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    BFH: Beendigung der unternehmerischen Betätigung des Veräußerers ist nicht Voraussetzung für eine nicht umsatzsteuerbare Veräußerung eines Teilvermögens - Geschäftsveräußerung im Ganzen

    Eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG erfordert nicht, dass der Veräußerer seine unternehmerischer Betätigung beendet. Maßgebend ist, dass der Erwerber eine fortführungsfähige Sachgesamtheit erwirbt und ein hinreichend ähnliches Unternehmen mittels des erworbenen Substrats auch tatsächlich fortführt.



    Klägerin war eine GmbH, die die Errichtung und Erhaltung sowie die Führung von Kliniken, insbesondere zur Behandlung von Gefäßerkrankungen sowie zur Durchführung von Laseroperationen, zum Gegenstand hatte. Im Streitjahr 2000 veräußerte die Klägerin ihren gesamten Bestand an technischen Anlagen und Maschinen, nicht aber einen Farbstofflaser und ein "EpiLight gepulstes Lichtsystem". Ferner gingen auf den Erwerber sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis der von der GmbH gemieteten Geschäftsräume sowie die Konzession zum Betrieb der Klinik über. Auch trat der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. In den Räumen der Veräußerin führte der Erwerber mit den erworbenen Wirtschaftsgütern und dem übernommenen Personal eine Klinik für Venenmedizin in der Rechtsform eines Einzelunternehmens fort. Die Veräußerin führte ihr Unternehmer an anderer Stelle fort. Strittig ist, ob die Fortführung des Unternehmens der Klägerin an anderer Stelle einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UmStG entgegensteht.



    Der BFH hat in seinem Urteil vom 29.08.2012, Az.: XI R 10/12, das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen trotz Fortführung des Unternehmens der Veräußerin an anderer Stelle bejaht. Entscheidend komme es darauf an, dass zum einen die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile hinreichen, um die Fortsetzung der bisher durch die Veräußerin ausgeübten Tätigkeit zu ermöglichen, und dass zum anderen der Erwerber beabsichtigt den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil weiterzuführen. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit (so auch EUGH-Urt. in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 44, BFH-Urt. v. 30.04.2009, V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl. II 2009, 863).



    Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sei es für die Geschäftsveräußerung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermögliche und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmten oder sich hinreichend ähneln würden. Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand sei hingegen nicht erforderlich (so auch BFH-Urt. v. 01.08.2002, V R 17/01, BFHE 200, 97, BStBl. II 2004, 626; v. 23.08.2007, V R 14/05, BFHE 219, 229, BStBl. II 2008, 165). Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit stehe es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändere oder modernisiere (BFH-Urt. in BFHE 226, 138, BStBl. II 2009, 863).



    Im Streitfall ergab sich die für die Bejahung einer Teilvermögensveräußerung erforderliche Sachgesamtheit aus der einheitlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, der Nachfolge in das bestehende Mietverhältnis für die Geschäftsräume sowie in weitere Dauerschuldverhältnisse, dem vereinbarten Übergang der Konzession zum Betrieb einer Klinik und des Übergangs der im Zeitpunkt der Übertragung bestehenden Arbeitsverhältnisse. Auch führte der Erwerber die Klinik auf dem Gebiet der Venenmedizin in den Geschäftsräumen fort.



    Wegen der unionsrechtlich vorzunehmenden Abgrenzung der begünstigten Teilvermögensveräußerung (s. Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG) in § 1 Abs. 1a UStG kommen im Übrigen die ertragssteuerlichen Definitionen zum Vorliegen eines Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG nicht in Betracht. Umsatzsteuerlich ist es unerheblich, dass ertragsteuerlich eine Teilbetriebsveräußerung nur angenommen wird, wenn der Veräußerer die bisher in diesem Teilbetrieb entfaltete Tätigkeit endgültig einstellt.



    Entscheidend ist also nach dem BFH für die Annahme einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG folglich nicht, was bei dem Veräußerer verbleibt oder wie dieser sich weiter verhält, sondern was auf den Erwerber übergeht und dass dieser den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil weiter betreibt. Maßgebend ist die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände im Einzelfall.



    Beraterhinweis: Dem Erwerber ist zu raten, zur Vermeidung einer Konkurrenzsituation vor Ort, ein (ggf. aufpreispflichtiges) Wettbewerbsverbot im Vertrag aufzunehmen. Denn auch in anderen Räumen und mit neu erworbenen Geräten kann der Veräußerer seine Tätigkeit weiter fortsetzen. Ob tatsächlich die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile hinreichend ist, um die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen und ob nicht doch wesentliche Betriebsgrundlagen vom Veräußerer für seine weitere Tätigkeit zurückbehalten worden sind, ist in jedem Fall genauestens zu prüfen. Auch empfiehlt sich vertraglich zu regeln, wer im Falle einer dann doch umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung die USt letztlich zu tragen hat.



    Dr. Dieter Rabback

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/13

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