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    Auch mittelbare verdeckte AR-Vergütung unzulässig

    Wie im letzten Newsletter angekündigt (unzulässige verdeckte Aufsichtsratsvergütung bei bloßer Geschäftsführerstellung beim Vertragspartner, Newsletter 10/21), folgt hier die Besprechung des weiteren aktuellen Urteils des BGH zur verdeckten Aufsichtsratsvergütung: Am 22.06.2021 befand der BGH einen Beratungsvertrag über Angelegenheiten der AG, die schon zum Aufgabenbereich eines Aufsichtsratsmitglieds gehören, für nichtig, obgleich die Vertragspartner nicht das Aufsichtsratsmitglied und die AG waren, sondern zwei Drittunternehmen (II ZR 225/20). Damit festigte und erweiterte der BGH seine ständige Rechtsprechung zur unzulässigen verdeckten Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern. Umgehungsabsichten der Beteiligten sind irrelevant.

    Der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt umfasste eine Kette von zwei Verträgen: Eine Gesellschaft A (die soweit ersichtlich tatsächlich außenstehend war) betreute die AG bei Kapitalmaßnahmen. Sie schloss mit einer GmbH B, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer das Aufsichtsratsmitglied war, einen Vertrag zur Beratung in Angelegenheiten der AG. Die B sollte die A im Hinblick auf alle kapitalmarktrelevanten Aktivitäten der AG beraten, insbesondere einer beabsichtigten Kapitalerhöhung sowie der Strukturierung von Beteiligungsmodellen für Investorenprojekte. B erbrachte die Leistungen ordentlich. Die AG zahlte der A das nach deren Vertrag entstandene Honorar und die A vergütete vertragsgemäß die B. Die Parteien stritten später darüber, ob die B die Vergütung an die AG zurückzahlen muss. Das zugrundeliegende Konstrukt lässt sich als „mittelbare verdeckte Aufsichtsratsvergütung“ beschreiben: Denn das AR-Mitglied war ja bloß Alleingesellschafter-Geschäftsführer eines Unternehmens, welches selbst keinerlei vertragliche Beziehungen zur AG hatte und keine Vergütung von der AG bezog. Die AG zahlte an die Gesellschaft A.

    Hier stellte sich die Frage, ob eine solche Konstellation dem Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats der AG unterliegt und bei dessen Fehlen der Vertrag unwirksam ist oder ob das Konstrukt per se nichtig und nicht genehmigungsfähig ist. Hintergrund der Entscheidung ist § 113 AktG. Danach entscheidet über die Aufsichtsratsvergütung allein die Hauptversammlung, entweder durch HV-Beschluss oder in der Satzung. Landgericht und Oberlandesgericht Frankfurt waren der Auffassung, dass diese Kompetenz nicht tangiert sei, denn die Vergütung leistete ja die A an B; die hatte aber überhaupt keine vertragliche Beziehung zur AG. Ein zweites Argument erschien dem OLG Frankfurt einschlägig: Was die B nach dem Vertrag zu leisten hatte, sei schon keine „Tätigkeit höherer Art“ außerhalb der AR-Tätigkeit. Verträge für solche Tätigkeiten außerhalb der eigentlichen AR-Aufgaben kann der AR nach § 114 AktG genehmigen.

    Der BGH ließ entgegen dem Oberlandesgericht zu und verwarf im Revisionsurteil beide Begründungen der Frankfurter Justiz:

    Ohne Umschweife bekräftigte der BGH zunächst den alten Grundsatz, dass das Verbot der Vergütung außerhalb der Festlegung durch die Hauptversammlung auch einschlägig sein kann, wenn die AG nicht mit dem AR-Mitglied selbst den Vertrag schließt, sondern mit einem Unternehmen, dessen Alleingesellschafter-Geschäftsführer das AR-Mitglied ist. Dies ist ein Fall des unmittelbaren Tätigwerdens des AR-Mitglieds für die AG mit der Folge, dass der Vertrag jedenfalls nur wirksam sein kann, wenn der Aufsichtsrat ihm zustimmt. Auch die nächste Klippe nimmt der BGH ohne Wenn und Aber: Das Zwischenschalten der weiteren Gesellschaft (A) und das – wenn man so will – bloß mittelbare Tätigwerden des AR-Mitglieds für die AG ändert nichts an dem AR-Vorbehalt für die Zustimmung zur Vertragsbeziehung. Der (Sub-) Beratungsvertrag zwischen dem Vertragspartner der AG und dem Unternehmen, dessen Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer das AR-Mitglied ist, erfordert zu seiner Wirksamkeit jedenfalls der Zustimmung des AR. Nach dem BGH mache es „keinen Unterschied, ob eine ungerechtfertigte Sonderleistung unmittelbar oder nur mittelbar über ein von der Aktiengesellschaft mit Beratungsleistungen beauftragtes Drittunternehmen an ein dem Aufsichtsratsmitglied zuzurechnendes Beratungsunternehmen und damit wiederum mittelbar an das Aufsichtsratsmitglied fließt“, denn aus der Sicht der AG bestehe dieselbe Gefahrenlage. Irrelevant sei, dass das AR-Mitglied zur zwischengeschalteten Gesellschaft (A) keine über den einzelnen Beratungsvertrag hinausgehenden Beziehungen habe und dass die Vergütung des AR-Mitglieds nicht mit der von der AG an die zwischengeschaltete Gesellschaft gezahlten übereinstimme, also Gelder nicht bloß durchgereicht würden. Relevant sei allein eine objektive Gefahrenlage; subjektive Beweggründe (z.B. eine bewusste Umgehung) müssen nach dem BGB außer Betracht bleiben. Denn auch in solchen mittelbaren Konstellationen bestehe die Gefahr, der das Gesetz begegnen wolle: AR-Mitglieder dürfen außerhalb der Festlegung durch die HV keine Vergütung für Tätigkeiten erhalten, die von der zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gehörenden Beratungspflicht umfasst sind. Vermieden werden müsse im Interesse der AG eine „Selbstbedienung der AR-Mitglieder“ sowie die „Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds durch die mittelbare Gewährung einer Sondervergütung“. Für beides sei unbeachtlich, dass ein weiteres Unternehmen zwischengeschaltet sei. Denn so entziehe es sich der Kontrolle der AG, welche Vergütung tatsächlich das AR-Mitglied erhalte. Vor allem werde die Gefährdung der Interessen der AG durch das zwischengeschaltete Unternehmen sogar noch verstärkt. Denn die „Erkennbarkeit und damit die Möglichkeit der Kontrolle“ würden erschwert.

    Eine klare Absage erteilt der BGH auch der Sicht des Oberlandesgerichts, die der Gesellschaft des AR-Mitglieds obliegenden Aufgaben seien keine Tätigkeiten „höherer Art“. Was der GmbH an Aufgaben übertragen worden ist, unterfalle bereits den Pflichten, die das AR-Mandat erfasse. Die allgemeine Beratung betriebswirtschaftlicher Art zähle ebenso zu den Pflichten eines AR-Mitglieds wie die Beratung des Vorstands im Bereich der Unternehmenspolitik. Das führe zur Nichtigkeit des Vertrags. Verträge über solche Leistungen sind nicht genehmigungsfähig. Interessant ist eine Seitenbemerkung des BGH: Soweit die AG zulässig einem AR-Mitglied einzelne Pflichten außerhalb seiner AR-Aufgaben übertrage, erfordere das eine klare vertragliche Abgrenzung. Fehlt diese, sei die gesamte Vereinbarung nichtig.

    Rechtsfolge der Nichtigkeit ist, dass sowohl die beiden Gesellschaften (A und B) als auch das AR-Mitglied persönlich zur Rückgewähr verpflichtet sind.

    Die Entscheidung festigt die Praxis der extensiven Auslegung des Verbots der AR-Vergütung außerhalb der Festlegung durch die Hauptversammlung. Besteht auch nur eine geringe Gefahr für die Unabhängigkeit der AR-Tätigkeit oder des Verfolgens von Sondervorteilen, ist die Vergütung verboten. Es genügt die abstrakte Gefahr. Ab welcher Schwelle der BGH keine Gefahr mehr sieht, ist noch nicht definitiv ausgelotet. Im Zweifel werden gut beratene AR-Mitglieder Vereinbarungen mit der AG neben ihrem AR-Mandat ablehnen. Auch die Zustimmung des Aufsichtsrats genügt häufig nicht. Denn der BGH legt recht weit aus, was alles zu den Aufgaben des AR gehört. Mit allem Recht. In diesem Bereich sind Verträge mit AR-Mitgliedern in jedem Falle nichtig. Das gilt auch für Umgehungskonstruktionen.

    Dr. Thomas Heidel

    Philipp Trapp, wissMit.

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 11/21

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