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    Mutterschutz bei Organen von Gesellschaften: Arbeitsrecht beeinflusst Gesellschaftsrecht

    Obschon das deutsche Arbeitsrecht die GmbH-Geschäftsführer regelmäßig nicht als Arbeitnehmer behandelt (vgl. hierzu auch Newsletter 4/13), führen die arbeitsrechtlichen Vorschriften des europäischen Rechts und deren Umsetzung in deutsches Recht immer mehr zur partiellen Geltung von arbeitsrechtlichen Normen auch für Vertretungsorgane. Dies hat weitreichende Konsequenzen auch für das deutsche Gesellschafts- und Insolvenzrecht.



    Der EuGH hat in der Danosa-Entscheidung vom 11.11.2010, Az.: C 232/09, die Berufung weiblicher Gesellschaftsorgane auf den Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes auf der Grundlage des Art. 10 RL 92/85 EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz als möglich angesehen. Dabei ging es in dieser Entscheidung nicht um die Kündigung des Dienstvertrages mit dem schwangeren Gesellschaftsorgan als arbeitsrechtliche Maßnahme, sondern um die Abberufung aus dem Amt nach gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Das lettische Arbeitsgesetzbuch sieht das Verbot der Kündigung von Arbeitnehmerinnen während der Schwangerschaft vor. Das lettische Handelsgesetzbuch sieht hingegen die jederzeitige Abberufbarkeit des Geschäftsführers vor. Der EuGH hat den Konflikt dahingehend gelöst, dass er den Schutz der RL 92/85 EWG auf das Handelsrecht erstreckt hat.



    Diese Entscheidung kann weitreichende Konsequenzen auch für das deutsche Gesellschaftsrecht haben. Nach § 38 Abs. 1 GmbHG kann ein Geschäftsführer grundsätzlich jederzeit abberufen werden. Nach der Danosa-Entscheidung soll die Abberufung einer schwangeren Fremdgeschäftsführerin nicht möglich sein, wenn der Grund der Abberufung wesentlich auf der Schwangerschaft der Geschäftsführerin beruht (vgl. Kruse/Stenslik NZA 2013, 596 ff; Oberthür, NZA 2011, 253 ff.). Diese Rechtsfolge wird in der deutschen Literatur als verfehlt kritisiert, da die Vertretung der Gesellschaft auf jeden Fall sichergestellt sein muss (vgl. Baumbach/Hüeck, GmbHG, § 38, RZ.6 und 6a). Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 38 GmbHG stellt sich in der Praxis die Frage, was mit den Organpflichten der geschützten Geschäftsführerin passiert.



    Die Organpflichten bleiben insgesamt bestehen, wenn die Geschäftsführerin sich entscheidet, ihre Geschäftsführertätigkeit in dieser Zeit uneingeschränkt aufrecht zu erhalten. Entscheidet sich die Geschäftsführerin, nur zeitlich eingeschränkt zur Verfügung zu stehen, dann ist als Ausprägung ihrer Treuepflicht von ihr zu erwarten, dass sie für die Erledigung der wesentlichen Aufgaben ihrer Organstellung Sorge trägt, indem sie diese selbst erledigt oder durch Dritte erledigen lässt. Steht die Geschäftsführerin aus Gründen des Mutterschutzes vorübergehend überhaupt nicht zur Verfügung, soll nach der Literatur (Kruse/Stenslik a.a.O) mit der Geschäftsführerin in Anlehnung an die Fälle eines gerichtlichen Tätigkeitsverbotes für diese Zeit ein Ruhen der Organrechte und -pflichten vereinbaren mit der Folge, dass das Amt nicht erlischt. Die Beteiligten können für diesen Zeitraum die Löschung im Handelsregister herbeiführen. Zum späteren Zeitpunkt würde dann eine erneute Eintragung ins Handelsregister vorgenommen, ohne dass eine neue Bestellung erforderlich wäre. In diesem Zusammenhang darf auch § 15 Abs. 3 HGB nicht außer Acht bleiben, der das Vertrauen auf die Richtigkeit des Handelsregisters schützt. Das Registergericht ist - auch aus Amtshaftungsgrundsätzen - verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Umstände, die der tatsächlichen Rechtslage nicht entsprechen, nicht Aufnahme in das Handelsregister und in amtlicher Hilfe öffentliche Verbreitung finden.



    Die Unkündbarkeit der Geschäftsführerin hat auch insolvenzrechtliche Konsequenzen. Denn auch während des Mutterschutzes ist die Geschäftsführerin nach wie vor verpflichtet, einen eventuellen Insolvenzantrag zu stellen. Der Verstoß gegen die Antragspflicht kann allerdings dann nicht zum Schadensersatz führen, wenn die Geschäftsführerin nicht mal fahrlässig wegen ihrer Abwesenheit über den Stand der Gesellschaft informiert war. Das wäre aber bereits dann nicht der Fall, wenn sie im Zeitpunkt des Ausscheidens Zeichen der Krise übersehen hat.



    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 8/13

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