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    EuGH: Beteiligte eines Kartells können auch für Schäden haften, welche allgemein durch die Erhöhung der Marktpreise entstehen

    In einem kürzlich ergangenen Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass die Beteiligten eines Kartells grundsätzlich auch für den Schaden erstattungspflichtig sind, den die Marktteilnehmer dadurch erlitten haben, dass sie von nicht am Kartell beteiligten Unternehmen Produkte zu einem höheren Preis gekauft haben, als es der Marktlage ohne Kartell entsprochen hätte, weil diese Unternehmen im Windschatten des Kartells ihre Preise dem erhöhten Niveau angepasst hatten.

    Die Entscheidung erging auf das Gesuch des Obersten Gerichtshofs (Österreich). Die an dem streitgegenständlichen Kartell Beteiligten hatten versucht, mehr als die Hälfte des Marktvolumens in ganz Österreich für Neuanlagen zu koordinieren. Mindestens zwei Drittel des Marktvolumens sei zwischen den Kartellbeteiligten abgesprochen worden. Bei einem Drittel der Fälle seien entweder dritte Unternehmen (Kartellaußenseiter) zum Zuge gekommen oder einer der Kartellbeteiligten, der sich nicht an die vereinbarte Zuteilung gehalten habe, habe billiger angeboten. Das Verhalten der an dem fraglichen Kartell Beteiligten habe dazu geführt, dass sich die Marktpreise auch in den letzten Jahren vor 2004 kaum geändert hätten und ihre Marktanteile annähernd gleich geblieben seien.



    Nach der Rechtsprechung der österreichischen Gerichte müsse derjenige, der auf der Grundlage außervertraglicher Haftung Schadensersatz verlange, einen adäquaten Klauselzusammenhang und einen Rechtswidrigkeitszusammenhang nachweisen. Der Schädiger hafte in der Anwendung des Begriffs des adäquaten Kausalzusammenhangs für alle, auch zufällige Folgen, mit deren Möglichkeit er in abstracto zu rechnen habe, nicht aber für einen atypischen Erfolg.



    Nach dieser Rechtsprechung fehle es an der Adäquanz des Klauselzusammenhangs zwischen dem Kartell und einem Schaden des Abnehmers, wenn ein Kartellaußenseiter sich den "Preisschirmeffekt" zunutze mache, da es sich um einen mittelbaren Schaden handele. Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm komme es darauf an, ob die Norm, die der Schädiger verletzt hatte, gerade den Schutz der Interessen des Geschädigten bezwecke. Beim "umbrella pricing" sei der Rechtswidrigkeitszusammenhang daher zu verneinen.



    Die Frage, ob nach dem Unionsrecht hier Schadensersatz zu gewähren sei, werde, so der Oberste Gerichtshof, in der Literatur, sowohl in Österreich als auch in Deutschland kontrovers beantwortet. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts sei die Vorlagefrage von ausschlaggebender Bedeutung, weil zweifelhaft sei, ob der vom Gerichtshof postulierte Effektivgrundsatz gewährt werde, wenn ein Schadensersatzanspruch verneint wird. Der Oberste Gerichtshof hatte daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH vorzulegen.



    Mit Urteil vom 05.06.2014, Az.: C-557/12, hat der EuGH entschieden, dass Art. 101 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts entgegensteht, wonach es aus Rechtsgründen kategorisch ausgeschlossen ist, dass die an einem Kartell beteiligten Unternehmen zivilrechtlich für Schäden haften, die daraus resultieren, dass ein an diesem Kartell nicht beteiligtes Unternehmen in Anbetracht der Machenschaften des Kartells seine Preise höher festgesetzt hat, als es dies ohne dieses Kartell getan hätte. Ob diese Voraussetzungen im Einzelnen erfüllt sind, ist durch das vorliegende Gericht noch zu prüfen.



    Im Ergebnis ist festzustellen, dass durch diese Entscheidung das Risiko für Kartellverstöße weiter gestiegen ist. Neben der Gefahr der erheblichen Bußgelder haften die Beteiligten eines Kartells nicht nur für Schadensersatzansprüche von Abnehmern, aufgrund erhöhter Preise, sondern können auch für mittelbare Schäden in Anspruch genommen werden, die sich durch eine Erhöhung des Preisniveaus ergeben.



    Dr. W. Walchner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/14

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