgericht Köln hat zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des Internet-Werbeblockers „Adblock Plus“ entschieden, dass der Vertrieb der darauf gerichteten Programmsoftware wettbewerbswidrig ist, wenn die Werbung gegen Zahlung eines Entgelts nicht unterdrückt wird.

    Die Klägerin (Axel Springer AG) sah in dem Geschäftsmodell der Beklagten eine wettbewerbswidrige Behinderung. Durch deren Werbeblocker würden Inhalte der Website und die Werbung voneinander getrennt, was etwa mit dem Abreißen von Plakatwerbung vergleichbar sei. Die Klägerin sei aber zur Finanzierung des Medienangebots auf derartige Werbung angewiesen. Dies sei auch den Nutzern bekannt und werde von diesen stillschweigend gebilligt. Die Klägerin wendete sich ferner hilfsweise und insbesondere gegen die sog. Whitelist-Funktion. Werbewillige, wie Webseitenbetreiber, Betreiber von Affiliate-Netzwerken oder von Werbeseiten beauftragter Werbevermarkter, haben möglicherweise doppelte Vereinbarungen zu schließen und dabei auch doppelte Zahlungen zu leisten, nämlich zum einen durch die Buchung von Werberäumen im Zusammenhang mit redaktionellen Angeboten bei der Klägerin, zum anderen durch die Buchung einer Freischaltung dieses Werberaums als „akzeptabel“ in der Beziehung zur Beklagten.

    Das Landgericht hatte die Klage noch vollständig abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen die Begründungen der Urteile des Landgerichts München I vom 27.05.2015, Az.: 37 O 11673/14, sowie des Landgerichts Hamburg vom 21.04.2015, Az. 416 KO 159/14, welche gleichgelagerte Sachverhalte zum Gegenstand hatten, zu eigen gemacht.

    Die Entscheidung des OLG Köln führte zu einer teilweisen Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und einer Verurteilung gemäß dem hinsichtlich der Whitelist-Funktion gestellten Hilfsantrag der Klägerin.

    Soweit die Klägerin die sog. Blacklist-Funktion angegriffen habe, liege ein Verstoß gegen das Verbot der gezielten Behinderung nach §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG nicht vor. Es lasse sich weder vermuten, dass die Beklagte mit Schädigungsabsicht gegenüber der Klägerin handelte, noch ist das Angebot geeignet, die wettbewerbliche Entfaltung der Klägerin übermäßig zu beeinträchtigen. Insoweit entspräche die Konstellation im Ergebnis den Erwägungen des Bundesgerichtshofes im Fall Werbeblocker (BGH GRUR 2004, 878, 879). Solange eine Abwehrmaßnahme nicht vom Diensteanbieter aufgedrängt, sondern vom Nutzer selbst installiert oder zugelassen wird, fehle es an einer Behinderung.

    Soweit aber die Whitelist-Funktion angegriffen wurde, drang die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag durch und kann insoweit Unterlassung und Schadensersatz beanspruchen. Das OLG Köln sah hier eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG, die geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. § 4a Abs. 1 UWG verlangt zweierlei: Zum einen den Einsatz eines qualifizierten Einflussmittels, nämlich Belästigung, Nötigung oder sonstige unangemessene Einwirkung, und zum anderen die dadurch bewirkte erhebliche Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit eines Marktteilnehmers. Als Aggressionsmittel käme eine unzulässige Beeinflussung in Betracht. Darunter falle jede unangemessene Beeinflussung, aufgrund dessen der Unternehmer eine Machtposition gegenüber einem Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, ausübt. Diese Machtposition müsse nicht die kartellrechtlich relevante Schwelle der Marktbeherrschung oder relevanten Marktmacht im Sinne der §§ 18 f. GWB erreichen.

    Die technische Blockade der Werbung bewirkt eine erhebliche Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit werbewilliger Unternehmen, die der Sperre erst durch das Bezahlen des Whitelisting entgehen. Die betroffenen Unternehmen, die ohne Werbeblocker lediglich Werberaum bei Internetanbietern buchen müssen, würden durch die Kombination von Black- und Whitelist veranlasst, eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, die sie ohne die Blockade nicht benötigt hätten. Das OLG Köln ließ dabei den Einwand der Beklagten, dass die Vergütung für eine werthaltige Dienstleistung erfolge, nicht gelten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Vergütung allein für die akzeptable Gestaltung von Werbung gezahlt werde. Insbesondere wäre hierfür ein Blacklisting und somit auch ein Werbeblocker auch nicht erforderlich.

    Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht Köln hat die Revision zugelassen.

    Dr. Wolfgang Walchner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/16

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