Newsletter
Einbringung eines Einzelunternehmens in eine GmbH und die leidigen Entnahmen des Unternehmers im Rückwirkungszeitraum
Die Finanzverwaltung widersetzte sich der Rechtsprechung – Änderungen durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2024
Hintergrund und Problemstellung
Es ist eine in der Praxis häufig vorkommende Konstellation: Ein Einzelunternehmer möchte, z.B. aus Haftungsgründen, zukünftig sein Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft fortführen. Dies kann im Wege der Ausgliederung gemäß §§ 152 ff. Umwandlungsgesetz (UmwG) umgesetzt werden – sofern das Unternehmen bereits im Handelsregister eingetragen ist – oder durch eine Einbringung im Rahmen einer Sachgründung bzw. einer Bargründung mit Sachagio. Bei einer Ausgliederung nach dem UmwG erfolgt die Übertragung im Rahmen der sog. partiellen Gesamtrechtsnachfolge, das heißt, alle Aktiva und Passiva des Einzelunternehmens samt aller Vertragsbeziehungen gehen auf die neue Kapitalgesellschaft in einem einzigen Akt über. Bei der Sach- bzw. Bargründung mit Sachagio müssen dagegen alle Vermögenspositionen des Einzelunternehmens einzeln übertragen werden. Die Vertragsbeziehungen des Einzelunternehmens gehen – mit Ausnahme der Arbeitsverhältnisse (§ 613a BGB) – nur mit Zustimmung des Vertragspartners auf die Kapitalgesellschaft über.
Steuerlich liegt in beiden Fällen ein Fall des § 20 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) vor. Auf Antrag kann die Übertragung ertragsteuerlich bis zu acht Monaten rückwirkend zu Buchwerten eingebracht werden, soweit die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals die Aktivposten nicht übersteigen. Das hat den Vorteil, dass die Umwandlung ohne die Aufdeckung stiller Reserven oder ohne einen zu versteuernden Einbringungsgewinn erfolgen kann. Bei einer Einbringung mit Rückwirkung zu Buchwerten sind das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaf so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Hiervon ausgenommen werden indes Entnahmen und Einlagen, die nach dem steuerlichen (bis zu acht Monate zurückliegenden) Übertragungsstichtag erfolgen. Die Entnahmen und Einlagen führen nach § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG zu einer Korrektur der Anschaffungskosten der Anteile des Einbringenden.
Was passiert nun, wenn die Entnahmen im Rückwirkungszeitraum so hoch sind, dass das eingebrachte Betriebsvermögen dadurch im Rückwirkungszeitraum negativ wird? Der Fall ist insbesondere bei Dienstleistungsunternehmen ohne viel Betriebsvermögen nicht selten, zumal die Unternehmer in dem Rückwirkungszeitraum in aller Regel von den Entnahmen ihrer Unternehmen leben und ggf. noch private Darlehen tilgen müssen etc.
In dem früheren Umwandlungssteuererlass des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2011 hieß es hierzu unter Teilziffer 20.19, dass das eingebrachte Betriebsvermögen durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum nicht negativ werden darf. Wenn die Entnahmen zu hoch sind, sollen die Werte des eingebrachten Betriebsvermögens bilanziell aufgestockt werden, was einen zu versteuernden Einbringungsgewinn zur Folge hat.
Gegen diese Auffassung der Finanzverwaltung hat sich der Bundesfinanzhof schon in seinem Urteil vom 7. März 2018, I R 12/16, positioniert. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs führen diese „Überentnahmen“ im Rückwirkungszeitraum vielmehr zu negativen Anschaffungskosten beim einbringenden Unternehmen, was sich aber erst bei der Veräußerung oder Betriebsaufgabe negativ steuerlich auswirkt. Die Finanzgerichte folgten dem Bundesfinanzhof. So hatten sich z.B. die Finanzgerichte Münster und Berlin-Brandenburg der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs angeschlossen und die Auffassung der Finanzverwaltung als nicht mit dem Gesetz vereinbar angesehen.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 2018 wurde allerdings jahrelang nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Das bedeutet, dass für die Finanzverwaltung die Entscheidung nicht bindend war. Die Finanzverwaltung griff daher immer wieder trotz der entgegenstehenden Rechtsprechung derartige Fälle auf und verweigerte die Buchwertfortführung durch bilanzielle Aufstockung der eingebrachten Werte, in der Regel des Firmenwerts. Die Folgen können durchaus dramatisch sein: Denn der einbringende Unternehmer erzielt dadurch je nach Höhe der Entnahmen einen nicht unerheblichen Einbringungsgewinn, ohne dass ihm aber selbst liquide Mittel aus der Einbringung zufließen. Der (lediglich buchmäßig geschaffene) Einbringungsgewinn ist im Veranlagungszeitraum des steuerlichen Übertragungsstichtags mit dem jeweiligen Einkommensteuersatz zu versteuern. Folgte man dagegen der Rechtsprechung, erfolgt bis zur tatsächlichen Realisation, also z.B. dem Verkauf (§ 17 EStG) oder dem Wegzug (§ 6 AStG) keine Besteuerung und auch dann erst mit dem günstigeren Teileinkünfteverfahren.
Der Steuerpflichtige war also gezwungen, sich gegen die Aufstockung der Buchwerte vor dem Finanzgericht zu wehren. Da sich die steuerlichen Auswirkungen indes nicht bei der Gesellschaft zeigten, sondern bei dem einbringenden Gesellschafter, konnte mangels Beschwer nicht die Gesellschaft gegen den Körperschaftsteuerbescheid vorgehen. Einspruch und Klage musste vielmehr der Gesellschafter einlegen (sog. Drittanfechtung). Keinesfalls durfte die Aufstockung hingenommen werden. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung konnte sich der Gesellschafter nämlich nicht mehr gegen den entstandenen Einbringungsgewinn wehren. Für den steuerlichen Berater konnte dies zu einem Haftungsfall werden.
Änderung der Auffassung der Finanzverwaltung
Ende 2023 wurde von der obersten Finanzverwaltung, dem Bundesministerium der Finanzen, der Entwurf eines neuen Umwandlungssteuererlasses veröffentlicht. Dieser Entwurf ließ hoffen, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch von Seiten der Finanzverwaltung endlich akzeptiert wird und finanzgerichtliche Verfahren nicht mehr notwendig werden, da gemäß dem Entwurf die Teilziffer 20.19 in weiten Teilen gestrichen werden sollte. 2024 wurde dann auch tatsächlich das Urteil des BFH vom 7. März 2018 im Bundessteuerblatt veröffentlicht und somit bindend für die Finanzverwaltung.
Retoure des Gesetzgebers
Im (ersten) Jahressteuergesetzes 2024 war dann allerdings eine profiskalische Anpassung des § 20 Abs. 2 UmwStG enthalten. § 20 Abs. 2 UmwStG erhielt einen neuen Satz 5. Danach sind für die Ermittlung des eingebrachten Betriebsvermögens Entnahmen und Einlagen im Rückwirkungszeitraum zu beachten. Sobald das eingebrachte Betriebsvermögen negativ wird, wird der Buchwert des eingebrachten Vermögens aufgestockt, also entsprechend der alten Auffassung der Finanzverwaltung. Negative Anschaffungskosten gibt es somit nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr. Der inzwischen veröffentlichte neue Umwandlungssteuererlass 2025 wurde aufgrund der Gesetzesänderung gegenüber der Entwurfsfassung von Ende 2023 entsprechend (für die Einbringenden ungünstig) angepasst.
Rechtliche Bewertung und Ausblick
Verfassungsrechtlich bedenklich ist, dass diese Regelung rückwirkend auch für Einbringungen gilt, wenn der Umwandlungsbeschluss oder der Einbringungsvertrag nach dem 31. Dezember 2023 gefasst bzw. geschlossen wurde. Im Umkehrschluss folgt allerdings daraus, dass damit zumindest für „Altfälle“, die vor dem 1. Januar 2024 verwirklicht wurden, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von der Finanzverwaltung akzeptiert wird. Dies ergibt sich auch daraus, dass das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. März 2018, I R 12/16, nunmehr im Bundessteuerblatt veröffentlicht ist.
Insbesondere die echte Rückwirkung für bereits im Jahr 2024 abgeschlossene Vorgänge ist verfassungsrechtlich bedenklich. Die rückwirkende Umwandlung von Einzelunternehmen in Kapitalgesellschaftern wird durch die Neuregelung deutlich erschwert, insbesondere bei Unternehmen, bei denen der Inhaber auf die laufenden Entnahmen der erzielten Erträge angewiesen und deren Betriebsvermögen gering ist, wie bei vielen Dienstleistungsunternehmen. Bei der Planung einer Umwandlung von Einzelunternehmen in Kapitalgesellschaften sollte daher – wenn möglich – die Überentnahme im Rückwirkungszeitraum vermieden werden (z.B. durch eine hohe Entnahme vor dem Übertragungsstichtag) oder entsprechende Einlagen als Korrektur eingeplant werden. Hilfreich kann auch ein möglichst kurzer Rückwirkungszeitraum sein. Viele Detailfragen sind aber weiterhin ungeklärt.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/25
Drucken | Teilen