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    Dauerbrenner: Rechtswegzuständigkeit der Zivilgerichte bei Fremdgeschäftsführern

    Ein Fremdgeschäftsführer einer GmbH wird in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Der Fremdgeschäftsführer ist auch keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person.

    Die Parteien des hier referierten Rechtsstreits streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen und in der Hauptsache über die Wirksamkeit einer von der beklagten GmbH ausgesprochenen fristlosen Kündigung. Die Klägerin, eine schwerbehinderte Fremdgeschäftsführerin, war auf der Grundlage eines üblichen Geschäftsführervertrages tätig. Nach Erhalt einer außerordentlichen Kündigung klagte sie vor dem Arbeitsgericht Lörrach und begründete dessen Zuständigkeit u.a. damit, dass die beklagte GmbH nach dem Anstellungsvertrag berechtigt sei, ihr auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen zu erteilen. Die Gesellschafter hätten auf den Inhalt der von ihr vorzubereitenden Präsentationen und Tischvorlagen einen so großen Einfluss genommen, dass ihr selbst kein Ermessensspielraum mehr zugestanden habe. Sie vertrat deshalb die Rechtsauffassung, dass sie in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu stehe, was zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte führe. In der Sache sei die fristlose Kündigung nicht nur unwirksam, weil es an einem wichtigen Grund fehle, sondern auch wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamts. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 21.01.2019, Az.: 9 AZB 23/18) hat im Gegensatz zu den Vorinstanzen den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für nicht eröffnet gesehen.

    Eingangs stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle. Deshalb sei für die Auslegung des § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG (Arbeitsgerichtgesetz) das nationale Recht zugrundezulegen.

    Für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte reiche nicht die bloße Behauptung der Klägerin aus, das Vertragsverhältnis der Parteien sei als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Ein sog. „sic non“-Fall („wenn nicht“-Fall) liege vor, wenn die Klage nur dann begründet sein kann, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamer Beendigung der Organstellung als solches fortbestand oder wieder auflebte. Im streitgegenständlichen Fall greife die Klägerin die außerordentliche Kündigung unabhängig davon an, ob das zugrunde legende Vertragsverhältnis als Arbeitsvertrag oder freies Dienstverhältnis zu qualifizieren sei. Für die Wirksamkeit der Kündigung eines freien Dienstverhältnisses sei ein wichtiger Grund nach § 626 BGB erforderlich, so dass die Klägerin mit der Klage auch unabhängig vom Fehlen einer vorherigen Zustimmung des Integrationsamts obsiegen könnte.

    Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrages, nicht eines Arbeitsvertrages tätig. Sein Dienstvertrag ist auf eine Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichtet. Dies gilt unabhängig davon, ob der Fremdgeschäftsführer einen starken Anteilseigner oder einen weiteren Geschäftsführer neben sich hat, die die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestalten. Es kommt insoweit nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsbefugnis machen darf. Auch gegenüber einem Geschäftsführer im freien Dienstverhältnis steht der Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Ein Arbeitsverhältnis setzt voraus, dass die Gesellschaft eine darüber hinausgehende Weisungsbefugnis bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen kann. Im vorliegenden Fall lagen die Voraussetzungen einer solchen Ausnahmekonstellation nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht vor.

    Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei auch nicht deshalb eröffnet, weil die Klägerin als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 ArbGG angesehen werden könne. Entscheidend für eine arbeitnehmerähnliche Person sei die wirtschaftlich Abhängigkeit, die in ihrer gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar und damit ähnlich sozial schutzwürdig sein müsse. Soziale Schutzbedürftigkeit sei anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls und der Verkehrsanschauung das Maß der Abhängigkeit einen solchen Grad erreicht, der im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar seien.

    Das Bundesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall festgestellt, dass die Klägerin – wie regelmäßig die Fremdgeschäftsführer – in ihrer gesamten sozialen Stellung nach nicht mit einem Arbeitnehmer vergleichen sei. Dies ergebe sich aus der mit ihrem Amt verbundenen Rechtstellung. Der Geschäftsführer einer GmbH verkörpert als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft den Arbeitgeber. Er nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/19

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