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BAG: Erneut zur Zustellung einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben
Ein Kündigungsschreiben, das per „Einwurf-Einschreiben“ übersendet wird, gilt als zugestellt, sobald das Einschreiben in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt. Die bloße Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurf-Einschreibens sowie seines Sendungsverlaufs begründen jedoch für sich allein genommen keinen Anscheinsbeweis für einen Zugang der eingelieferten Postsendung beim Empfänger.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 30.01.2025, 2 AZR 68/24, bestätigt damit die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2023, 15 Sa 20/23, und führt seine Rechtsprechung, zuletzt vom 20.06.2024, 2 AZR 213/23 (s. Newsletter 5/24), fort. Unter Berufung auf die zivilrechtliche Rechtsprechung (BGH vom 19.05.2022, V ZB 66/21, und vom 21.01.2009, VIII ZR 107/08) stellt das Bundesarbeitsgericht damit erneut fest, dass eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden zugeht, sobald sie in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist. Die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang des Kündigungsschreibens trägt der kündigende Arbeitgeber. Ein Anscheinsbeweis zugunsten des Arbeitgebers bestand im streitgegenständlichen Fall nicht, da der Einlieferungsbeleg und der Sendungsstatus keinen ausreichenden Nachweis für den Zugang darstellten.
Das Bundesarbeitsgericht stellt in diesem Zusammenhang fest, dass allein der Nachweis der Absendung eines Schreibens nicht geeignet ist, auch dessen Zugang beim Adressaten zu beweisen. Der Einlieferungsbeleg ist für die Frage des Zugangs also ohne Bedeutung (vgl. auch BGH 27.09.2016, II ZR 299/15). Auch der Ausdruck des Sendungsstatus, auf dem die gleiche Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg sowie das Zustelldatum vermerkt sind, biete keine hinreichende Gewähr für den Zugang. Denn der Sendungsstatus allein lässt weder erkennen, an wen die Zustellung erfolgen soll (persönlich an den Empfänger, an eine andere Person seines Haushalts oder durch Einwurf in den Hausbriefkasten), noch zu welcher Zeit, an welcher Adresse oder zumindest in welchem Zustellbezirk. Würde ein solcher Sendungsstatus, der auch die Person des Zustellers in keiner Weise erkennen lässt, für einen Anscheinsbeweis ausreichen, hätte der vermeintliche Empfänger der Sendung – anders als beim Einwurf eines Schreibens in den Hausbriefkasten durch einen Boten – praktisch keine Möglichkeit, den Anscheinsbeweis zu erschüttern oder gar den Gegenbeweis zu führen.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist keine Überraschung. Der kündigende Arbeitgeber muss den Zugang des Kündigungsschreibens beweisen, und zwar lückenlos. Der Einwurf in den Briefkasten ist der letzte Schritt, aber auch dieser muss ordnungsgemäß dokumentiert werden. Dieser Nachweis kann bei Zustellung durch einen Boten durch eine Zeugenaussage des Boten und bei Einwurf-Einschreiben durch eine Kopie des Auslieferungsbelegs erfolgen, da nur er – anders als der Einlieferungsbeleg – mit den Angaben über die Person des den Einwurf bewirkenden Postbediensteten sowie über weitere Einzelheiten der Zustellung einen Anscheinsbeweis dafür erbringt, dass ein Brief bei dem Empfänger angekommen ist.
Sehr einprägsam sind folgende Ausführungen des Gerichts: „.... hatte die Beklagte als Absenderin die Möglichkeit, die Reproduktion eines Auslieferungsbelegs zu verlangen. Hierzu bestand innerhalb der von ihr angegebenen Frist von 15 Monaten, in der die Deutsche Post AG die Kopien aufbewahrt, auch hinreichende Veranlassung, nachdem die Klägerin bereits erstinstanzlich den Zugang des Kündigungsschreibens bestritten hatte und ausweislich des angefochtenen Berufungsurteils im Urteil des Arbeitsgerichts auf die Entscheidung des BGH vom 27.09.2016 (II ZR 299/15, BGHZ 212, 104 Rn. 33 = NJW 2017, 68) Bezug genommen wurde.“ Der verklagte Arbeitgeber hatte 15 Monate Zeit, die Reproduktion des Auslieferungsbelegs zu besorgen. Dieser Zeitraum wird in der Regel dem verklagten Arbeitgeber ausreichen. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber diese Reproduktion tatsächlich einholt, sobald der Zugang bestritten wurde oder in Frage gestellt wird.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/25
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