Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    EuGH: Internationale Zuständigkeit bei Klagen wegen griechischer Staatsanleihen

    Welches Gericht eines Mitgliedstaats für Klagen eines privaten Inhabers griechischer Staatsanleihen, die im Jahr 2012 zwangsweise umgetauscht wurden, gegen den griechischen Staat zuständig ist, richtet sich nicht nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Denn es handelt sich nicht um einen Rechtsstreit über "Zivil- und Handelssachen" im Sinne dieser Verordnung.

    Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 15.11.2018, Az.: C-308/17) hatte einen Fall aus Österreich zu entscheiden. Das Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung von Art. 7 Nr. 1 a) der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012. Der Kläger erwarb vor 2011 über eine österreichische Depotbank griechische Staatsanleihen im Nennwert von 35.000 €. Bei dem von Griechenland im Jahr 2012 vorgenommenen Zwangsumtausch wurden die vom Kläger gehaltenen Anleihen durch neue Staatsanleihen mit niedrigerem Nennwert ersetzt.

    Der Kläger klagte gegen Griechenland auf Erfüllung der ursprünglichen Anleihebedingungen bzw. auf Schadenersatz in Österreich. Griechenland wandte ein, dass die österreichischen Gerichte nicht zuständig seien, da der Rechtstreit das souveräne Recht eines Mitgliedstaats betreffe, Rechtsvorschriften zur Umstrukturierung seiner Staatsschulden zu erlassen. Der Oberste Gerichtshof beschloss, das Verfahren auszusetzen, und hat dem EuGH Fragen zur Auslegung des Begriffs des Erfüllungsortes in Art. 7 Nr. 1 a) der Verordnung Nr. 1215/2012 vorgelegt.

    Der EuGH entschied, dass Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 auf diesen Rechtsstreit nicht anwendbar sei, da es sich nicht um einen Rechtsstreit über "Zivil- und Handelssachen" im Sinne dieser Verordnung handele. Die o.g. Verordnung gelte nicht für die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii). Der EuGH führt wie folgt aus: Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 definiere weder den Inhalt noch die Tragweite des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“. Bei der Auslegung dieses - autonomen - Begriffs müssten die Zielsetzungen und die Systematik der Verordnung sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, berücksichtigt werden. Diese Auslegung führe dazu, dass bestimmte Klagen wegen der Natur der zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Rechtsbeziehungen oder wegen des Gegenstands des Rechtsstreits vom Anwendungsbereich der o.g. Verordnung ausgeschlossen sind.

    Der zugrundeliegende Rechtsstreit gehe auf eine Wahrnehmung hoheitlicher Rechte zurück und resultiere aus Handlungen des griechischen Staates in Ausübung dieser hoheitlichen Rechte. Der griechische Gesetzgeber erließ während der Finanzkrise ein Gesetz, mit dem rückwirkend eine Umstrukturierungsklausel eingeführt wurde. Diese Klausel ermöglichte es, allen Inhabern der betreffenden Staatsanleihen eine Änderung der ursprünglichen Anleihebedingungen aufzuerlegen, und zwar auch jenen, die mit dieser Änderung nicht einverstanden waren. Mit der Klausel sei das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt worden, die griechische Staatsschuld umzustrukturieren und die Gefahr des Scheiterns des entsprechenden Umstrukturierungsplans auszuschließen, um den Zahlungsausfall Griechenlands zu verhindern und die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets sicherzustellen.

    In der Sache bleibt abzuwarten, wie der Oberste Gerichtshof (Österreich) die Zuständigkeitsfrage löst. Die erste Instanz hat die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte verneint. Das Oberlandesgericht Wien lehnte hingegen die Einrede der Unzuständigkeit der österreichischen Gerichte mit der Begründung ab, der Kläger leite seinen Anspruch nicht aus einem griechischen Gesetzgebungsakt ab, sondern aus den ursprünglichen Anleihebedingungen der streitgegenständlichen Staatsanleihen. Das zuständige Gericht bestimme sich nach griechischem Recht und damit nach dem Wohnsitz des Gläubigers als Erfüllungsort für die Geldschuld. Ob diese Begründung allerdings nach der Entscheidung des EuGH noch möglich ist, ist sehr fraglich.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/19

    Drucken | Teilen