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    „Beteiligungstransparenz oder Dividende zurück“ - BGH klärt Zweifelsfragen zu § 20 AktG

    Auch für Beteiligungen an nicht börsennotierten Aktiengesellschaften gelten Mitteilungspflichten, die nicht selten übersehen werden. Folge der Pflichtverletzung ist ein Rechtsverlust, der sich grundsätzlich auch auf das Dividendenbezugsrecht erstreckt. Eine neue Entscheidung des BGH bietet der Praxis wichtige Leitlinien.

    Die Meldepflichten des § 20 AktG gelten nur für Aktionäre, die „Unternehmen“ sind, die also anders als reine Privataktionäre noch über eine anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung verfügen - z.B. eine maßgebliche Beteiligung an einer anderen Gesellschaft. Sobald solchen Aktionären mehr als der vierte Teil der Aktien (§ 20 Abs. 1 AktG) bzw. eine Mehrheitsbeteiligung (§ 20 Abs. 4 AktG) an einer Aktiengesellschaft gehört, müssen Sie dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitteilen. Meldepflichtig ist bei Unternehmensgruppen nicht nur das Unternehmen, dem die Aktien unmittelbar gehören, sondern auch die es beherrschenden weiteren Unternehmen in der Beteiligungskette. Solange eine nach § 20 Abs. 1, 4 AktG erforderliche Mitteilung unterbleibt, bestehen für diesen Zeitraum keine Rechte aus den betreffenden Aktien (§ 20 Abs. 7 AktG). Dies gilt grundsätzlich auch für das Dividendenbezugsrecht mit der Folge, dass die Gesellschaft gleichwohl gezahlte Dividenden nach § 62 Abs. 1 AktG zurückfordern kann - es sei denn, die Mitteilung wurde nicht vorsätzlich unterlassen und ist nachgeholt worden (§ 20 Abs. 7 S. 2 AktG).

    In seiner Entscheidung vom 5. April 2016 (II ZR 268/14) bestätigt und ergänzt der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung insoweit hinsichtlich einer Reihe von Einzelfragen.

    In Bezug auf die Entstehung der Mitteilungspflicht hält der BGH in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Auffassung in der Literatur zunächst fest, dass diese auch für den Alleinaktionär einer Aktiengesellschaft gilt. Die Mitteilungspflicht entfalle auch nicht dadurch, dass der Alleinaktionär von anderen Unternehmen beherrscht werde, die aufgrund der Zurechnung der Aktien des abhängigen Unternehmens ihrerseits mitteilungspflichtig sind.

    Hinsichtlich der Anforderungen an die Erfüllung der Mitteilungspflicht verfolgt der BGH einen relativ strengen Maßstab und betont dabei den Normzweck, Aktionäre, Gläubiger und die Öffentlichkeit über bestehende oder entstehende Konzernbildung zu informieren und zugleich Rechtssicherheit über die Beteiligungsquoten zu schaffen. Auf die Einhaltung der Mitteilungspflichten könne daher auch dann nicht verzichtet werden, wenn die meldepflichtige Beteiligung der Gesellschaft schon bekannt ist - denn erst bei einer schriftlicher Mitteilung der Beteiligungen ist die Gesellschaft gemäß § 20 Abs. 6 AktG auch dazu verpflichtet, sie in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen.

    Vor diesem Hintergrund genüge der Aktionär seiner Mitteilungspflicht grundsätzlich nur dann, wenn die Gesellschaft nicht korrigierend eingreifen muss, sondern vielmehr die Beteiligung und deren Inhaber - so wie sie ihr mitgeteilt worden sind - bekannt machen kann, ohne dass in der Öffentlichkeit Zweifel entstehen, welche Art der Beteiligung gemeint und wem sie zuzurechnen ist. Mitteilungen eines Dritten, der nicht erkennbar im Auftrag des Mitteilungspflichtigen handelt, genügen demgegenüber grundsätzlich nicht. Genauso wenig reicht es aus, wenn der Mitteilungspflichtige der Gesellschaft Unterlagen übermittelt, die nach Form und Inhalt nicht darauf ausgerichtet sind, vom Vorstand der Aktiengesellschaft als Mitteilung im Sinne von § 20 AktG erfasst zu werden. Nicht ausreichend ist es daher z.B., wenn lediglich ein Aktienkaufvertrag übersandt wird, weil die Aktien der Gesellschaft vinkuliert sind und die Übertragung der Zustimmung der Gesellschaft bedarf. In derartigen Fällen scheitert eine Erfüllung der Mitteilungspflicht im Übrigen auch daran, dass die Übertragung noch überhaupt nicht stattgefunden hat; Mitteilungen, die vor dem Erwerb der Beteiligung stattfinden, sind nach Auffassung des BGH zu Erfüllung der Mitteilungspflicht nach Wortlaut und Zweck des Gesetzes aber grundsätzlich ungeeignet.

    Hat ein Unternehmen seine Mitteilungspflichten verletzt und deswegen zu Unrecht eine Dividende bezogen, führt dies nicht automatisch zu einer Rückzahlungspflicht. Vielmehr setzt § 62 Abs. 1 AktG als einschlägige Anspruchsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch tatbestandlich voraus, dass das Unternehmen um seine mangelnde Bezugsberechtigung wusste oder sie zumindest fahrlässig verkannt hat. Für die Frage, welche Sorgfaltsanforderungen dem Aktionär insoweit abzuverlangen sind, knüpft der BGH an die im Anwendungsbereich des § 62 Abs. 1 AktG anerkannte Unterscheidung zwischen Kleinaktionären und geschäftserfahrenen Großaktionären an. Letzteres wird der Regelfall sein, soweit über § 62 Abs. 1 AktG die Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 20 Abs. 1, 4 AktG sanktioniert wird. Da sich das betroffene Unternehmen zumeist nicht darauf berufen können wird, dass es die tatsächlichen Vorgänge, aus denen sich die Verletzung der Mitteilungspflicht ergibt, weder kannte noch kennen musste, bleibt im Regelfall allenfalls die Berufung auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum, an den aber gleichfalls hohe Anforderungen zu stellen sind. Der BGH hält insoweit fest, dass insbesondere die Auszahlung der Dividenden durch die Gesellschaft des mitteilungspflichtig Unternehmen nicht von einer eigenen Prüfung seiner Bezugsberechtigung enthebt, die von der ordnungsgemäßen Erfüllung der Mitteilungspflichten nach § 20 AktG abhängig ist.

    Damit wird es für den Mitteilungspflichtigen in der Praxis als letzten Rettungsanker regelmäßig auf die Voraussetzungen von § 20 Abs. 7 S. 2 AktG ankommen. Die Beweislast dafür, dass die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde, liegt, wie der BGH betont, beim Mitteilungspflichtigen. Da bedingter Vorsatz genüge, sei der erforderliche Entlastungsbeweis z.B. auch dann nicht geführt, wenn nicht auszuschließen sei, dass der Mitteilungspflichtige eine Verletzung von Mitteilungspflichten billigend in Kauf genommen hat, weil er als alleiniger Aktionär den Eintritt nachteiliger Folgen nicht ernsthaft in Betracht zog. Überdies müsse die Gutgläubigkeit nicht nur im Anschluss an den meldepflichtigen Beteiligungserwerb, sondern auch für den gesamten nachfolgenden Zeitraum bis zur Nachholung der Mitteilung dargelegt werden.

    Die letzte wichtige Facette des Urteils findet sich in den „Segelanweisungen“ an die Vorinstanz, an die der BGH den Rechtsstreit zurückverweist. Dabei geht es um den Fall, dass weitere Unternehmen in der Beteiligungskette, die die unmittelbare Halterin des Aktienpakets beherrschen, ihren Mitteilungspflichten nicht nachgekommen sind, was nach § 20 Abs. 7 S. 1 AktG einen Rechtsverlust auch für das abhängige Unternehmen zur Folge hat. Für die Frage, ob sich das abhängige Unternehmen gegen den Rückforderungsanspruch aus § 62 Abs. 1 AktG damit verteidigen kann, es sei hinsichtlich seiner mangelnden Gewinnbezugsberechtigung gutgläubig gewesen, gibt der BGH dabei eine restriktive Marschrichtung vor. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden liege es nahe, dem abhängigen Unternehmen die Kenntnisse und Kenntnisnahmemöglichkeiten der herrschenden Unternehmen zuzurechnen. Andernfalls könnte die Sanktion des § 20 Abs. 7 S. 1 AktG selbst in den Fällen leerlaufen, in denen das herrschende Unternehmen den eigenen Verstoß gegen die Mitteilungspflichten kannte oder kennen musste.

    Dr. Sebastian Schödel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 10/16

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