Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    Bundesgerichtshof begrenzt Haftung bei Nutzung eines WLAN-Routers durch Gäste

    Der Bundesgerichtshof hat kürzlich die sog. „Störerhaftung“ bei der Nutzung des Internetanschlusses durch volljährige Mitbewohner einer Wohngemeinschaft und Gäste präzisiert.

    In dem BGH-Urteil (12.05.2016, Az.: I ZR 86/15, NJW 2017, 333) ging es um einen Fall, in dem Gäste des Inhabers des Internetanschlusses wiederholt Filme in einer Internettauschbörse zum Herunterladen verfügbar gemacht hatten. Die Gäste, eine volljährige Nichte des Inhabers des Internetanschlusses und ihr Lebensgefährte, leben in Australien. Der Rechteinhaber der Filme ließ einen Anwalt den Anschlussinhaber abmahnen. Dieser gab eine Unterlassungserklärung ab. Die Nichte und ihr Lebensgefährte räumten ein, dass sie gemeinschaftlich die Filme in der Tauschbörse verfügbar gemacht hatten. Mit seiner Klage verlangte der Rechteinhaber von dem Anschlussinhaber die Erstattung von Abmahnkosten (1.255,80 € nebst Zinsen). Nachfolgend wurde die Klage i.H.v. 500,00 € zurückgenommen.

    Das Amtsgericht Hamburg hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht verurteilte den Anschlussinhaber antragsgemäß, ließ aber die Revision zu. Die Revision des beklagten Anschlussinhabers hatte Erfolg.

    Die entscheidende Rechtsfrage hatte der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 08.01.2014, (Az.: I ZR 169/12 - "Bearshare") noch ausdrücklich offengelassen. Nach seiner neuen Entscheidung kann als Störer bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich oder adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei könne als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Die Störerhaftung dürfe aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die wieder Täter noch Teilnehmer sind. Daher setze die Haftung die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten voraus, insbesondere von Prüfpflichten. Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen eine Verhinderung der Handlung des Dritten, der die Verletzung begangen habe (wie hier die Gäste) zuzumuten sei, richte sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Dabei seien insbesondere Funktion und Aufgabenstellung des Anschlussinhabers zu berücksichtigen. Zugleich sei auch die Eigenverantwortung desjenigen in Blick zu nehmen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen habe – hier also der Gäste aus Australien.

    Das Landgericht hatte noch angenommen, der Anschlussinhaber müsse einen volljährigen Dritten, der nicht Familienangehöriger sei, belehren, bevor ihm der Internetanschluss überlassen werde. Der Bundesgerichtshof verwarf diese Sicht: Es sei dem Anschlussinhaber nicht zuzumuten, seine volljährige Nichte und ihren Lebensgefährten über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihnen die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen, wenn er keine konkreten Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung habe. Der Inhaber eines Internetanschlusses sei grundsätzlich nicht verpflichtet, in einer solchen Weise volljährige Mitglieder seiner Wohngemeinschaft oder seine volljährigen Gäste, denen er das Passwort für seinen Internetanschluss zur Verfügung stelle zu belehren.

    Der Bundesgerichtshof grenzt den nun entschiedenen Fall der volljährigen Gäste und Mitbewohner einer WG ab zu seinem Urteil vom 12.05.2010 (Az.: I ZR 121/08, "Sommer unseres Lebens"). In der Entscheidung aus dem Jahr 2010 ging es um die missbräuchliche Nutzung eines ungesicherten WLAN-Anschlusses durch Dritte. Die dortige Konstellation hält der Bundesgerichtshof für nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Die Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen folge im Fall eines ungesicherten WLAN-Anschlusses daraus, dass es regelmäßig im wohlverstandenen eigenen Interesse des Anschlussinhabers liege, seine Daten vor unberechtigten Zugang von außen zu schützen. Zudem gehe von einer unkontrollierten Eröffnung eines Zugangs zum Internet regelmäßig eine wesentlich größere Gefahr für Urheberrechtsverletzungen aus als von der Überlassung des Anschlusses zur Nutzung durch Gäste und Mitbewohner.

    Anders als Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern hätten Wohnungsinhaber grundsätzlich keine Aufsichtspflicht gegenüber ihren volljährigen Mitbewohnern und Gästen, die Grundlage einer Belehrungspflicht über die Gefahren der Nutzung von Internet-Tauschbörsen sein können. Wohnungsinhaber hätten unabhängig von einer familiären Beziehung gegenüber volljährigen Mitbewohnern und Gästen keine Belehrungspflicht. Eine solche sei regelmäßig unzumutbar. Die Überlassung eines Internetanschlusses zur Nutzung durch Mitbewohner oder Gäste sei dem Grunde nach nicht anders zu beurteilen als die Überlassung eines Telefonanschlusses, eines Kraftfahrzeuges oder einer Wohnung aus Gefälligkeit.

    Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die in der Bearshare-Entscheidung ausdrücklich offengelassene Lücke bei der Beurteilung der Störerhaftung durch die Nutzung des Internetanschlusses durch Mitglieder einer Wohngemeinschaft oder Gäste geschlossen. Diese Rechtsprechung wird die als theoretisch und konstruiert empfundene Störerhaftung im Hinblick auf die Lebenswirklichkeit weiter einschränken. In der Praxis wird sich die geänderte Rechtsprechung allerdings mutmaßlich nicht stark auswirken. Denn der Ausschluss der Störerhaftung gilt nur, wenn der Anschlussinhaber dem Rechteinhaber nachweist, wer in der Zeit der Verletzungshandlung tatsächlich den Internetanschluss genutzt hat. Die Haftung verlagert sich so von dem Anschlussinhaber auf den tatsächlichen Störer, der nach einer solchen Auskunft regelmäßig in Anspruch genommen werden wird.

    Dr. Wolfgang Walchner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/17

    Drucken | Teilen