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    Vermutung für die Ursache eines in den ersten sechs Monaten auftretenden Mangels zu Lasten des Verkäufers

    Mit seinem Urteil vom 12.10.2016, Az.: VIII ZR 103/15, hat der BGH die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels und seine Ursache zu Gunsten des Verbrauchers verschoben.

    Der Kläger hatte von der Beklagte, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen gebrauchten BMW 528 Touring erworben. Nach knapp fünf Monaten und einer vom Kläger absolvierten Laufleistung von 13.000 Km schaltete die im Fahrzeug eingebaute Automatik in der Stellung „D“ nicht mehr selbständig in den Leerlauf, stattdessen starb der Motor ab, so dass ein Anfahren oder Rückwärtsfahren bei Steigungen nicht möglich war. Nach erfolgter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück und verlangte Rückzahlung des Kaufpreises und Schadenersatz.

    Landgericht und Oberlandgericht haben die Klage abgewiesen, weil nach ihrer Auffassung dem Kläger der Beweis nicht gelungen war, dass bereits bei Übergabe des Fahrzeuges ein Sachmangel vorgelegen habe. Zwar sei es grundsätzlich möglich, dass der Schaden auf eine bereits bei Übergabe vorhandene Schädigung des Drehmomentwandlers zurückzuführen sei. Allerdings komme auch ein Bedienungsfehler des Klägers bei Übergabe in Betracht. In einem solchen Fall könne der Kläger sich nicht auf die zu Gunsten des Verbrauchers eingreifende Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH stellte § 476 BGB lediglich eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung auf, dass ein innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang auftretender Sachmangel bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe. Diese Vermutung gelte jedoch nicht für die Frage, ob überhaupt ein Mangel - oder ein Bedienungsfehler - vorliege.

    Mit dem Urteil vom 12.10.2016 hat der BGH unter Berücksichtigung des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 04.07.2015, Az.: C 497/13 - Faber ./. Autobedrijf Hazet Ochten BV, im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung gem. Art. 5 Abs. 3 der Verkaufsgüterrichtlinie ausgelegt und die Beweislastumkehr zu Gunsten des Verbrauchers deutlich erweitert.

    Danach muss der Verbraucher künftig nur noch den Beweis erbringen, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) gezeigt hat, der - unterstellt, die Ursache läge in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - die Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Er muss künftig weder die Ursache der Mängelerscheinung nachweisen, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt. Ebenfalls muss er nicht mehr darlegen, dass der mangelhafte Zustand zumindest schon im Ansatz bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Der Käufer muss damit nicht mehr den Nachweis erbringen, dass ein erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem - bereits bei Gefahrübergang - vorhandenen latenten Mangel hatte.

    Die Entscheidung des BGH hat über den Bereich des Gebrauchtwagenhandels weitreichende Folgen, für alle Bereiche des Verbrauchsgüterkaufs. Künftig hat der Verkäufer den Nachweis zu erbringen, dass die gesetzliche Vermutung, dass bei einem binnen sechs Monate nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustand zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges ein in der Entstehung begriffener Sachmangel vorgelegen habe, nicht zutrifft. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB ein, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelbehaftet war, auch wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder dem Zeitpunkt ihres Auftretens offen geblieben ist. Dies gilt nur ausnahmsweise dann nicht, wenn die Vermutung mit der Art der Sache und des Mangels unvereinbar ist (z. B. durchgelaufene Schuhsolen).

    Allerdings kann der Käufer im Einzelfall gehalten sein, Angaben zu seinem Umgang mit der Sache nach dem Gefahrübergang zu machen (sog. sekundäre Darlegungslast).

    Herbert Krumscheid

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 10/16

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