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    DEUTSCHE REGELUNG ZUR ABBERUFUNG EINES DATENSCHUTZBEAUFTRAGTEN EUROPARECHTSKONFORM

    Nationale Regelungen, die an die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten höhere Voraussetzungen stellen als in der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) vorgesehen, sind, sofern sie den Zwecken der DS-GVO nicht zuwiderlaufen, europarechtskonform. Ob ein Interessenkonflikt zwischen der Stellung des Datenschutzbeauftragten und einer weiteren ausgeübten Aufgabe besteht, muss das nationale Gericht nach umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls feststellen.

    Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 09.02.2023 gleich in zwei Verfahren, Az. C-453/21 und C-560/2, entschieden, nach jeweiliger Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27.04.2021, Az. 9 AZR 383/19 und 9 AZR 621/19. In den Verfahren ging es jeweils um die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten. Im ersten Fall wurde der Datenschutzbeauftragte abberufen, weil er zugleich Betriebsratsvorsitzender war und in dieser Doppelrolle ein Interessenkonflikt gesehen wurde. Im zweiten Fall erfolgte die Abberufung aufgrund eines Interessenkonflikts mit der sonstigen beruflichen Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten. In beiden Fällen setzte das BAG das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Europarechtskonformität des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und – im ersten Fall – zum Vorliegen eines Interessenkonflikts bezüglich der Positionen als Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender vor.

    Der EuGH verfestigt seine bisherige Rechtsprechung vom 22.06.2022 C-534/20 zum deutschen Sonderkündigungsschutz und erklärte in beiden Fällen, dass eine nationale Regelung über das Schutzniveau der DS-GVO hinausgehen kann, solange dies nicht die Verwirklichung der Ziele der DS-GVO hemmt. Verfolgte Ziele der DS-GVO seien generell eine Verwirklichung des Datenschutzes und, mit Blick auf die Abberufung des Datenschutzbeauftragten, insbesondere die Wahrung von dessen funktioneller Unabhängigkeit. Eine nationale Regelung stünde diesen Zielen demnach entgegen, wenn sie die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten auch im Falle unzureichender Qualifizierung oder bei Vorliegen eines Interessenkonflikts unmöglich machte. Diese Möglichkeiten der Abberufung aufrechtzuerhalten, sei Aufgabe des BAG, da es die Europarechtskonformität des BDSG sicherzustellen habe. Damit sagt der EuGH, dass die schutzintensiveren Vorschriften des BDSG grundsätzlich europarechtskonform sind, sofern die Abberufung eines unqualifizierten oder in einen Interessenkonflikt verwickelten Datenschutzbeauftragten trotzdem möglich ist.

    In Bezug auf den einen Interessenkonflikt zwischen der Rolle des Datenschutzbeauftragten und des Betriebsratsvorsitzenden wies der EuGH den Rechtstreit an das BAG zurück. Ein Interessenkonflikt liege nach dem EuGH grundsätzlich aber zumindest dann vor, wenn der Datenschutzbeauftragte im Rahmen seiner anderen Aufgabe Zwecke der Datenverarbeitung festlegen könne. Es bleibt abzuwarten, wie das BAG nunmehr entscheidet. In seiner Vorlage an den EuGH führte das BAG dazu jedenfalls noch aus, dass ein solcher Konflikt in der Vergangenheit bei einfacher Betriebsratsmitgliedschaft abgelehnt worden sei (BAG, Urteil vom 23.03.2011 – 10 AZR 562/09). Allerdings ließ das Gericht noch offen, ob es an dieser Sichtweise festhalten wird. In einer Entscheidung des LAG Sachsen wurde ein Interessenkonflikt auch für die Rolle des Betriebsratsvorsitzenden verneint (LAG Sachsen, Urteil vom 19.08.2019 – Sa 268/18).

    Letztendlich kommt es im ersten Fall maßgeblich auf die Beurteilung des BAG zum Interessenkonflikt zwischen beiden Tätigkeiten an. Im Ergebnis wichtig und richtig ist die Feststellung des EuGH, dass die Regelungen der DS-GVO nicht dazu führen, dass jegliche andere staatliche Regelung unwirksam wird. In Bezug auf die Regelung des BDSG bestätigt der EuGH erneut die Europarechtskonformität, soweit das BDSG Wege für eine Abberufung in bestimmten Fällen nicht versperrt. Ob der Betriebsratsvorsitz mit der Rolle als Datenschutzbeauftragter unvereinbar ist und ob das BAG an seiner in der Vorlage geschilderten Ansicht festhält, bleibt abzuwarten.

    Dr. Irini Ahouzaridi, Luca Ullmann (Student)

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/23

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