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    EuGH bescheinigt Sanierungsklausel EU-Rechts-Konformität

    Ein sehr wechselhaftes Schicksal hat in den letzten Jahren die so genannte Sanierungsklausel durchgemacht, die als § 8 c Abs. 1a KStG im Jahre 2009 nachträglich in das Gesetz eingefügt wurde. Die Vorschrift galt für sieben Jahre als europarechtswidrig und wurde damit von der Finanzverwaltung nicht angewandt. Diese Ansicht wurde im letzten Jahr vom EuGH revidiert. Seit seinem Urteil vom 28.06.2018 in der Rechtssache
    C-203/16 P herrscht nunmehr Klarheit, dass aufgelaufene Verluste einer Körperschaft im Falle eines Anteilserwerbs dann nicht wegfallen, wenn die Übernahme zum Zwecke der Sanierung erfolgt.

    Die Regelung in § 8c KStG wurde ursprünglich als § 8 Abs. 4 KStG in das Gesetz aufgenommen, um den schwunghaften Handel mit Verlustgesellschaften zu unterbinden, der alleine der Erzielung von Steuervorteilen diente. Über die Jahre und mehrere Gesetzesverschärfungen hinweg wurde aus einer spezifischen Missbrauchsvermeidungsvorschrift nahezu ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach vorgetragene Verluste einer Körperschaft im Falle eines Anteilseignerwechsels entfallen. Der Gesetzgeber erkannte darin richtigerweise eine überschießende Rechtswirkung und begrenzte den Anwendungsbereich der Vorschrift dadurch, dass für bestimmte Konstellationen Ausnahmen vom Verlustwegfall in das Gesetz aufgenommen wurden. So blieb der Verlustvortrag bei bestimmten konzerninternen Umstrukturierungsvorgängen erhalten (§ 8c Abs. 1 Satz 4 KStG). Die Sanierung eines angeschlagenen Unternehmen, d.h. die Rettung von Arbeitsplätzen, wurde dadurch belohnt, dass auch in diesen so genannten Sanierungsfällen die bisherigen Verluste weiterhin geltend gemacht werden konnten (§ 8 Abs. 1a KStG). Die Einzelheiten der Vorschrift blieben jedoch stets umstritten, weil die Nichtberücksichtigung entstandener Verluste für sich genommen ein klarer Verstoß gegen das verfassungsmäßig verankerte Nettoprinzip, also gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit darstellt.

    Die steuer- und verfassungsrechtlich geführte Diskussion um § 8c KStG bekam im Jahr 2011 eine völlig neue Wendung, als die EU-Kommission in der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG eine nach EU-Recht unerlaubte Beihilfe sah. Die Ausnahme vom Grundsatz des Verlustwegfalls zu Sanierungszwecken stelle eine wettbewerbsverzerrende Subvention dar. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, die steuerpflichtigen Unternehmen namentlich zu benennen, die in den Genuss dieser Vorschrift gekommen waren. Gleichzeitig wurde die Bundesregierung aufgefordert, die gewährten Subventionen in Form der anerkannten Verluste rückgängig zu machen und die Steuerbescheide für die betroffenen Jahre zu ändern.

    Nach mehreren Anläufen hat nun der EuGH in begrüßenswerter Klarheit diese Entscheidung der Kommission revidiert und die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG vom Makel der EU-Rechts-Widrigkeit befreit.

    Bemerkenswert an der Argumentation des EuGH ist die Rückführung der Gesetzessystematik auf den historischen Zweck der Missbrauchsvermeidung. Verfassungsmäßig verankerter Grundsatz des Steuersystems ist die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens, die durch entstandene Verluste geschmälert wird. Nur ausnahmsweise soll gegen das Nettoprinzip verstoßen werden können, wenn dies zur Vermeidung von Missbrauchsfällen – wie z.B. der Handel mit Verlustvorträgen – erforderlich ist. Wenn das Gesetz zu Sanierungszwecken eine Ausnahme von der Ausnahme macht, kann hierin schon keine unerlaubte Subvention liegen, weil nur das Grundprinzip der verfassungsmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wiederhergestellt wird.

    Dem EuGH ist für diese Klarstellung zu danken, die insbesondere in kritischen Sanierungsfällen zu mehr Rechtssicherheit führt.

    Christian Slota

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